press release only in german

Eröffnung Samstag 18. Oktober 18 h

Die exzentrischen Charaktere in Tamy Ben-Tors Videoarbeiten verkörpern eine von Xenophobie, Gewalt und Selbstsucht geplagte Welt, wobei sie die entsprechenden menschlichen Defizite zwar lautstark kritisieren, gleichzeitig jedoch selber verkörpern. Die von den Protagonisten verwendeten Sprachen sind zwar durchaus erkennbar, jedoch häufig nur mit Mühe zu verstehen.

Das Scheitern der Sprache als Kommunikationsmedium ist nicht zufällig: Selbst wenn man die einzelnen Monologe versteht, so kommen die gemachten Aussagen über ein manisches bis idiotisches Lamentieren, das in sich selbst gefangen bleibt, kaum hinaus. So sehr die Charaktere bisweilen grotesk überzeichnet werden, so wirken sie dennoch eigenartig vertraut; Tamy Ben-Tor beobachtet ihre Umgebung ausgesprochen genau und brilliert nicht nur mit ihrer schauspielerischen Leistung, sondern ebenso mit einer präzisen Auswahl der in den Videos verwendeten Requisiten und Accessoires. In The End of Art (2006) parodiert Ben-Tor eine thailändische Künstlerin und eine amerikanische Kunstkritikerin. Die thailändische Künstlerin macht sich dabei lustig über die reichen Leute, die ihr ein Vermögen bezahlen um Pad Thai zu kochen und dabei von einer sozialen Plastik sprechen. Während sie keine Ahnung vom Diskurs der zeitgenössischen Kunst hat – was die Bissigkeit ihrer Aussagen keineswegs schmälert – so gibt sich die Kunstkritikerin vollkommen abgeklärt und bezeichnet das zeitgenössische Kunstkonzept als überholt. Ein Kommentar zur zeitgenössischen Kunst macht auch Artist in Residence (2005), worin eine Künstlerin von ihrem Projekt erzählt, das während ihres Gastaufenthalts in Baden-Baden entstanden ist. Ihre grundsätzliche Abgelöschtheit wird lediglich kurz unterbrochen, als sie vom Unverständnis der lokalen Bevölkerung erzählt; ansonsten berichtet sie über ihr – für Austauschkünstler zwar typisches, nichtsdestotrotz beliebiges – künstlerisches Konzept, das nicht viel mehr als eine künstlerischen Leere und Langeweile reflektiert.

Insgesamt geht es Tamy Ben-Tor jedoch nicht einfach um Statements zum Zustand der bildenden Kunst; dies reflektiert auch die in der Kunsthalle gezeigte Auswahl von Arbeiten aus den letzten drei Jahren, wie etwa The Contractor (2005), in der ein Bauunternehmer über zu hohe Kosten und seine daraus resultierenden Verluste lamentiert. Eine Sonderstellung nimmt zweifelsohne Girls Beware (2005) ein; während in den meisten anderen früheren Arbeiten lediglich einzelne Charaktere ihre hysterischen Monologe halten, so versammelt sich in Girls Beware ein Reigen verschiedener Protagonisten, um gemeinsam die Thematik von sexuellen Reizen und Ängsten gegenüber fremden Völkern abzuhandeln.

Die Kombination einzelner Monologe und Statements hat sich in den letzten zwei Jahren dahingehend weiterentwickelt, dass in den neueren Videos ganze Geschichten erzählt werden, in welche die einzelnen – nach wie vor unverwechselbar parodierten – Charaktere eingelassen werden. Die Rahmenhandlung in Gewald (2007) ist die auf deutsch erzählte – und am Ende als Fantasie bezeichnete – Geschichte einer Mutter, in deren Bauch ein ‚jüdisches Schwein’ heranwächst, das sie nach der Geburt wegwerfen möchte. Kombiniert mit dieser insgesamt dreimal auf verschiedene Art und Weise erzählten Geschichte werden eine Erzählung über einen unschuldigen Jüngling, der scheinbar ohne jeden Grund krank wird und nach einem Schuldigen dafür sucht, eine Szene mit einer amerikanischen Jüdin, die behauptet, die USA wären ohne die Juden niemals zur Supermacht geworden, und schliesslich einem folkloristischen Lied, das mit Sätzen aus Primo Levis Holocaustmemoiren If This is a Man untertitelt wird. Das Verhältnis zwischen Judentum und der Welt, insbesondere zu Deutschland, spielt auch in Baby Eichmann (2007) eine wichtige Rolle. Die aus dem Off erzählte Geschichte über einen idiotischen Führer, der dem Wahnsinn verfiel, ist in Kombination mit dem Auftritt einer deutschen ‚Augenzeugin’ unschwer als Referenz zum Nationalsozialismus zu erkennen.

Am weitesten hinsichtlich einer narrativen Rahmenhandlung geht die neueste Arbeit Izaak (2008). Auch diese Geschichte ist von Ben-Tor frei erfunden, doch spielen darin Referenzen aus dem Alten Testament eine derart wichtige Rolle, dass man unweigerlich den Eindruck eines religiösen Gleichnisses erhält. Erzählt wird von einer Mutter und ihren beiden Söhnen Izaak und Ishmael. Zweifelsohne dienen die gleichnamigen Brüder aus dem Alten Testament hier als Vorlage, doch stehen ganz andere Aspekte als in der religiösen Überlieferung im Zentrum. So rächt sich in Ben-Tors Version Izaak an der Entscheidung der Mutter, ihn statt seines Bruders zu opfern, indem er nach seiner Auferstehung unerkannt zu ihr zurückkehrt und mit ihr in einem inzestuösen Verhältnis lebt, während Ishmael als Folge eines Angriffs auf seinen Bruder durch göttliche Fügung erblindet.