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Sophie Taeuber-Arp (1889 – 1943) zählt zu den wichtigsten Schweizer Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Vielfältig begabt und souverän im Umgang mit Form, Farbe und Material schuf sie ein Œuvre, das in den Bereichen Design, Malerei, Textilien, Zeichnung, Plastik, Architektur, Tanz und Szenografie höchste Anforderungen an Qualität und Kontinuität in sich vereint. Die Ausstellung Sophie Taeuber-Arp. Heute ist Morgen bietet die Möglichkeit, die gattungsübergreifende Denk- und Vorgehensweise dieser Künstlerin anhand von über 300 Exponaten in noch nie dagewesener Tiefe und Breite zu erkunden und so ihre Pionierleistung für die Moderne umfassend zu würdigen. Die Ausstellung Sophie Taeuber-Arp. Heute ist Morgen ermöglicht den bis anhin grössten und vollständigsten Überblick über das Werk der Schweizer Avantgarde-Künstlerin. Aus allen Wirkungsgebieten sind grössere Werkgruppen zu sehen, welche die Basis legen für das Verständnis von Sophie Taeuber- Arps künstlerischer Methodik. So lebt die Präsentation der Werke von wechselseitigen Werkbezügen, die verdeutlichen, dass sie künstlerische Ansprüche problembezogen und analytisch sowie neben- und miteinander umsetzte. Im Sinne eines vernetzten Gestaltens erfolgten Rück- und Vorgriffe auf bestehende Ansätze. Formale sowie inhaltliche Bezüge sind in Sophie Taeuber-Arps Arbeiten subtil verwoben und dennoch nachvollziehbar: Die Entstehung eines Werks im Heute hielt immer schon eine Lösung für das Morgen bereit. "Die bekannte Unbekannte" lautete zu Recht der Titel eines Dokumentarfilms über Leben und Werk von Sophie Taeuber-Arp, den das Schweizer Fernsehen 2012 erstmals ausstrahlte (nächste Ausstrahlung am Sonntag, 24.8., 11.55 Uhr auf SRF 1). Denn bekannt ist uns Sophie Taeuber-Arp zweifelsfrei. Seit rund 20 Jahren blickt sie uns von der 50-Franken-Note entgegen; man kennt sie als Ehefrau von Hans Arp, einem der bedeutendsten Dada-Künstler, als seine Mitstreiterin und künstlerische Gefährtin. Der eigentliche Charakter ihres Schaffens ist aber noch zu wenig erforscht. Das Bild, das wir von Sophie Taeuber-Arp haben, ist einseitig geprägt. Es hat sich entlang einer Kunstgeschichtsschreibung formuliert, die sich stilistischer Zuweisungen, gattungshistorischer Analysen und biografischer Erklärungsmuster bedient – und es wurde massgeblich beeinflusst durch die postumen Äusserungen von Hans Arp, in denen er seine Frau der Nachwelt als Träumerin und vornehmlich intuitiv arbeitende Künstlerin präsentierte. Die Ausstellung im Aargauer Kunsthaus betrachtet das Schaffen von Sophie Taeuber-Arp hingegen ganzheitlich, Bekanntes und Unbekanntes als gleichwertig; denn gerade in ihrem gattungsübergreifenden, unverkrampften und sehr bewussten Umgang mit den Gestaltungsmitteln liegt eine Pionierleistung von Sophie Taeuber-Arp. Die retrospektivisch angelegte Werkauswahl mit Arbeiten aus allen Schaffensphasen trägt Sophie Taeuber-Arps unverkennbarem Kunstverständnis Rechnung. Zum substantiellen Werkbestand in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses konnten hochkarätige Leihgaben aus internationalen und nationalen Museen, allen nachlassverwaltenden Institutionen sowie verschiedenen Privatsammlungen gewonnen werden. Darunter finden sich Werke, die zu Lebzeiten Sophie Taeuber-Arps wie auch später kunsthistorische Anerkennung fanden, so zum Beispiel eine Reihe von Ölgemälden, Reliefs und Papierarbeiten, mit denen die Künstlerin in den 1930er-Jahren die konkrete und konstruktive Bildsprache nachhaltig prägte, es sind aber auch weniger beachtete Werke zu sehen: Textil- und Kostümentwürfe, Webarbeiten oder Schmuckstücke, mit deren radikalen Bildlösungen Sophie Taeuber-Arp bereits in den 1910er-Jahren in Erscheinung trat. Obschon sie damit ihrer Zeit voraus war, wurde dem angewandten Schaffen im Kunstkontext lange wenig Interesse geschenkt. In der Ausstellung im Aargauer Kunsthaus sind angewandte und freie Werke einander unmittelbar gegenübergestellt, wodurch die formalen Korrespondenzen und Vorwegnahmen zwischen den Gattungen geradezu augenfällig sind. Serielle Hängungen zum Thema Bewegung, Linie, Kreis oder Quadrat zeigen, wie Sophie Taeuber-Arp ihre einfache, aber flexible Formensprache disziplinübergreifend und kontinuierlich fortentwickelte – schön zu sehen z.B. anhand der Serie der sogenannten Echelonnements (Staffelungen), deren präzise aber vielfach abwandelbare Form durch handwerkliche Prozesse, namentlich dem Drechseln, beeinflusst scheint. Weitere selten gezeigte Highlights in der Ausstellung sind die originalen Marionetten, die Sophie Taeuber-Arp 1918 für Carlo Gozzis Stück König Hirsch entwarf, die Hopi-Indianer-Kostüme (um 1922) oder das aus Holz gedrechselte und bemalte Portrait Dada de Hans Arp (1915–1916).

