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Susanne Giring arbeitet seit der Akademiezeit an einem klassischen Thema der figurativen Malerei, der menschlichen Figur im Raum, genauer in der Landschaft. Sie befindet sich im steten kritischen Dialog mit einer weit zurückreichenden Malereitradition.

Erstmalig in einem größeren Kontext waren ihre Bilder in der von Martin Hentschel zusammengestellten Ausstellung „Die Neue Düsseldorfer Malerschule“ 2003 in Haus Lange in Krefeld zu sehen. Sie hat in den letzten Jahren mehrere Werkgruppen geschaffen, denen jeweils ein zentrales Motiv zu Grunde liegt, für das sie nach ihren Vorstellungen eine eigene fotografische Vorlage erstellt. Sie nähert sich ihrer idealen malerischen Endfassung über einige kleinformatige Versionen des Motivs und schließt die Thematik mit zwei oder drei Bildern im großen Format (meist 190 x 290 cm) ab. So ergibt es sich, dass die Serien nur wenige Bilder umfassen und ein erneuter Findungsprozess einsetzt, der zunächst das Motiv und dann die malerische Umsetzung betrifft.

Menschliche Figuren im Wasser waren in der Serie der „See“-Bilder in der Ausstellung 2004 das Leitmotiv und werden es auch in der aktuellen Ausstellung wieder sein. Doch ganz anders als bei den großflächigen und auf nahezu unfarbige Kontraste reduzierten Bildstrukturen der „See“-Bilder, bei denen sich die menschliche Figur als dunkle Silhouette im Gegenlicht fast scherenschnittartig von einer fast ölig glänzenden stillen Wasseroberfläche abhob, werden in den neuen Bildern Figur und Raum stärker verbunden. Dies bedingt der Wechsel zu bewegtem malerischen Duktus und zu vielfältigen Valeurs, in denen das Licht auf Körpern und Wasser gemalt ist. Bezeichnender Weise ist diese Serie mit Öl und nicht wie die vorherigen mit Acryl gemalt. Die Malweise lässt die fotografische Vorlage in den Hintergrund treten, dennoch sind erneut eigene Fotografien von einer Reise in die Karibik die motivische Grundlage. Auch wenn die aktuelle Serie auf Grund der Pinselführung eine impressionistische Lesart nahe legt, fehlt den Bildern jede aus dem Impressionismus bekannte Vertrautheit. Das Fremde ist ein weiteres Leitmotiv in Susanne Girings Bildern. Die Protagonisten bleiben weiterhin seltsam unbestimmt. Nicht die Befindlichkeit der dargestellten Figur wird näher bestimmt, sondern die der Malerei als mentaler Raum, in dem der Betrachter sich bewegt .

Susanne Giring, 1971 geb. in Gotha, lebt und arbeitet in Düsseldorf

Gudny Rosa Ingimarsdottir „La Médiatine“, Brüssel - ein Ausstellungsbesuch im Dezember 2005 Aus dem Foyer kommt man in den ersten Ausstellungsraum und blickt suchend auf weiße Wände. Erst bei näherem Hinschauen entdeckt man über den ganzen Raum verteilt Schriftzüge. Es sind Sätze in isländischer Sprache, die die Künstlerin in haarfeiner Handschrift in Schreibheftgröße mit Bleistift direkt auf die Wände gesetzt hat, wohl wissend, dass dem Publikum auf Grund der fremden Sprache deren Inhalt verschlossen bleibt trotz der Eindeutigkeit, die dem geschriebenen Wort zu eigen ist.

Im Bemühen den Sinn zu entziffern ist der Betrachter ganz nah herangetreten und sucht mangels sinnstiftender Bedeutung der Worte deren direkte - nun räumliche Umgebung ab. Jeweils in der Nähe der Beschriftungen weisen die Wände Risse oder verspachtelte Löcher oder andere Unregelmäßigkeiten auf, Spuren früherer Aktivitäten. Die Augen gehen auf Entdeckungsreise. Dieser Raum führt ein zu ausgeprägtes Eigenleben, um Ingimarsdottirs Zeichnungen angemessen aufzunehmen; das wird im nächsten Raum deutlich, den ein Fries kleinformatiger Papierarbeiten ausfüllt. Papierarbeiten im A-4 Format, die in ihren Formen und Strukturen an mikroskopische Aufnahmen oder Präparate einer zoologischen Sammlung erinnern. Aus der Nähe betrachtet entdeckt man feinste Lineaturen eines Bleistifts, dünne Garnfäden, die zerschnittene Partien des Papiers zusammenhalten, Farbtropfen und Spuren von Gummiarabikum, die sich zu amorphen irgendwie organisch lebendig anmutenden Formen zusammenfinden.

Im rustikalen Dachgeschoß hat die Künstlerin eine Projektion eingerichtet: Eine Hand im rosa Gummihandschuh hält ein gerahmtes Ölbild, das eine sentimentale Landschaft darstellt, in einem Spülbecken unter fließendes Wasser aus einem Wasserhahn. Mit der anderen Hand wird erst die Bildseite, dann die rückwärtige Leinwand und zuletzt der Rahmen unter zur Hilfenahme von Schwamm, Spülmittel und -bürste gründlich gereinigt. Es wird auf dem Spülstein abgestellt und ein zweites Bild, ebenfalls eine Landschaft, erfährt dieselbe Prozedur. Am Ende werden sie auf ihre angestammten Plätze zurückgehängt. Beide Bilder sind unbeschädigt und sauberer als vorher. Dieser irritierende Reinigungsvorgang evoziert neben Schmunzeln eine Reihe von Fragen. Auf keinen Fall wirkt die Aktion destruktiv. Handelt es sich bei dem sorgfältigen Spülvorgang um die achtenswerte Respektsbekundung eines einfachen Gemüts gegenüber der Kunst? Vertragen Kunstwerke einen viel handfesteren und selbstverständlicheren Umgang als gemeinhin angenommen? Die Deutung bleibt dem Betrachter überlassen.

Drei Räume, drei verschiedene Medien: Installation, Zeichnung, Video. Alle Arbeiten zwingen den den Betrachter zu kürzester Distanz. Der Blick wird fokussiert, dem schweifenden Blick bleibt alles Wesentliche verborgen. Die Dinge und Materialien, die Ingimarsdottir verwendet, werden zu Organismen, die im Prozess der Reinigung, des Vernähens, Verklebens und Benennens in fast animistischer Weise transformiert werden. Dies geschieht manchmal humorvoll, manchmal in minutiöser Versunkenheit, manchmal in irritierender Fremdartigkeit, die ihre Wurzeln in einem entlegenen Kulturkreis hat. Eine andere Auffassung von Raum und Zeit wird sichtbar. Bei aller Nähe und Unmittelbarkeit, die die Arbeiten vermitteln, macht Ingimarsdottir dabei auch ihre Distanz und das Erleben von Verlust spürbar.

Jede Ausstellungsinszenierung ist ein komplexes Abbild ihrer künstlerischen Gedankenwelt, die aus verschiedenen Elementen ihrer Arbeit entsteht.

Gudny Rosa Ingimarsdottir, geb. 1969 in Reykjavik, lebt und arbeitet in Brüssel

Pressetext

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Susanna Giring
Raum 1

Gudny Rosa Ingimarsdottir
Raum 2