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Die Einzelausstellung »Returning« der schottischen Künstlerin Susan Philipsz (*1965, lebt und arbeitet in Berlin) im Kunstverein Hannover präsentiert neue Soundinstallationen, die mit dem Ort und dessen Geschichte in Verbindung treten. Im zirkulären Ausstellungsparcours entfalten und verzweigen sich die Klänge ortsbezogener Arbeiten, treten in Dialog mit fotografischen und filmischen Werken und lassen ein eindringliches Geflecht aus Klang und Raum, Vergangenheit und Gegenwart entstehen. Susan Philipsz wurde 2010 mit dem Turner-Preis ausgezeichnet und zählt zu den bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwart. In ihren Werken erkundet die Bildhauerin mittels eigener Stimme oder instrumentaler Kompositionen die räumlich-skulpturalen Qualitäten von Klang und dessen emotionale wie kognitive Wirkung. Existentielle Themen wie Vergänglichkeit, Trauma und Trauer, die in ihren letzten Ausstellungen eindrücklich verhandelt wurden, greift Philipsz auch im Kunstverein Hannover auf.

Mit Referenz auf Emil Berliner, dem Erfinder der Schallplatte, der 1851 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Hannover geboren wurde und mit seinen Brüdern in seiner Heimatstadt 1898 die »Deutsche Grammophon Gesellschaft« gründete, nutzt Susan Philipsz erstmals im Ausstellungskontext Vinyl-Schallplatten als Tonträger. Hierfür wurden für sieben Schallplatten auf Glasrändern erzeugte Klänge eingespielt, die jeweils einen Notenwert der suggestiven Komposition »Lachrimae or Seven Tears« (1604) von John Dowland wiedergeben und das Motiv der Träne sowie die barocke Klage über die Vergänglichkeit des Glücks variieren. In weiteren neuen Klanginstallationen bezieht sich Philipsz ebenfalls auf regionalgeschichtliche Hintergründe; so arbeitet sie u. a. mit Orgelpfeifen einer historischen Synagogenorgel (1896), welche die Reichspogromnacht überstanden hat und sich seit 2011 in der Villa Seligmann (Europäisches Zentrum für Jüdische Musik) in Hannover befindet. Zugleich führt sie ihre Beschäftigung mit im Krieg beschädigten Musikinstrumenten fort: Für eine der Neuproduktionen arbeitete Philipsz mit einem Schofar (Widderhorn) aus dem ehemaligen Besitz einer jüdischen Familie aus Niedersachsen, in dessen Klang die Geschichte seiner Versehrtheit eingeschrieben ist. Beide Arbeiten lassen die menschliche Präsenz spürbar werden und thematisieren auf ebenso unverwechselbare wie einprägsame Weise Facetten der deutsch-jüdischen Geschichte. Im Zusammenschluss der einzelnen Arbeiten entsteht ein sinnlich-melancholischer Parcours aus Klängen, der die Vergangenheit in der Gegenwart aufscheinen lässt. Susan Philipsz studierte Freie Kunst am Duncan of Jordanstone College of Art, Dundee (1989–1993), und an der University of Ulster, Belfast (1993–1994). 2001 nahm sie am Studioprogramm KW Residencies der Kunst-Werke Berlin e. V. teil und lebt und arbeitet seitdem in Berlin. 2010 erhielt Philipsz den Turner-Prize, 2014 wurde ihr der britische Verdienstorden OBE (Order of the British Empire) verliehen. Philipsz blickt auf eine eindrucksvolle Ausstellungsbiografie zurück, die über zwei Jahrzehnte umfasst. Zu ihren jüngsten Präsentationen zählen u. a. folgende Einzelausstellungen (Auswahl): »Night and Fog«, Kunsthaus Bregenz (2016), »War Damaged Musical Instruments« Duveen Galleries, Tate Britain, London (2015/2016), »War Damaged Musical Instruments (Pair)«, Theseus Temple, Kunsthistorisches Museum, Wien (2015) oder »Part File Score«, Hamburger Bahnhof (2014). Zudem hat sie an zahlreichen Gruppenausstellungen teilgenommen: bspw. Istanbul Biennale (2015), Kyoto International Festival of Contemporary Culture (2015), Manifesta 10, St. Petersburg (2014), dOCUMENTA (13), Kassel (2012).