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Tamara Kvesitadze. The Passage

11.09.2020 - 15.11.2020
Eröffnung: Freitag, 11. September, 12–20 Uhr

Entstanden in der Dunkelheit von Quarantäne und Selbstisolation führt die neue Installation der renommierten georgischen Künstlerin Tamara Kvesitadze die Betrachter auf eine schmerzliche Reise, die sowohl beklemmend als auch hoffnungsvoll ist.

Schwärme schwarzer Vögel, unheimlich und gespenstisch, streifen in scheinbarem Chaos umher und werden doch von einer unsichtbaren Kraft kontrolliert, die sie wie Beutetiere in die Falle eines menschlichen Kopfes treibt, der sie verschlingt. Was sind diese Vögel – Alpträume, marternde Zweifel, wirre Gedanken, Liebesleid, Verlustschmerz oder Halluzinationen? Wer ist diese Person – Künstlerin, Wahnsinniger, Dichterin, Politikerin oder überhaupt jemand, der auf dem Planeten Erde zu Hause ist?

Es handelt sich hier um „The Passage“ – ein neues Werk der bedeutenden georgischen Künstlerin Tamara Kvesitadze, das sie geschaffen hat, als die Welt unter Quarantäne gestellt wurde. Kvesitadze ist für ihre kinetischen Skulpturen bekannt, die Kunst und Technik miteinander verbinden. Doch diesmal bewegt sich die Installation nicht; die Geschichte entfaltet sich, während sich die Betrachter durch sie hindurch bewegen.

Mit Hilfe von Licht und Schatten zieht der 16 Meter lange und 2 Meter breite Raum die Betrachter unmittelbar in seinen Bann. Die Vögel – modelliert, gezeichnet und vom Schatten reflektiert – scheinen überall zu sein. Eingezwängt in ihr aggressives Gedränge kann man sie beinahe schreien hören. Aber vielleicht handelt es sich gar nicht um einen Ausdruck von Aggression, sondern von Angst – wenn die Vögel sich dem Menschen nähern, verengen sich die Mauern und treiben den Schwarm direkt in die Falle. Ohne die Möglichkeit auszuweichen, fallen sie den Schöpfungen des menschlichen Geistes zum Opfer, der diesen auf Gegenseitigkeit beruhenden Prozess ebenfalls nicht zu kontrollieren scheint. Das Menschliche hier ist fixiert und gleicht einer Funktion, deren einziger Zweck darin besteht, die ankommende Kraft zu absorbieren und umzuwandeln, ohne Wahl. Das Resultat ist dennoch ermutigend. Nachdem sie die enge Öffnung passiert hat, verliert die dunkle Masse – was auch immer sie repräsentiert – ihre bedrohliche Energie und kommt verwandelt als eine Vielzahl ephemerer, zarter Nestlinge wieder zum Vorschein. Aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet verliert der Betrachter die dunkle Masse vor dem Kopf sogar aus den Augen, die auf diese Weise den Charakter einer unguten Erinnerung annimmt.

Die Idee zu diesem Werk sei ihr während der Quarantäne gekommen, die kürzlich aufgrund des Coronavirus verhängt wurde: „Die Covid-Krise hat eine Art Dunkelheit entfacht, und ich wollte zum Ausdruck bringen, was ich durchgemacht habe, um ein Kunstwerk zu schaffen, das aus dieser Dunkelheit entstehen konnte“, so Tamara Kvesitadze. „In einer früheren Version sollten die Vögel auf einem blauen Hintergrund fliegen, aber dann ist diese Düsternis wie aus dem Nichts aufgetaucht. Diese schwere, schwarz-weiße Palette ist sehr real. Ich habe das Projekt beendet, als die Quarantäne aufgehoben wurde“.

Die wahre Bedeutung des Werks bleibt eine Frage der Interpretation, aber seine Botschaft ist universell. „Wir alle haben vor etwas Angst“, sagt Kvesitadze. „Gleichwohl müssen wir alle unsere Ängste verarbeiten, sie aufnehmen und verbrennen. Ich wünschte, es wäre weniger schmerzhaft, weniger beängstigend: wenn in dieser Arbeit die Dunkelheit kommt, bricht am Ende Licht hervor.“

Tamara Kvesitadze wurde 1968 in Tiflis geboren. Für ihre kinetischen Skulpturen erhielt sie international Anerkennung und machte die Bewegung zur Essenz ihres Schaffens. Vertreten von der in Berlin ansässigen Galerie Kornfeld, wurde ihr Werk bereits im Rahmen vieler internationaler Kunstmessen, sowie in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, unter anderem bei der Biennale von Venedig 2007 und 2011. Ihre Werke befinden sich in bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen in Frankreich, den USA, Deutschland, Großbritannien, Vietnam, China und Georgien. 2018 war Tamara Kvesitadze eine der wenigen internationalen Künstlerinnen, die virtuell auf Google Arts and Culture ausstellte, einer Online-Plattform mit Inhalten aus einigen der weltweit führenden Museen und Archive. 2019 wurde sie von der Sendung „In the Studio“ des BBC World Service porträtiert, die den Entstehungsprozess der Skulptur „Sigh for the Wuxi Resort“ in China dokumentierte.