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STADTWERKE zeigt phantastische, absurde, funktionslose Städte. Architekturen werden zu freien Ornamenten. Ins Riesige vergrößerte Modelle erscheinen neben Miniaturen, durchbrechen jede bekannte räumliche Logik. Künstler zerlegen und zerstören Städte, setzen sie nach Art eines Baukastens neu zusammen oder führen sie als quälend enges Gehäuse vor. Das alltägliche Terrain Stadt wird Zeichen künstlerischer Grenzenlosigkeit. Präsentiert werden etwa 80 Leihgaben aus dem Ludwig Forum Aachen und aus Künstlerateliers.

Bei ihrer künstlerischen Neudeutung von "Stadt" verwandeln viele Künstler von "STADTWERKE" den urbanen in einen ornamentalen Raum. Sie lassen den Lebensraum Stadt zum Bild werden, das nur den Gesetzen der künstlerischen Proportion verpflichtet ist. Die Stadt wird zum Zeichen für die Autonomie der Kunst. Mark Boyle (1934, Glasgow, gest. 2005) etwa erzeugt geometrisch strenge Kompositionen mit der Ansicht von Kanaldeckeln und Pflastersteinen. Der chinesische Künstler Hsien-Ming Lu (geb. 1959) zeigt eine Autobahnbrücke als Bündel +ornamentaler Streifen. Gerd Winners (1936, Braunschweig) Mauerstücke wiederum erinnern an abstrakte Malerei. In seinen Siebdrucken verwendet Winner oft das Motiv des Gerüsts. Die Stadt erscheint so zerlegt, auf Koordinatensysteme reduziert. Die Kunst analysiert und röntgt den "Moloch" Stadt. Architektonische Massen werden zum Träger zeichnerischer Linien. Diese Überblendung der Gattungen wendet auch der chinesische Künstler Zhang Guilin (*1959) in seiner Siebdruck-Serie "Wände" an. Die Mauern sind hier überlagert von zeichnerischen Schnörkeln, die sich völlig unabhängig von der Raumlogik eines Hauses entwickeln.

Bertram Jesdinsky (*1960, Bonn, gest. 1992) läßt die Stadtlandschaft in wörtlichem Sinne zum Spielmaterial der Kunst werden. Bei seinen surreal anmutenden skulpturalen "Baukästen", entsteht aus Tierwesen und geometrischen Elementen die Architektur einer Stadt. In seinem großformatigen Gemälde "Wir bauen uns ein paar Brücken" nutzt er Mittel aus Comic und Kinderkunst, um einerseits die Naivität bei städteplanerischen Großprojekten zu reflektieren, andererseits einen naiv-anarchischen Blick auf die alltägliche Lebenswelt zu richten.

An Spielzeug erinnern auch die kleinformatigen Schaukästen bei "STADTWERKE", die Architekturen und Innenräume repräsentieren. Zu sehen sind Kästen der amerikanischen Künstler Ira Joel Haber (1947) und Raymon Elozua (1947 in Deutschland). Elozuas Kasten konfrontiert eine einfache Holzarchitektur mit architekturähnlichen – futuristisch anmutenden - gipsernen Ausbeulungen. Die Heterogenität einer Stadtlandschaft mit ihren historischen Brüchen wird so thematisiert. Ira Joel Haber packt eine bürgerliche Idylle mit Einfamilienhaus und Bäumen in einen Kasten. Symbolisiert wird so die Künstlichkeit, Konstruiertheit und Beengtheit des Ideals vom Heim. Gerade diese Motivlinie greift Volker Stelzmann (*1940, Dresden) auf. In seinem Gemälde "Gehäuse" erscheinen die Menschen in einzelne Kästen eingepfercht, sind voneinander isoliert, vermögen trotz aller Emphase und Verzweiflung ihre Grenzen nicht zu überwinden. Die "Gehäuse" werden bei "STADTWERKE" zum Zeichen für die Stadt als unausweichliche 'Engführung' von prinzipiell Fremden.

