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In einer umfangreichen Doppelausstellung zeigt der Kunstverein Hannover mit Stefan Jeep (1968) und Ho-Yeol Ryu (1971) die beiden Preisträger des Kunstvereins 2004 in ihrer jeweils ersten großen Einzelausstellung in einem überregionalen Ausstellungshaus. Die Stipendiaten präsentieren vorwiegend die Ergebnisse ihres zweijährigen Aufenthalts (beginnend mit der Preisvergabe 2004 bis November 2006) im Atelierhaus des Kunstvereins Hannover, der Villa Minimo.

Stefan Jeeps Video- und Multimediainstallationen sind komplexe Interaktionsräume, die sich auf inhaltlicher wie formaler Ebene einer eindimensionalen Lesart entziehen. In der Videoinstallation CHOOSE (2004) bevölkern Hillibillies und Vorstadt-Cowboys, die mit ihren Fahrrädern im Kreis rasen, Szenerien aus Kiesgruben, Feldwegen und Industriebrachen. Rasante Schnitte und Tempowechsel, Wiederholungen und Sprünge dynamisieren das skurrile Treiben: Die überspitzten Inszenierungen entpuppen sich als Loop, der sich in vier parallel ablaufende Endlosschleifen aufteilt. Indem Jeep dem Besucher die Möglichkeit bietet, die Abfolge der Erzählfragmente zu steuern, bekommt dieser die Funktion eines DJs; die einzelnen Videosequenzen werden zu Tracks, die jeweils neu zusammengefügt werden. Es entsteht ein facettenreiches Kaleidoskop, in dem die vordergründig inhaltliche Schlüssigkeit letztlich ad absurdum geführt wird. Auch in der Installation DE-FENCE (2006) verhindern parallel vorwärts und rückwärts laufende Kurzfilme zum Thema Interaktion und Bewegung jegliche illusionistische Einfühlung des Betrachters. Die Bedingungen des Wahrnehmens, des Sehens und Erkennens werden ebenso in der jüngsten Arbeit VIEWER (2007) thematisiert. Das im Ausstellungsraum angebrachte Ansichtsfernrohr gibt entfernte Gegenstände nicht wie erwartet vergrößert wieder, sondern der Benutzer wird zum Beobachter seines eigenen Blicks, der durch vergrößerte Echtzeit-Videoaufnahmen gespiegelt wird. Inhalt dieser überraschenden Konfrontation ist der Sehvorgang selbst, der hier zur Selbstbeobachtung wird.

Die Installationen, Skulpturen, Film- und Fotoarbeiten des Koreaners Ho-Yeol Ryu sind intelligente Vexierspiele, die unsere Wahrnehmung immer wieder neu auf die Probe und vor Rätsel stellen. Durch digitale Bildbearbeitungen transformiert Ryu in seinen fotografischen Arbeiten alltägliche Szenen in poetisch anmutende Miniaturwelten und wirft die Frage nach Illusion und Wirklichkeit im Medium Fotografie auf. So verdichten sich in FLUGHAFEN (2005) durch verschiedene übereinander gelagerte Aufnahmen von startenden Flugzeugen unterschiedliche Zeitebenen zu einem konstruierten Moment. Ohne Schnitt und Montage entwickeln sich auch in Ryus maximal einminütigen Filmen alltägliche Begebenheiten zu surrealen Geschichten. Gleichberechtigt neben seinen Filmen, die sich bewusst der Ästhetik von Video-Clips oder Werbe-Trailern bedienen, stehen eindrucks-volle, raumgreifende Installationen: Blickt der Besucher durch ein kleines Guckloch eines weißen Kubus’, schaut er auf scheinbar schwerelos im Raum schwebende Möbelstücke, wobei die dreidimensionale Inszenierung die Wiedergabe eines flüchtigen Augenblicks suggeriert. Auch in seiner jüngsten Installation bringt Ryu auf überzeugende Weise die Gewissheit unserer Erfahrungswirklichkeit ins Schwanken: Insgesamt zweiunddreißig Diaprojektoren erleuchten die vier Raumwände und zerlegen den normalerweise vollständigen Schattenriss des Besuchers in eine Vielzahl von Fragmenten. So verwandelt der Künstler das Kontinuum zwischen Betrachter, Bild und Raum in eine instabile Situation gleitender Signifikanten.

Zu beiden Ausstellungen erscheint jeweils ein Katalog.