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Für das Projekt TRANSITIONERS, agiert die Société Réaliste in einem fiktiven Rahmen als Trend Agency für politische Machtwechsel.

In den letzten 15 Jahren ist die Liste der „Farbrevolutionen“ erheblich angewachsen. Einige davon wie die Rosenrevolution in Georgien, die Orange Revolution in der Ukraine, die Tulpenrevolution in Kirgisistan, die Bulldozer Revolution in Serbien oder die Zedernrevolution im Libanon waren erfolgreich, und die Opposition konnte die Macht übernehmen. Für andere, wie die Violette Revolution im Irak oder die Blaue Revolution in Kuwait, ist eine historische Entwicklung der Gesellschaft charakteristisch. Die Grüne Revolution in Aserbaitschan, die orange Bewegung in Weißrussland, die Trauben Revolution in Moldawien, die Gelbe Revolution in der Mongolei, die Bashkir Bewegung für eine Orange Revolution in Bashkortostan (Russland) oder die Bauernrevolution in Usbekistan waren noch nicht erfolgreich im Umstürzen der alten Regierung.

Diese Revolutionen, die häufig mit Studentenbewegungen beginnen und diktatorische Regime massiv ablehnen, werden vom Westen unterstützt. Diese Unterstützung ist jedoch nicht nur diplomatischer Art. In den letzten fünf Jahren wurden diese revolutionären Bewegungen vornehmlich von westlichen, hauptsächlich Amerikanischen, Fonds für „politische Entwicklung“ finanziert und eingeübt.

Bei dem Projekt TRANSITIONERS geht es nicht darum den „demokratischen“ Wahrheitsgehalt der einzelnen Revolutionen herauszufiltern oder den spezifischen Hintergrund ihrer Entstehung zu hinterfragen. Die zentrale Achse dieses Projekts ist das Band zwischen der revolutionären Mythologie, die traditioneller Weise mit einer radikalen und spontanen Veränderung der Gesellschaft assoziiert wird, und der gegenwärtigen strategischen Planung politischer Umwälzungen. Obwohl die westlichen Demokratien die Variante der Revolution mehr als zwei Jahrhunderte bekämpft haben, ist sie nun zu einem Entwicklungsprinzip für die internationalen Interessen des Westens geworden. Die Transformation des Revolutionsmodells ist die Basis des TRANSITIONERS-Projekts.

Das in Paris ansässige Künstlerkollektiv Société Réaliste agiert als revolutionäres Designbüro, das bei der Vorbereitung politischer Umbrüche entsprechende visuelle Hilfsmittel, Strategien und Ratschläge anbietet. Das Projekt TRANSITIONERS nimmt im Kunstpavillon die Form einer Installation an, die gleichzeitig der Showroom der TRANSITIONERS Agentur ist, in dem sich die Öffentlichkeit mit den Techniken und Strategien vertraut machen kann, die benötigt werden, um das Ziel des Unternehmens zu erreichen.

Die „Bastille Days Collection“ spielt anhand der ProtagonistInnen der Französischen Revolution eine abstrahierte Charakterisierung derselben mittels Farbcodes durch. Die Farben jedoch sind den Flaggen verschiedener Staaten entnommen. Der Symbolgehalt dieser Farben wird deutlich, wenn die BesucherInnen die – allesamt von offiziellen staatlichen Stellen formulierten – Beschreibungen lesen. „Getränkt mit dem Blut unserer Feinde. Standhaftigkeit, Mut und Leidenschaft. Unabhängigkeit durch einen bewaffneten Kampf. ...“ sind Leseproben daraus.

Zwei Anekdoten

An einem Sonntag im Februar wurden wir vor dem Palast der Kultur in Kiew, Ukraine, gegen Mittag zufällig Zeugen einer Demonstration, deren Ziel es war den Führer der Orangen Partei Viktor Yushenko am Höhepunkt seiner Kampagne zur Wahl, die er zuvor verloren hatte und schlussendlich doch gewann, nachdem er seine Allianzen neu überdacht hatte, zu unterstützen. Wir waren mitten in dieser kleinen, kompakten Menschenansammlung, die dafür bezahlt worden war brandneue orange Flaggen hinter präzis platzierten Absperrungen zu schwingen. Zwischen den Reihen der Demonstranten wurden breite Passagen für die Manöver der Schwenkarme der Kameras von internationalen und lokalen Fernsehstationen freigelassen. Hingebungsvolle lokale Revolutionslieder im Stil von Whitney Houston wurden mittels Lautsprechern, die das Wembley-Stadion beschallen hätten können, übertragen.

