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Eröffnung: Donnerstag, 18. September 2008 um 19.00 Finissage: Freitag, 07. November 2008 um 17.00.

Die serbische Künstlerin Tanja Ostojic präsentiert im Kunstpavillon ihre erste Einzelausstellung in Österreich, in der sie eine Serie von Arbeiten und Werkzyklen, die sie zwischen 2000 und 2007 entwickelt hat, erstmals in einer Zusammenschau zeigt. Mit Recherche, Reflexion, Kommunikation, Austausch und Kritik an der heutigen Gesellschaft beschreibt Tanja Ostojic das Feld ihrer künstlerischen Herangehensweisen. Konsequent hat sie in den letzten Jahren ein aus Performances, Video- und Fotoarbeiten und umfangreichen Archivmaterialien bestehendes Œuvre geschaffen, das gesellschaftspolitische Realitäten aufzeigt, kritisiert und zum Teil auch persifliert.

Das Thema, das Tanja Ostojic in der Serie „Crossing Borders series“ verhandelt, beinhaltet verschiedene Strategien der Grenzüberschreitung, die MigrantInnen seit Jahrzehnten verfolgen, das Schengen-Abkommen, Scheineheschließung, Methoden der Kontrolle inklusive der Praxis der Überprüfung, ob die Ehe praktiziert wird, und das Elitedenken der EU. Die 2004 entstandene Fotoarbeit „L´origine du monde / After Courbet“ aus diesem Werkzyklus erlangte als Billboard im öffentlichen Raum von Wien Ende 2005 als «Pornoplakat» bezeichnet Berühmtheit durch einen von der auflagenstärksten, kleinformatigen Zeitung Österreichs lancierten Medienskandal. Auf dem Bild ist der Unterleib der Künstlerin bekleidet mit einem EU-Slip zu sehen, es stellt das 1866 entstandene Werk «Der Ursprung der Welt» von Gustave Courbet nach. Offenbar wollten die Meinungsmacher damals unbedingt eine Diskussion darüber verhindern, dass Europa, das sich als Zentrum der Welt begreift, Ausländerinnen oft nur über den Weg der Sexarbeit in die Festung lässt.

Das „Integration Project“ beschäftigt sich mit Debatten über den Begriff „Integration“: Sprachschulen, Diskussionen über Migrationbestimmungen und Asylrechte in verschiedenen EU-Staaten, Abschiebung, Schubhaft, Illegalisierung, Bürokratie, diskriminierende Gesetzgebung, Instrumentalisierung des Begriffs „Terrorismus“, … Das „Integration Project Archive“ ist Teil der Ausstellung und besteht aus vielen Stunden unbearbeiteter Videointerviews, Audioaufnahmen, Büchern, einem Essay, Interviews, Fotos, Broschüren und Flugblättern und steht in einem wichtigen Verhältnis zu der fortschreitenden Recherche. Als Teil des „Integration Project Office“ ist das Archiv offen zugänglich und Interessierte können sich Unterlagen als Kopien mitnehmen.

Die Videoinstallation „Naked Life“ behandelt das Thema der Roma und Sinti, die als Volksgruppe die größte Minderheit in Europa darstellen. Dieses Werk thematisiert Deportation, das nackte Überleben, sozialen und politischen Ausschluss, Rassismus, staatlichen Rassismus, Xenophobie und den Umgang mit differenten kulturellen Identitäten. Tanja Ostojic steht in einem leeren Raum und liest Berichte über das Schicksal verschiedener Roma Familien. Während der Lesung der furchtbaren Fakten über Deportation und Fremdenhass beginnt die Künstlerin sich auszuziehen und legt erschüttert und oft kaum in der Lage weiter zu lesen Stück für Stück ihre Kleidung ab und führt so die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens auf ebenso subtile wie schockierende Art vor Augen.

Tanja Ostojic (Jugoslawien, *1972) studierte Kunst in Belgrad und Nantes und lebt in Berlin. Sie arbeitet als eine unabhängige, interdisziplinäre Künstlerin. Ostojic setzt sich selbst als Charakter in situationistische Performancekunstwerke ein und verwendet unterschiedliche Medien in ihrer künstlerische Recherche. Dabei untersucht sie gesellschaftliche Konstellationen und Machtverhältnisse. Sie arbeitet vornehmlich aus der Perspektive einer Migrantin und ihre Herangehensweise wird durch politische Positionierung, Humor und das Miteinbeziehen der RezipientInnen bestimmt. Sie ist eine der bemerkenswertesten und erfolgreichsten serbischen KünstlerInnen ihrer Generation.

In letzter Zeit performte sie und präsentierte Arbeiten in internationalen Ausstellungen wie Global Feminisms im Brooklyn Museum, NYC; Shrinking Cities, Interventions, GfZK, Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig; Normalisation, Rooseum Malmö; Post Communist Conditions, KW, Berlin; In Transit, Haus der Kulturen der Welt, Berlin; Plateau of Humankind, 49th Venice Biennale; Manifesta 2, Luxembourg; ICA London...

Tanja Ostojic ist im Jahr 2008 Stipendiatin der Schering Stiftung. Das Buch zur Ausstellung wird im Rahmen des Köstlin-Jubiläumsstipendiums ermöglicht und von KulturKontakt Austria und der Tiroler Künstlerschaft unterstützt.