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Cultural performances sind in postindustrialisierten Städten zu einem wesentlichen Kennzeichen von urbaner Erfahrung geworden. Ob musealisierte Innenstädte, in Kulturorte umgewandelte ehemalige Industrieareale, Themenparks oder Shoppingmalls, die postindustriellen Architekturen der Stadt bilden das urbane Environment öffentlicher Aufführungen, die mit der Medialisierung des Sozialen und der Festivalisierung und Eventisierung der postindustriellen Stadt ihren Charakter verändert haben.

Die Theatralität der postindustriellen Stadt provoziert den Umbau des städtischen Subjekts. Öffentliche Techniken der Selbstinszenierung und Strategien der sozialen Positionierung werden gefördert, der Stadtbewohner wird zum Spieler seiner Selbst. Ein wichtiges Mittel dieser theatralen Selbsttechnologien ist der Körper als der Ort, an dem sich das Spiel des Selbst materialisiert und sichtbar wird. Der Körper ist nicht mehr nur Repräsentant des Sozialen, sondern zugleich auch Agent der Aufführung.

Wenn öffentliche Aufführungen als Medienevents inszeniert, als Profit versprechendes Entertainment konzipiert und als Show angelegt sind und selbst künstlerische Aktionen im Stadtraum zum Bestandteil von kommunaler Imagepolitik geworden sind, stellen sich neue Anforderungen vor allem an die szenische Kunst im öffentlichen Raum. Anders als noch in den 1970er Jahren sind performative Eingriffe mit dieser sozialräumlichen Allgegenwärtigkeit des Theatralen konfrontiert; das Ver-Rücken und Ent-Setzen von sozialen Ordnungen, kulturellen Konventionen und Zeichen, die politische und ästhetische Provokation, die Suche nach Utopien, nach heterotopen Räumen, das Zeigen des Abwesenden und Aufspüren des Verdrängten, Vergessenen, das Ausgraben des Verschütteten oder die Präsenz des Körperlichen – die szenische Kunst ist aufgefordert, eine ästhetische Strategie zu finden, die die immer subtiler gewordenen Grenzen zwischen Spiel und Ernst, Schein und Sein, Imaginärem und Realem auszuloten und sich als das Andere, das Ver-Störende, das Be-Fremdliche im theatralisierten Raum der postindustriellen Stadt zu zeigen vermag. Anders als kulturelle Performances, die sich, wie ein Fußballmatch oder Demonstrationen, auch als Gemeinschaften des Augenblicks im und als Event herstellen, schaffen künstlerische Performances einen sinnweltlichen Rahmen des Theaters, in dem auch die Ökonomisierung des Theatralen im städtischen Raum reflektiert werden kann. Genau hier liegt die politische Chance der künstlerischen Performance: Über Präsenz und Liveness schafft sie einen Raum, in dem „Stadt“ nicht nur imaginiert, sondern ein anderes urbanes Leben erprobt und erlebt werden kann.

Bodies – Cities – Subjects will Begegnungen provozieren, spontane Bündnisse schließen und die Grenzen zwischen öffentlichem und theatralem Raum, KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen, Handelden und Zusehenden durchlässig werden lassen. Das performative Experiment und nicht die bildliche Darstellung oder theatrale Inszenierung des urbanen Transformationsprozesses stehen hier im Vordergrund. Statt um Repräsentation geht es um Präsenz: um aktuelle Stadtatmosphären und Stimmungen, um körperliche Zustandsaufnahmen, um globales Nomadentum und um Utopien von Gemeinschaft in den unwirtlichen Orten urbaner Ballungsräume.

Kuratorin Gabriele Klein Publikation Gabriele Klein (Hg.), Stadt. Szenen. Künstlerische Praktiken und theoretische Positionen, Passagen Verlag, Wien 2005