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Vom 19. Mai bis zum 14. Juli zeigt 14-1 Galerie drei verschiedene analytische künstlerische Positionen, darunter verstehe ich Arbeiten, die isolierte, aber auch das Ganze der Kunst reflektierende Einzelaspekte zum Thema haben: Foto- und Videoarbeiten der Wienerin Siegrun Appelt aus ihrer Serie ªFünfhaus´, eine Modellbau-Zeichnung-Installation des Japaners Koho Mori-Newton und Fotografien u. a. mit dem bewusst irreführenden Titel ªlatte macchiato´ der Bildhauerin Barbara Wille.

Die Werke der in Berlin lebenden Künstlerin Barbara Wille thematisieren stets die Ambivalenz von Sein und Zeigen. Zuletzt waren es ihre Fotointarsien, die voriges Jahr in der 14-1 Galerie unter dem Titel "Illusion sowieso" gezeigt wurden, und die durch das Kombinieren realer und abgebildeter Oberflächen auf überraschende Weise die Regeln des Sehens und Abbildens aufzeigten und verblüffend spielerisch durcheinander brachten.

Sie waren augenfällige Belege dafür, dass selbst die Fotografie nicht vor den Fallen des Trompe l´oeuil sicher ist.

In ihren aktuellen Fotoarbeiten erfährt dieses Spiel eine neue Wendung. Es sind Momentaufnahmen von Überflutungsprozessen: Eine opak weisse Flüssigkeit hat sich in den Bildraum ergossen und ihr stetig steigender Spiegel vereinnahmt allmählich die darin platzierten Gegenstände. Mehr und mehr spannt sich die Oberfläche über die Ränder der Objekte, sie sinken ein, werden selbst Fläche. Im nächsten Moment werden sie verschwinden. Die Oberflächenspannung wird dem Druck der nachfließenden Milch nicht mehr widerstehen, ihre Haut wird sich über den Objekten entspannen und schließen. Die Oberfläche des flüssigen Mediums und die Bildfläche werden eins.

Der Moment der größten Spannung ist zugleich der Moment des Auslösens. Und in diesem Augenblick wird das Medium der Fotografie mit dem vereinnahmenden Fluidum identifiziert. Licht ergießt sich in den Apparat. Zurück bleibt das opake Weiß der Flüssigkeit und das lichtlose Schwarz der Kamera.

Koho Mori-Newton liefert die Ausstellungsräume gleich mit, in denen er seine Zeichnungen präsentiert. Acht gebastelte Modellbauten bilden die surreale Szenerie für seine in ªRaum 1´, ªRaum 2´, ªRaum 3´ usw. wie Intarsien integrierten Frottagen.

Die durch Abreiben von Gegenständen mit Aquarellstift ªabgepausten´ Zeichnungen, Texturen sind Originale, ohne authentisch zu sein. Durch dieses Kopieverfahren konterkarriert Koho Mori-Newton den ªeigentlichen´ künstlerischen Prozess, indem er seine eigene gestische Handschrift und damit die Idee der Authentizität des Künstlers und seines Werks zerstört. Er thematisiert in diesem Prozess die traditionelle Vorstellung von Zeichnung in ihrer Expressivität und Aussagekraft und verbindet sie mit der gleichzeitigen Destruktion des Sujéts ªZeichnung´ sowie der optischen Bedeutung der Linie und ihrer Ausdrucksqualität.

Die adäquate Gestalt finden deshalb Koho Mori-Newtons Zeichnungen in ihrem eigenen Raum als Bestandteil der eigenen 4 – manchmal sind es auch mehr – künstlerischen Wände. Als Zeichnungen sind sie kaum mehr auszumachen: sie sind raumgreifend, ihre Dimensionen sind nicht eindeutig messbar und obwohl es Originale sind, ist das authentischste an ihnen ihre Fassung: der Modellraum.

Siegrun Appelt hat in ihren neuen Arbeiten nachts den Wiener Fünfhaus-Bezirk fotografiert und gefilmt: Eine Gartensiedlung, in der sich die Wiener ein Stück Natur in ihre Stadt geholt haben. Jeder kennt solche parkähnlichen Kleingarten-anlagen: Mit viel Liebe haben sich ihre Besitzer bemüht, in der selbst angelegten Natur ihr eigenes Paradiesgärtlein erstehen zu lassen. Siegrun Appelts Blick zeigt uns jedoch eine ganz andere Sicht auf die Dinge: Ihre in mattweißen Rahmen präsentierten Fotografien zeigen viel Asphalt, Garten-Hecken oder Sitzbänke. Wir bleiben also außen vor, müssen wie Voyeure durch oder über die Hecke blicken und es uns in diesem Grenzbereich oder Zwischenraum einrichten.

Die Bilder besitzen eine sehr unnatürliche Farbigkeit. Die Natur wirkt künstlich. Was zunächst Gemütlichkeit, Heimeligkeit und Intimität suggeriert, scheint nächtens im Licht der Straßenlaternen unheimlich. Die Gärten wirken bedrückend und die Idylle des Tages ist einer bedrohlichen Stille gewichen. Jeden Moment scheint die Stimmung umschlagen zu können, Mord und Totschlag eine Möglichkeit zu sein.

Siegrun Appelt wählt für ihre Fotoarbeiten Motive, denen das Transitorische, Flüchtige und Instabile eigen ist. Sie dekonstruiert mit verschiedenen Verfahren den Begriff der Authentizität, sei es den abbildgenauen Blick als ein Stück Wirklichkeit, sei es den ihrer Autorenschaft. In ihrer zur Fotoserie gehörigen Videoarbeit richtet Appelt die Videokamera statisch auf eine unbedeutende Straßenkreuzung Ecke Kendlerstraße/Schanzstraße im Bezirk Fünfhaus. Was vor die Kamera kommt ist zufällig. Mit dem Verzicht auf fast jedwede Dramaturgie widerspricht sie der Tradition der klassischen Repräsentation. Die Bilder entstehen nicht durch bewußte Entscheidung.

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