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Eröffnung: 06. Februar 2009

Die Arbeiten von Simon Starling handeln von natürlichen und kulturellen Transformationsprozessen. Sie entwickeln sich aus einer Reihe von gedanklichen und praktischen Schritten, die wie eine Versuchsanordnung anmutet und gleichzeitig von einer Verwandlung erzählt. Er benutzt für die Darstellung solcher Prozesse keine illustrativen Verfahren, also etwa Bilder, sondern präsentiert die realen Materialien und Relikte im Verbund mit kurzen schriftlichen Hinweisen.

Im Mittelpunkt von Starlings Ausstellung in der Temporären Kunsthalle Berlin stehen zwei Installationen, die um das Klima als notwendige Voraussetzung für die Existenz natürlicher oder künstlicher Systeme kreisen. Wird im einen Fall ein Kaktus in den Berliner Winter gebracht und sein Transportmittel zur Heizung umfunktioniert, die für die richtigen klimatischen Verhältnisse sorgt, stellt im anderen Fall ein natürliches System die geeigneten Bedingungen für die Präsentation empfindlicher Artefakte wie historische Fotografien her. In einer dritten Installation, die er eigens für die Kunsthalle geschaffen hat, thematisiert Starling wiederum die Idee des Kreislaufs im Wechsel von Natur und Technik.

So nachvollziehbar Starlings gedankliche und materielle Konstruktionen sind, es bleiben poetisch-fragile Andeutungen, die ebenso eigensinnig wie ästhetisch beeindruckend sind. Seine Arbeiten werden nicht zuletzt getragen von der alten romantischen Erkenntnis, dass bei genauem Hinsehen „alles mit allem zusammenhängt.“

Kakteenhaus, 2002 Die Installation simuliert ein Gewächshausambiente für einen Kaktus, den Starling aus seinem ursprünglichen Ökosystem in Spanien entfernt und mit dem Auto nach Nordeuropa gebracht hat. Das Auto steht außerhalb der Kunsthalle, der ausgebaute Motor wurde in die Kunsthalle verlegt. Verlängerte Rohrleitungen und Kabel verbinden die beiden Elemente miteinander, so dass die im Dauerbetrieb des Motors frei werdende Wärme ein angemessenes Klima für den Kaktus schafft. Wird so der immanente Widerspruch der Präsentation exotischer Pflanzen in ungeeigneten Klimata in grotesk überzeichneter Weise sinnfällig gemacht, so schafft die Verflechtung von materiellen Objekten und den mit ihrer Entstehung verknüpften Geschichten die für Starlings Arbeit typischen Konstruktionen zwischen Dokumentation und Fiktion.

Plant Room, 2008 Mit dieser Installation stellt Starling die idealen konservatorischen Bedingungen für eine Auswahl von empfindlichen Originalfotos von Karl Blossfeldt (1865-1932) her. Blossfeldt gilt als einer der bedeutendsten Fotografen der Neuen Sachlichkeit. Sein Interesse an der detaillierten Abbildung von Pflanzen galt ihrem Aufbau, ihrer Struktur und deren Übertragbarkeit auf eine Formensprache von Architektur und Ornamentik. Starling präsentiert die Fotografien Blossfeldts in einem archaisch anmutenden Lehmhaus. Eine besondere Qualität der Lehmarchitektur besteht darin, dass sie für einen optimalen klimatischen Ausgleich sorgt. Das integrierte Heizsystem bezieht aus dem benachbarten Spreekanal das Wasser, das mit Hilfe einer Brennstoffzelle auf die gewünschte Temperatur gebracht wird.

Under Lime, 2009 Die neue, für diese Ausstellung geschaffene Arbeit thematisiert auf elegante Weise einen Vorgang, den man als zielstrebigen Umweg bezeichnen könnte. Wiederum ist es ein Stück Natur, das aus seinem ursprünglichen Kontext mit Hilfe eines Apparates entfernt wurde, der anschließend zweckentfremdet dazu dient, das Objekt in der Kunsthalle diskret zur Schau zu stellen: Mit einer Kettensäge wird ein Ast von einem Baum der nahegelegenen Allee „Unter den Linden“ abgesägt. Die Säge wird dann zu einem Instrument, mit dessen Hilfe der Künstler diesen Ast an der Decke des Kunstraums installiert.

Simon Starling (geb. 1967 in Epsom, UK) lebt und arbeitet in Berlin und Kopenhagen. Seine Installationen sind in den bekanntesten internationalen Museen und Sammlungen zu sehen. In den letzten sechs Jahren hatte er Einzelausstellungen u.a. in Power Plant, Toronto (2008); Kunstraum Dornbirn (2008); Museum Folkwang, Essen (2007); Kunstmuseum Basel Museum für Gegenwartskunst (2005); Museum of Modern Art, Sydney (2002); Portikus, Frankfurt (2002); UCLA Hammer Museum, Los Angeles (2002) und nahm an wichtigen Gruppenausstellungen wie der Biennale d'Art Contemporain de Lyon (2007); Moscow Biennale of Contemporary Art (2007); Made in Germany, Kestnergesellschaft Hannover (2007); Busan Biennale (2006) teil. Simon Starling ist Turner Prize-Träger des Jahres 2005. Seit 2005 hat er eine Professur an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste (Städelschule) in Frankfurt am Main inne.

Die Ausstellung wird kuratiert von Julian Heynen, Künstlerischer Leiter von K21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, und seit 2007 Mitglied des Künstlerischen Beirats der Temporären Kunsthalle Berlin.

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Simon Starling
Under Lime
Kurator: Julian Heynen