Digitalisierte Notizbücher der Künstlerin, die über Touchscreens konsultiert werden können, erlauben vertiefte Einsichten in ihre Schaffensprozesse. Ein vielfältiges Rahmenprogramm mit performativen Darbietungen, Filmprojektionen sowie einer wissenschaftlichen Tagung rundet das Angebot ab. Parallel zur Ausstellung Sophie Taeuber-Arp. Heute ist Morgen wird im Untergeschoss des Aargauer Kunsthauses eine Sammlungspräsentation mit Fokus auf konkrete und konstruktive Tendenzen in der Sammlung ausgerichtet. Diese bilden einen zentralen Strang der Sammlungstätigkeit der letzten 20 Jahre und markieren den künstlerischen Kontext, in dem Sophie Taeuber-Arp – aus Schweizer Sicht – zu verorten ist. Anschliessend an die Präsentation in Aarau reist die Ausstellung weiter nach Bielefeld, wo sie vom 12. Dezember 2014 bis am 15. März 2015 in der Kunsthalle Bielefeld zu sehen ist. Biografie 1889 in Davos geboren, wächst Sophie Taeuber-Arp in Trogen im Kanton Appenzell in einem emanzipierten und kulturell aufgeschlossenen Umfeld auf. Künstlerisch begabt, tritt sie mit 15 Jahren in die Stauffacher-Schule St. Gallen ein, eine Privatschule für Zeichnen und Entwerfen. Von 1912 bis 1914 studiert Sophie Taeuber-Arp in München in den angesehenen Lehr- und Versuchsateliers für angewandte Kunst, unterbrochen von einem Zwischenjahr an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in Hamburg. Zurück in Zürich hält sie sich mit kunstgewerblichen Auftragsarbeiten über Wasser, bevor sie 1916 als Lehrerin für textiles Entwerfen an die Zürcher Kunstgewerbeschule berufen wird. Hier bleibt sie bis 1929 tätig und setzt im Unterricht neue Massstäbe im textilen Gestalten. 1915 lernt sie Hans Arp kennen, den sie 1922 heiratet. Beide wirken im engsten Umkreis der Zürcher Dada-Bewegung. Sowohl im Cabaret Voltaire als auch später in der Galerie Dada tritt Sophie Taeuber-Arp als Tänzerin in Erscheinung. Sie besucht die Laban-Schule in Zürich und wird so mit Tänzerinnen wie Mary Wigman oder Katja Wulff bekannt. Als 27-jährige erlangt Sophie Taeuber-Arp ihren ersten grossen Auftrag als Innenarchitektin, wonach sie die Aubette, ein modernes Unterhaltungszentrum in Strasbourg zusammen mit Hans Arp und Theo van Doesburg ausgestaltet. 1929 siedeln Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp nach Frankreich über, wo sie bis zu den Kriegsunruhen in dem von Sophie Taeuber- Arp konzipierten Haus in Clamart-Meudon bei Paris wohnen. Noch mehr als in Zürich und angeregt durch den engen Kontakt zur Pariser Kunstszene konzentriert sich Sophie Taeuber-Arp fortan auf ihr künstlerisches Schaffen. Der Einzug der Deutschen in Paris 1940 zwingt das Paar zur Flucht nach Grasse und später zurück in die Schweiz. 1943, im Alter von nur 54 Jahren, stirbt Sophie Taeuber-Arp im Haus ihres Künstlerkollegen Max Bill an einer Kohlenmonoxidvergiftung.

Sophie Taeuber-Arp war Mitglied bedeutender avantgardistischer Künstler- vereinigungen wie Cercle et Carré (1929-1931), Abstraction-Création (1931- 1936) in Paris sowie der schweizerischen Allianz und Mitbegründerin bzw. Redaktorin der Zeitschrift Plastique/Plastic (Paris/New York, bis 1939 in fünf Nummern erschienen). Die Schweizer Künstlerin gilt als Wegbereiterin der konstruktiven, konkreten und abstrakten Kunst, lehnte das Figurative aber niemals radikal ab.