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Vernissage: 15. Mai 2008, 19 Uhr Zur Ausstellung spricht Dr. Karin Gludovatz.

In der Ausstellung acht minuten zeigt die Galerie Hohenlohe neue Arbeiten Simon Wachsmuths, die sich mit der literarischen Form von Zeit und Geschichte, auseinandersetzen. Insbesondere aber mit deren Wahrnehmung und Konstruktion – ein Thema mit dem der Künstler sich bereits in seiner Installation auf der documenta 12 in Kassel beschäftigt hat. Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf die Endlichkeit der Geschwindigkeit des Lichts durch die wir Gegenstände nicht wie sie gegenwärtig sind sehen, sondern wie sie in unserer Vergangenheit waren – acht Minuten ist das Bild der Sonne schon Vergangenheit wenn wir sie ansehen.

Der Film „Persepolis - Where We Were Then, Where We Are Now“, der Teil der documenta-Installation Simon Wachsmuths war, ist die Ausgangsbasis für die Reflexion über das Verhältnis von Gegenwart und Vergangenheit. Den standbildartigen Aufnahmen einer archäologischen Ausgrabung stehen Kamerafahrten entlang eines antiken Frieses gegenüber. Langsam werden dabei Figuren abgetastet, Vertreter fremder Völker, die dem König Tribut zollen, aber auch Persische Soldaten, die in minimalistischer Ordnung, das Gegengewicht zu den Beherrschten bilden. Erinnert wird an Formen, Staatsgebilde damals - politische Organisationsformen heute. Vier Photographien, die während der Dreharbeiten gemacht wurden, stellen den Bezug zwischen Aufnahmegegenstand und Apparatur her. Weiters ist eine Installation zu sehen, die auf einem antiquarisch erworbenen Karteikasten aufbaut, der eine Sammlung von Blättern zum Iran und Persien enthält. Ein unbekannte Sammler hat in den fünfziger und sechziger Jahren obsessiv Medienbilder zusammengetragen: Kartographien historischer Migration und Erdölproduktion, ethnographisches Material und auch Ausschnitte aus der Tagespresse und Boulevardzeitschriften. Simon Wachsmuth macht durch die Verwendung von vorgefundenem Material deutlich, welche Rolle der jeweilige Autor beim Herstellen seiner Version von Zeitgeschichte hat und zeigt somit eine weitere Variante der Geschichtsbild-Konstruktion.

Die aktuellste Werkgruppe zeigt auf worum es in dieser Präsentation geht. Denn auch hier dienen historische Motive als Vorlage. Drei Schwarzbeschichtete Eisenblechtafeln, auf denen rechteckige Formen gedruckt sind, stehen den anderen Ausstellungstücken gegenüber. Die zuerst abstrakt wahrgenommenen Formen ähneln einer Hängung von Zetteln und Papierstücken. Und tatsächlich stellen sie die Bildmaterialien, die auf Aby Warburgs berühmten Tafeln des Bilderatlas Mnemosyne zu sehen sind dar. Diese hat Simon Wachsmuth am Computer nachgezeichnet und als weiße Schattenrisse auf die großformatigen Tafeln im Siebdruckverfahren aufgetragen.

Einst als kunsthistorisches Instrument gedacht, um Wissen über Bilder zu sammeln, entwickelten sich die Tafeln des Bilderatlas zu Bildern über Bilder bzw. zu einer „Konstruktion von Bildern, die Wissen befördern: Bilder des Wissens“1. Die „Bilder“ Simon Wachsmuth´s sind aber keine Tafelbilder im herkömmlichen Sinn. Inmitten der schwarzweißen Tafeln setzt der Künstler nämlich spiegelnde, magnetische Kugeln, die das Hier und Jetzt in die Warburgsche Bildwelt einbinden. Durch die Spiegelung werden Ausstellungssituation und BetrachterInnen selbst Teil der komplexen zeitlichen Überlagerungen. Der Künstler bezieht sich hier auf den Historiker Reinhart Koselleck: Geschichte existiert nur durch ihre Vergegenwärtigung und kann dadurch nicht abgeschlossen werden, sie ist demnach nur möglich durch die Konstellation von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Exemplarisch führt Simon Wachsmuth im Ausstellungsraum mehrere Modi der Betrachtung vor und zeigt damit die Brüchigkeit unserer Wahrnehmung. Dabei bleibt es nicht beim vorgegebenen Setting das der Künstler in der Galerie inszeniert: die Reihung der Dingen bleibt lose, offen und oft auch beunruhigend.

1 Karl Sierek: „Foto, Kino und Computer, Aby Warburg als Medientheoretiker“, Hamburg 2007, S. 129.

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