Der inszenierte, ritualisierte Freiheitsdrang wiederum ist Thema bei Helmut Middendorf (1953, Dinklage) und Robert Yarber (*1948, Dallas). In Middendorfs Gemälden finden sich rhythmisch zuckende Diskothekenbesucher, in Yarbers 'punkigen' Neudeutungen von Edward Hopper halbleere, öde Bars. Reflektiert Stelzmann die bedrohliche Enge der Stadt, veranschaulicht Yarber bedrohliche Leere als einzige Alternative zum urban durchorganisierten Tag.

Solchen kulturpessimistischen 'Strukturporträts' steht bei "STADTWERKE" die Inszenierung der 'Oberfläche' der Metropolen gegenüber. Don Eddy (1944, Kalifornien) und Richard Estes (1936, Illinois) als prominente Vertreter des Fotorealismus thematisieren die dekorative Welt des städtischen Kommerzes, präsentieren in ihren Gemälden beispielsweise Schaufenster und gefällige Interieurs. Gebrochen werden diese eleganten Schauwelten wiederum durch Werke, die Verstörung und Zerstörung vorführen. Natalya Nesterova ( 1944, Moskau) zeigt im Gemälde "Unfall" die erstaunten Blicke von Passanten, die einen Selbstmord zu beobachten scheinen. Jacques Monory (1934, Paris) wiederum setzt in seinem Gemälde "NY 9" zwischen glatte städtische Fassaden geborstene Flächen, die an Caspar David Friedrichs "Gescheiterte Hoffnung" denken lassen. New York als Phänotyp der Metropole wird zur romantischen Vanitas-Kulisse, bei der an die Stelle der Natur die 'wuchernde' Stadt tritt.

Zerborsten und zerschunden sind die Städte auch bei Dong-Yeon Kim (1960, Seoul). Seine "Hochhäuser" wirken wie aufgerissene Verpackungen. Kims "Holy City" wiederum besteht aus räumlich unlogischen, in sich verkanteten Architekturmodellen. Bei seinen Stadt-Objekten arbeitet Kim oft mit perspektivischen Brüchen. Straßennetze werden dabei dreidimensionale Schlaufen im Raum. Kims Modelle stellen genauso eine Tempelstadt wie profane Elemente, zum Beispiel Strommasten, dar. Die Kunst erscheint so als universelles Programm, das dem globalen Phänomen "Stadt" antwortet. Aus Schornsteinen läßt Kim aus gipsernem Rauch gebildete Renaissance-Figuren entsteigen. Hintergründig zeigt er so die Verwandlung von Zweckbauten in ein Terrain der Kunst. Der unlogischen Architektur Kims antwortet Gary Kuehns (1939, New Jersey) skulpturales "Schindelstück", das der Künstler – aufgerichtet wie eine Stele – als Monument vorführt. Aus dem schützenden Dach wird eine freie Skulptur.

Siegfried Neuenhausens (1931, Dormagen) lebensgroße "Bürger von B" beobachten die widersprüchlichen Stadtlandschaften. Sie gleichen einander, weisen keine persönlichen Merkmale auf. So symbolisieren sie die Vermassung und die unausweichliche Anonymisierung in den Städten. Die Figuren schauen aneinander vorbei. Sie nehmen das Gegenüber nicht wahr. Auf eine hintergründige Weise ist dies auch Thema bei László Fehérs (1953, Ungarn) "Iron Drawings". Hier sind die Menschen leere Silhouetten geworden, bloße Schemen, die nicht zu fixieren sind. Die durch das Leben in den Metropolen bedingte Flüchtigkeit der Wahrnehmung und die Reduktion des lebendigen Umfelds auf 'leere' Signale werden durch die körperlose Menschengruppe unmittelbar und unmißverständlich vorgeführt.

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Stadtwerke

Künstler: Mark Boyle, Natalie Czech, Don Eddy, Raymon Elozua, Richard Estes, László Fehér, Robert Graham, Zhang Guilin, Ira Joel Haber, Hsiao Ming-Hsien, Bertram Jesdinsky, Dong-Yeon Kim, Gary Kuehn, Helmut Middendorf, Jacques Monory, Natalya Nesterova, Siegfried Neuenhausen, Volker Stelzmann, Gerd Winner, Robert Yarber