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Ort: Stadthausgalerie | Platz des Westfälischen Friedens

Susanne von Bülows nennt ihre Ausstellung "u.a. Europa". Die abkürzenden Vokale "u.a." befreien die Ausstellung von der Last der Einengung auf ein geographisches oder politisches Thema. Von Bülow schafft Allegorien wie die der "Geopolitika" oder der "Europa" und verleiht ihnen ein alltägliches Gesicht. Zugleich entstehen Bilder wie die "Frau mit Schleier und goldener Tasche", deren Deutungshorizonte ambivalent sind. Die Ausstellung wird am Dienstag, 26. April um 18 Uhr eröffnet. Die Einführung hält Dr. Andrea Brockmann. Für Sonntag, den 19. Juni 15 Uhr laden Susanne von Bülow und Ruppe Koselleck zur "Geostrategischen Kuchenperformance: Kuchen essen – Alles vergessen" ein.

Die "Europa" ist eines der Schlüsselwerke der Ausstellung der Künstlerin Susanne von Bülow: eine 2016 entstandene Monotypie. Bei genauer Beobachtung zeigt sich: Der durchsichtige Kellerfaltenrock des "Mädchens Europa" zeigt freigestellte Landkarten und Staatsgrenzen und konfrontiert Europas "feste" Grenzen (rechte Rockhälfte) mit den Linien sog. "gefallener arabischer und afrikanischer Staatlichkeit" (linke Rockhälfte).

Die Gemengelagen der "failed states" auf der einen und überlappende europäische Staatsgebilde auf der anderen Seite erzeugen ein kartographisches Camouflage-Muster; getrennt nur durch das Mittelmeer.

Susanne von Bülow: "Eine politische Hintergrundfolie dieser zeitgenössischen Allegorie ist das sogenannte Sykes-Picot-Abkommen, das sich am 16. Mai 2016 zum 100sten Mal jährt."

Der politische Hintergrund: Der Sykes-Picot-Kontrakt

Das Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 war eine geheime Übereinkunft zwischen den Regierungen Großbritanniens und Frankreichs, durch die deren koloniale Interessengebiete im Nahen Osten nach der Zerschlagung des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg festgelegt wurden. Das Abkommen wurde im November 1915 von dem französischen Diplomaten François Georges-Picot und dem Engländer Mark Sykes ausgehandelt. Nach ihren unter verschlossenen Türen getroffenen Absprachen sollten die künftigen Grenzen von Syrien, Jordanien, Irak und der Türkei geregelt werden.

Winston Churchill brüstete sich später, den Staat Jordanien "mit einem Stiftzug an einem Sonntagnachmittag" geschaffen zu haben. Nach 100 Jahren wird deutlich: Der Skykes-Picot-Kontrakt ist die Grundlage, wenn auch nicht die Ursache für viele der Konflikte im modernen Nahen Osten: dem Israel-Palästina Konflikt, dem libanesischen Bürgerkrieg, dem irakischen Überfall auf Kuwait, dem türkisch-kurdischen sowie dem syrischen Bürgerkrieg. Auslöser für all diese Konflikte waren ganz unterschiedliche lokale und regionale, nationalistisch-exkludierende Auffassungen von „Politik“; manchmal von externen Mächten unterstützt; manchmal komplett hausgemacht. Aber die „Leinwand“, auf der diese „Politik“ entstand, war das Sykes-Picot-Abkommen.

Dieses Geheimabkommen stand unter keinem glücklichen Stern: Schon mit der Oktoberrevolution 1917 entstand ein „Leck“, das den Geheimcharakter des an den Menschen vorbeiverhandelten Staatengebildes vereitelte. Die Veröffentlichung in russischen wie britischen Tageszeitungen schließlich löste große Verärgerung unter den Entente-Mächten und wachsendes Misstrauen bei den Arabern aus – was die Arabische Revolte zusätzlich anstachelte. Dennoch sollte das Sykes-Picot-Abkommen in den Folgejahren erweitert werden, um Italien und Russland einzubinden. Russland sollte Armenien und Teile von Kurdistan erhalten, Italien einige ägäische Inseln (Dodekanes) und eine Einflusssphäre um İzmir in Südwest-Anatolien. Die italienische Präsenz in Kleinasien sowie die Aufteilung der arabischen Länder wurde im Vertrag von Sèvres im Jahre 1920 formell besiegelt. Zynischerweise ist es ausgerechnet der sog. IS-Staat, der aktuell genau diese Grenzziehung brutal annulliert.