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Mit der neuen Ausstellung führt das Kunstmuseum Luzern die bewährte Form der wechselnden Sammlungspräsentation fort. Die Kombination von Kunstwerken verschiedener Medien und Epochen unter einem gemeinsamen Thema ist zu einem eigentlichen Markenzeichen des Kunstmuseums Luzern geworden. Das gewählte Thema bindet dabei die Werke in einen offenen Dialog ein. Bekannte Werke können in dieser wechselnden Umgebung neu entdeckt, unbekanntere oder neu erworbene Werke dem interessierten Publikum im Kontext der Sammlung neu oder überhaupt erstmalig präsentiert werden.

Stille und Ruhe laden zum Nachdenken über das Hier und Jetzt ein. Die Ausstellung kombiniert ausgewählte zeit­ge­nössische Kunstwerke, darunter neuere Werkgruppen von Ugo Rondinone, Rémy Markowitsch oder Berlinde De Bruyckere, mit Bildern der grossen Klassiker der Schweizer Kunst Robert Zünd, Ferdinand Hodler und Hans Emmenegger. Ob Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Videos oder Installationen, alle ausgestellten Werke zeichnen sich durch ein Moment der Stille aus, sie handeln formal wie inhaltlich von Ruhe und strahlen eine meditative Wirkung aus.

Der Darstellung des Menschen in Situationen der Unbewegtheit kommt in der Kunst grosse Bedeutung zu. Der Schlaf und der Tod sind zwei beliebte Motive. So stellt Ferdinand Hodlers Gemälde „Der Tag“ das Erwachen und den beginnenden Tag dar. In die lange Tradition der Darstellung des toten Menschen (und des toten Christus) reiht sich Berlinde De Bruyckeres Skulptur „Robin V.“ ein. In einer Glasvitrine liegt der Körper eines Mischwesens, wir sehen die Beine und den Oberkörper eines ausgezehrten Mannes, anstelle der Arme wuchern Äste aus dem Rumpf. Die Wachshaut der Figur, die so unglaublich echt wirkt, lässt uns jedoch eher an ein mythisches Wesen denken. Wäre diese männliche Variante einer in einen Baum verwandelten Daphne wieder zum Leben zu erwecken?

„Der Tag“, Hodlers Hauptwerk in der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, wurde kürzlich umfassend restauriert und ist nach den Retrospektiven in Paris und Bern ein erstes Mal wieder in Luzern zu sehen ist. Das Gemälde steht in einer langen Reihe der Beschäftigung des Künstlers mit symbolistischen Themen sowie der Dualität männlicher und weiblicher Figuren. Während Hodler im Gegenstück, „Die Nacht“ von 1890/91, den Schlaf und den Alptraum sichtbar machte, stellt Ugo Rondinone in seinen Nachtbildern die unendliche Stille des Nichts ins Zentrum. Drei monumentale Gemälde zeigen den Nachthimmel an drei aufeinanderfolgenden Tagen im September 2008. Dazu gesellen sich zwei skulpturale Mondgesichter-Masken aus Rondinones Moonrise-Serie.

Doch auch im Stillleben und in der Wiedergabe der menschenleeren Natur begegnen wir der Stille. Nicht von ungefähr hat Robert Zünd am Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Malerei eine Welt festgehalten, die sowohl den Lärm als auch die Geschwindigkeit einer zunehmend technifizierten Welt ausblendet. Zünd ist formal ein Realist, inhaltlich ein Idealist. Seine Kunst zeigt uns heute, wieweit wir uns von der Natur entfernt haben; die Waldbilder rufen selten gewordene Momente der Stille in Erinnerung.

Mit einer gigantischen Partitur ist Christoph Rütimanns 28 Meter lange Zeichnung vergleichbar, die als Raum im Raum von der Decke hängt. Die über mehrere Meter laufenden Linien sind wie Melodien, Klangbewegungen, Arpeggien und Staccati. Wir stehen in einem Klangraum, „sehen“ Töne – und hören nichts. Die Zeichnung, die 1990 für den grossen Saal des alten Kunsthauses entstand, wird hier im neuen Kunstmuseum erstmals ausgestellt.

Einen besonderen Akzent zum Thema Stille bilden schliesslich die fotografischen Werke. Von James Welling, Beat Streuli und Rémy Markowitsch werden grössere Werkgruppen gezeigt. Wie kein anderes Medium vermag die Fotografie selbst die dramatischsten Szenen in einen Moment der Stille und des Stillstands einzufrieren. Den Augenblick so einzufangen, dass das Bild nicht langweilig wirkt, sondern wie eine Momentaufnahme, die ein Nachdenken über das Vorher und Nachher evoziert, hat die Künstler immer wieder herausgefordert und macht eine der Faszinationen der bildenden Kunst aus. So wird auch der Rundgang durch die Ausstellung für die Besucherinnen und Besucher zu einer Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt.

Als Rahmenprogramm sind mehrere Gespräche mit ausstellenden Künstlern vorgesehen. Zudem erweitert ein Kooperationsprojekt mit der Hochschule Luzern-Musik das Thema der Ausstellung akustisch.

Christoph Lichtin, Sammlungskonservator

Robert Zünd (1827–1909), Ferdinand Hodler (1853–1918), Hans Emmenegger (1866–1940), Aldo Walker (1938–2000) Heinz Brand (1944) Richard Long (1945), James Welling (1951), Christoph Rütimann (1955), Rémy Markowitsch (1957), Jörg Niederberger (1957), Beat Streuli (1957), Martin Walde (1957), Rosemary Laing (1959), Patrick Rohner (1959), Adrian Schiess (1959), Ugo Rondinone (1962), Berlinde de Bruyckere (1964), USA United Swiss Artists (Martin Frei, Rebecca Schmid, Christoph Draeger, Urs Lehmann, 1966/1968/1965/1966), Smith/Stewart (1968/*1961)

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Silence

Künstler: Robert Zünd, Ferdinand Hodler, Hans Emmenegger, Aldo Walker, Heinz Brand, Richard Long, James Welling, Christoph Rütimann, Rémy Markowitsch, Jörg Niederberger, Beat Streuli, Martin Walde, Rosemary Laing, Patrick Rohner, Adrian Schiess, Ugo Rondinone, Berlinde De Bruyckere, USA United Swiss Artists  (Martin Frei, Rebecca Schmid, Christoph Draeger, Urs Lehmann), Smith / Stewart