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Spomenko Škrbić

Nach mehr als 40 Jahren progressiver Selbstanalyse würde man meinen, dass das Medium Malerei vollends von den Künstlern erforscht wurde und es keine offenen Fragen mehr gibt. Das Werk des 1969 in Bosnien-Herzegowina geborenen Künstlers Spomenko Škrbić, der an der Münchner Akademie studierte, beweist das Gegenteil. In Anlehnung an mediumspezifische Werkkonzeptionen wie die von Frank Stella, Robert Ryman, Blinky Palermo und Imi Knoebel, legt auch Škrbić der Malerei die 'Daumenschrauben an'. Nusser & Baumgart freut sich, die Ergebnisse dieser analytischen Auseinandersetzung in einer zweiten umfangreichen Einzelausstellung des Künstlers in der Galerie präsentieren zu können.

In den Bildern von 1999 bis 2009 beschäftigte sich Škrbić mit der Spannung, die durch die gezielte Setzung mal mehr, mal weniger pastoser Farbstreifen auf unterschiedlichen Trägermaterialien erzeugt werden kann. In diesen Werken fand der Künstler überzeugende und überraschende Antworten auf die so häufig gestellte Frage nach der Figur-Grund-Beziehung malerischer Kompositionen. Seine intensive Auseinandersetzung mit diesem Spannungsverhältnis, das in abstrakter Malerei besonders wirksam ist, zeigt, dass Škrbić stets eine bestimmte Zielsetzung verfolgt und durchdenkt. Das bestätigt auch die konsequente Weiterentwicklung seines Werkes in den ausgestellten aktuellen Arbeiten. Die zuvor gemalten Streifen und Balken, die ein zeichnerisches Element in den malerischen Prozess einführen, tauchen nun in veränderter Körperlichkeit auf: Als dreidimensionale Kompositionselemente platziert Škrbić Holzstücke auf Bildträgern, bei denen es sich vorwiegend um MDF-Platten, Leinwandstücke (die flach und ohne Rahmung an der Wand befestigt werden) und Papier handelt. Den konventionellen Mal-Akt beschränkt er dabei auf das Bemalen dieser spröden Werkstoffe, die er den Material- und Abfallansammlungen seines Ateliers entnimmt. Bei diesen Arbeiten handelt es sich um eine sehr reduzierte und konzentrierte Auslegung des Combined Paintings, wie es Robert Rauschenberg in den 1950er Jahren entwickelte. Škrbićs Materialbilder beschränken sich auf die Integration der Holzelemente, deren spezifische Materialität er durch die goldene und silberne Fassung hervorhebt und zugleich pervertiert: Das 'arme' Material erhält durch den 'noblen' Anstrich eine seltsam ambivalente Wertigkeit. Diese Diskrepanz erhöht der Künstler noch, wenn er etwa Baumarkt-Etiketten und andere Gebrauchsspuren auf den verwendeten Werkstoffen belässt und ihnen eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Gesamtwirkung der Komposition zuspricht. Škrbićs Arbeiten stellen materialästhetische Fragen und richten unsere Aufmerksamkeit auf den Herstellungsprozess, der stets nachvollziehbar ist. Für den Künstler beinhaltet dieser Prozess in erster Linie das möglichst freie und ungeleitete Experimentieren mit den Möglichkeiten, die sich im Rahmen der gesetzten Parameter eröffnen. Im Falle der neuen Werke können die Holzfragmente als grundlegende Konstante für die erarbeiteten Deklinationen gelten. Die gezeigten Werke umfassen neben den Papierarbeiten im hinteren Galerieraum und den an einen flachen Bildträger gebundenen Kompositionen auch den vollständigen 'Ausstieg aus dem Bild', wie er von Skrbic in den reliefartigen Objekten und den Skulpturen vollzogen wurde. Die Objekte aus zusammengefügten Holzstücken wurden sowohl von rahmenden Elementen als auch vom tragenden Grund des Tafelbildes befreit. In der dynamischen Überlagerung des Holzes und dem deckenden Farbauftrag vereinen die Arbeiten skulpturale und malerische Elemente, die in Wechselwirkung mit dem beschriebenen Materialeffekt den ästhetischen Eindruck dieser auf den ersten Blick so irritierend einfachen Arbeiten erklärt. Škrbić gelingt es, die Ästhetik der verwendeten Materialien herauszustellen und in der Verschränkung von Malerei, Zeichnung und Skulptur Fragen an diese Medien und ihre Bedingungen zu stellen. Dies gilt auch für die im Raum platzierten Skulpturen des Künstlers. Die Arbeit Im Lot (2009) erscheint simpel und zugleich lässt sie erahnen, dass das Ausbalancieren und Fixieren der Holzlatten kein Leichtes war. Wird sie für den Transport schlicht zusammengeschoben, so veranschaulicht das Werk im Moment seiner Entfaltung, was die dem Medium Skulptur primär zugeschriebene Dreidimensionalität bedeutet: Raum einnehmen, Raum strukturieren, eine räumliche Wahrnehmung ermöglichen. Es wird deutlich, dass Škrbićs Arbeiten selbstreferenziell sind.

In dieser Selbstreferenzialität liegt ein relevanter Unterschied z.B. zu den Gemälden von Barnett Newman, an dessen Zip-Paintings die meist vertikale Platzierung und Wirkung der Holzfragmente auf den MDF- und Papierarbeiten Škrbićs denken läßt. Wie Newmans auf monochrome Bildgründe gemalte Farbstreifen, begrenzen und gliedern auch Škrbićs senkrechte Element das Gesichtsfeld und damit die Wahrnehmung des Betrachters. Im Gegensatz zu den Werken des Abstrakten Expressionisten ist darin jedoch nicht das 'Nachstellen' einer sublimen Erfahrung intendiert, sondern eine ästhetische Erfahrung, die sich in erster Linie im Hier und Jetzt, das heißt in der Auseinandersetzung mit den gegebenen Fakten vollzieht und von da aus zu weiteren Assoziationen anregt. Dafür beschränkt sich Škrbić zumeist auf wesentlich kleinere Formate als Newman und gerade die gewählten Alltagsmaterialien begünstigen die mediumreflexive Aussage seiner Arbeiten.

Die kunsthistorischen Referenzen, die in Škrbićs Werken enthalten sind, ließen sich lange fortführen. Bereits die hier genannten Verweise gehen alle zurück auf die radikalen Neudefinitionen, die die Malerei seit der Moderne erfahren hat. Dabei sind die kontinuierlichen Entgrenzungsversuche besonders relevant. Auch die Arbeiten von Škrbić basieren auf der selbstreflexiven Annäherung an das Medium Malerei und seiner Öffnung - zum einen gegenüber anderen Gattungen, aber auch hinsichtlich der Trennung von Kunst und Leben, von 'High and Low'. Spomenko Škrbić zählt zu einer Generation junger abstrakter Maler, denen es durch ihren souveränen Umgang mit der Entwicklungsgeschichte und dem Erbe der Malerei, wie auch durch ihre kritischen Fragen an das Medium gelingt, die schon mehrfach als 'tot' erklärte Malerei, nicht nur am Leben zu erhalten, sondern ihre Entwicklung entscheidend voranzutreiben.

Anne Vieth

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Spomenko Skrbic
Im Lot