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Die kuratorische Überlegung zu Sleepwalking beruht auf einer Minimierung und Maximierung gleichermaßen. Zum einen lassen uns minimalistisch angesetzte räumliche Interventionen, wie bei Johannes Vogl, Hannes Zebedin, Marlene Haring & Tomas Vanek, Franz West sowie Christoph Weber, einen Ausgangpunkt für das Raumkonzept erfühlen. Zum anderen vermittelt die Skulpturengruppe (Anita Leisz, Anna Jermolaewa, Barbara Kapusta, Ilse Haider, Tove Storch, Lucy Stahl, Sonja Leimer sowie Catrin Bolt), durch ihre Diversität in der Raumbesetzung, eine Maximierung der plastischen Inanspruchnahme des Raumes als Gleichgewicht zu den minimalistischen Interventionen. Es wurde dabei an Arbeiten gedacht, die nicht unbedingt den Ausstellungsraum neu definieren oder gar akzentuieren, sondern viel mehr spielerisch und unhierarchisch mit dem Begriff Raum als Gesamterscheinung, als aktiven Schauplatz umgehen.

Darüber hinaus werden die Interventionen von Zebedin und West den öffentlichen Raum abschließen bzw erweitern. So ist der Raum nicht bloß der Ort, an dem Kunstwerke installiert oder aufgestellt werden: Die Arbeiten verstehen sich vielmehr als Handlungen und Prozesse, durch die sich der Raum erst konstatiert. Die Skulpturen, Installationen und Objekte schaffen sowohl in ihrer Masse als auch Geistigkeit Raum, und geben ebendiesen auch wieder zurück.

Die Musik-Performance der Band Joy Religion (Christian Egger, Christian Mayer, Martin Guttmann) steht für sich als Maximierung und zugleich Minimierung der Präsenz einer künstlerischen Strategie der neuen Avant Garde, deren Vorbild man in der Pop-Musik verorten kann. Diese Avant Garde erzählt in ihrem instrumentalen wie vokalen Ausdruck von einem Aufbruch in eine neue Kunstgeschichte. In ähnlicher Weise agiert Will Benedict, und nutzt narrative Aspekte der neuen Kontextualität „Artist-Artist“, indem er Beiträge seiner Künstlerfreunde (Claude Cahun, Lucy Indiana Dodd, Alivia Zivich) mit in die Ausstellung einfließen lässt.

Die spielerische Dimension im Ausstellungskonzept markieren die Interventionen und Objekte - jene von Stephan Lugbauer und Manuel Circovic auf dem Büropodest, Herwig Weisers Elektronik-Skulptur in der Küche, sowie der Eingangsbereich mit Christian Mayers Uhr - als Eigenelemente des Raumes.

Die vorgestellten Beiträge sollen sich nicht primär auf einander beziehen. Viel eher wird das heterogene Werkdenken gleichermaßen als Aufbruchlager betont. Dieses entzieht sich jeglicher hierarchisierenden Betrachtungsweise, und weitet sich trotz eines kriselnden Geschäfts im Repräsentations- und Kunstdiskurs aus.

Das Werkdenken, das hier im Kontext der Ausstellung angesprochen wird, ähnelt dem Schlafwandeln. Seine Aufbruchstationen sind naturgemäß nicht bekannt. Schlafwandlerisch entflieht die Kunst jener Gewöhnlichkeit des Diskurses, der sie ständig aufsaugt. Schlafwandeln im Sinne der Intention des Nichtintendierten.

Diese Metapher suggeriert einen der möglichen Ursprünge des ästhetischen Denkens. Angelehnt an Jacques Ranciere’s (französischer Philosoph) Text “Die Aufteilung des Sinnlichen” findet sich jene Stelle seiner Kritik am Kunstdiskurs, die meines Erachtens eine mögliche Interpretation des Wesens dieses Schlafwandels andeutet:

“Das Wort Ästhetisch verweist nicht auf eine Theorie des sinnlichen Erfahrung, des Geschmacks oder der Freuden der Kunstliebhaber. Es verweist im eigentlichen Sinne auf das spezifische Seinsweise dessen, was der Kunst zugehörig ist, also auf die Seinsweise ihrer Objekte. Im ästhetischen Regime der Künste werden die Dinge, die der Kunst zugerechnet sind, durch Zugehörigkeit zu einem spezifischen Regime des sinnlichen identifiziert. Dieses Sinnliche, aus seinen üblichen Verbindungen gelöst, wird von einer heterogenen Macht bewohnt, von der Macht eines Denkens, der sich selbst fremd geworden ist: ein Produkt, das kein Produkt ist, ein Wissen, das in Nichtwissen verwandelt wurde, ein Logos, der zugleich Pathos ist, die Intention des Nichtintendierten etc. Die Idee eines sich selbst fremd gewordenen sinnlichen als Sitz eines sich ebenso fremd gewordenen Denkens bildet den unveränderlichen Kern all jener Identifizierungen von Kunst, die das ästhetische Denken ursprünglich ausmachten....“

Amer Abbas, 2009

Participants: Marlene Haring / Tomas Vanek, Anna Jermolaewa, Catrin Bolt, Sonja Leimer, Lucie Stahl, Anita Leisz, Ilse Haider, Tove Storch, Barbara Kapusta, Joy Religion, Johannes Vogl, Adrien Trittau, Hannes Zebedin, Christoph Weber, Manuel Gorkiewicz, Stephan Lugbauer, Axel Huber, Franz West

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SLEEPWALKING
Kurator: Amer Abbas

Künstler: Marlene Haring / Tomas Vanek, Anna Jermolaewa, Catrin Bolt, Sonja Leimer, Lucie Stahl, Anita Leisz, Ilse Haider, Tove Storch, Barbara Kapusta, Joy Religion  (Christian Egger, Christian Mayer, Martin Guttmann (Clegg & Guttmann) & Beiträge von Claude Cahun, Lucy Dodd, Alivia Zivich), Johannes Vogl, Adrien Trittau, Hannes Zebedin, Christoph Weber, Manuel Gorkiewicz, Stephan Lugbauer, Axel Huber, Franz West