Mehrere junge, verliebte Paare wurden mit Nokia Handys vor dem offiziellen orangen Tourlastwagen fotografiert. Die Atmosphäre wurde zusehends durch das bevorstehende öffentliche Erscheinen der Führenden von „Unsere Ukraine“, Yushchenkos Partei, aufgeheizt - oder war es vielleicht nur der Tontechniker, der den Geräuschpegel hinaufdrehte? Plötzlich kam ein mit einer orangen Flagge bewaffneter Mann im Parka aus dem früheren Sowjetpalast. Mit einer „Yegorov und Kantaria“-ähnlichen Geste zog er die Flagge an dem Allrad-Tourtruck hoch. Choreographiert eskortierten wenige Studenten das Gefährt zum bereits berühmten Platz der Unabhängigkeit (Maidan Platz), der zwölf Monate zuvor in den Medien als eine Art Kreml bevölkert von engelsgleichen Revolutionspartisanen (sans culottes) präsentiert wurde. Der Platz der Unabhängigkeit schien uns nur mager gefüllt zu sein. Erst dann begriffen wir warum das Auto so langsam fuhr. Der Maidan Platz wurde mit den Demonstranten vom Platz vor dem Palast der Kultur befüllt, sobald sie aus dem Blickfeld der Kameras waren. Dann herrschte Stille. An die hundert Polizisten langweilten sich in den Zugängen zur U-Bahn.

Im April, 2500 Kilometer entfernt von dort, nahmen wir in Paris an der öffentlichen Präsentation der Herbst/Winter 2008/2009-Kollektion der Trend Union teil. Die Trend Union ist eine der wichtigsten Pariser Trend Agencies. Eine Trend Agentur produziert „General Trend Books“, die die wichtigsten Linien und Tendenzen, was morgen in Mode sein wird, vorgeben. Diese Art von Design Agenturen verkauften 2006 ihre Trends an andere kreative Köpfe – Produkt-, Inneneinrichtungs-, Konzept- oder Grafikdesigner, Stylisten, Publizisten, etc. , deren kreative MitarbeiterInnen wiederum im Jahr 2007 durch diese Trends für die Kreation ihrer eigenen Kollektionen für 2008 inspiriert werden. Das „Allgemeine Trend Buch“ besteht im Wesentlichen aus Stoffmustern und Farbschattierungen, die mit Schlüsselwörter (z.B. waren laut der Trend Union-Expertise „Verweigerung des Kapitalismus“ oder „die Natur umarmen“ unter den hunderten von Schlagwörtern für die Herbst/Winter 2006/2007-Kollektion.) assoziiert werden. Die Trends werden durch Fotos illustriert, die mehr oder weniger direkt die verschiedenen Herangehensweisen an die Kollektion zeigen. Zeitgenössische Kunst Produktionen werden in diesem Zusammenhang besonders geschätzt. Wenn Trend Agenturen ein neues „General Book“ präsentieren, zeigen sie üblicherweise ein permanent durchlaufendes Video, das die neue Kollektion synthetisiert. Durch ihre Möglichkeiten eine breite Spanne an formalen Variationen zu produzieren (farbliche, materielle, konzeptuelle,..) werden Trend Agenturen dafür bezahlt, zwei wesentliche Grundgefühle anzubieten, die entscheidend für das angespannte Wohlergehen der kreativen Industrie sind: die dynamische Variation des immer Gleichen, und das Vorhersehen des Unvorhersehbaren.

Ferenc Gróf, 1972 in Pécs, Ungarn, geboren, studierte an der Medizinischen Universität Budapest bevor er 2001 am Intermedia Department der Akademie der bildenden Künste in Budapest graduierte. Er hat an einer breiten Palette von Projekten – von der experimentellen Mediengruppe Vákuum TV bis hin zu journalistischer Tätigkeit für das online Kunstmagazin Exindex – mitgearbeitet. Er hatte bereits Einzelausstellungen in Frankreich und Ungarn und war Teilnehmer etlicher Gruppenausstellungen wie Aura, Media Model, Reading in Absence oder Field-works. Ferenc Gróf arbeitet seit Juni 2004 gemeinsam mit Jean-Baptiste Naudy in Paris im Rahmen von Société Réaliste. Jean-Baptiste Naudy wurde 1982 in Paris geboren. Er erhielt 2006 ein Master-Diplom in Curatorial Studies von der Sorbonne Universität. Er hat durch verschiedene Projekte – von der Mitarbeit in New Media-Kuratorenteams bis hin zum Schreiben über Kunst und Literatur in etlichen Publikationen – Erfahrungen gesammelt und hat seit 2002 für das Maison Européenne de la Photographie www.mep-fr.org gearbeitet. In seiner Eigenschaft als Künstler ist er in einigen Gruppenausstellungen aufgetreten. Jean-Baptiste Naudy arbeitet seit 2004 in Paris gemeinsam mit Ferenc Gróf unter dem Namen Société Réaliste, www.societerealiste.net.

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Société Réaliste – Ferenc Gróf & Jean-Baptiste Naudy
Ort: Kunstpavillon

Stationen:
18.01.07 - 10.03.07 Tiroler Künstlerschaft, Innsbruck
27.10.07 - 01.12.07 Galerie Martine Aboucaya, Paris
15.12.07 - 17.02.08 Centre d´art contemporain la Synagogue de Delme