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Alice näherte sich zaghaft der Tür und klopfte an. „Anklopfen ist zwecklos“, sagte der Diener, „und zwar deshalb, weil du und ich uns auf derselben Seite der Tür befinden und zum anderen da drinnen ein solcher Lärm herrscht, dass niemand dich hören kann.“ …“ Dein Klopfen wäre vielleicht nicht ganz sinnlos“, fuhr der Diener ohne sie anzuschauen fort, „wenn wir die Tür zwischen uns hätten. Wärst du im Haus, dann könntest du klopfen und ich könnte dich herauslassen, verstehst du?“ (von Alice im Wunderland von Lewis Carroll)

Die gemeinsame künstlerische Arbeit von Andrea Mihaljevic und Stefan Hösl beinhaltet niemals nur ein einziges Medium oder Konzept, sondern nimmt einen Zwischenbereich ein, der Malerei und Skulptur, Kunst und Leben, praktisch und ästhetisch zugleich ist. Diese Zustandsverschiebung basiert auf dem bewussten Versuch, die Bereiche, in denen die Künstler bis 2002 getrennt gearbeitet haben, und die sie, parallel zu ihrer gemeinsamen Arbeit, weiterhin praktizieren, zusammen zu bringen – Andrea Mihaljevics Malerei und Stefan Hösls Skulpturen und Wandreliefs. Jedoch haben beide, wie die meisten zeitgenössischen Künstler, auch immer großes Interesse für andere künstlerische Techniken gezeigt, und daran, die eigenen Ausdrucksformen den Kriterien anderer künstlerischer Praktiken und Medien auszusetzen. Andrea Mihaljevic wollte ursprünglich Bildhauerei studieren und die Betonung von Räumlichkeit und Tiefe in ihren Bildern, die sie von blinden Fenstern, Heizungen und Hausfassaden malte, zeugen von einem Verständnis davon, wie man Dreidimensionalität auf einer Fläche zum Ausdruck bringt. Dagegen sind Stefan Hösls Melaminskulpturen oft Kombinationen zweidimensionaler Assemblagen, deren Oberflächentexturen und Farben durch ihre räumliche Anordnung in den Raum gebracht werden, in dem sich auch der Betrachter befindet. Die bisherige gemeinsame Arbeit verbindet die formale Strenge der Malerei Andrea Mihaljevics mit der Fragilität von Hösls organischen Formen und führt zu Arbeiten, die zugleich Möbel, Architekturmodelle, skulpturale Reliefs und gemalte Objekte sind.

Das Teleporter-Projekt für den Kunstverein Freiburg erweitert nun dieses Interesse für das „Dazwischen“ noch einmal. Die Arbeit kann einerseits als riesiges, dreidimensionales Gemälde von Außen betrachtet werden, ist gleichzeitig aber auch eine Installation, die den Besucher einlädt, sie zu betreten und zu benutzen. Teleporter ist speziell für die räumliche Situation des Kunstvereins entstanden – ein einziger großer Raum, der einen schnellen Überblick ebenso zulässt, wie den Blick von oben aus der Galerie. Diese Zweiansichtigkeit erfährt durch das Teleporter-Konzept (Der Begriff Teleporter stammt aus der Science Fiktion Szene, wie bspw. der TV-Serie Star Trek, und bezeichnet den Vorgang des Beamens von Materie durch den Weltraum) insofern eine Ausweitung, als Elemente aus ganz verschiedenen Bereichen herein genommen und zu einem Environment verschmolzen werden. Dabei könnte es sich sowohl um ein Bühnenbild als auch um den Blick durch das Dach eines Puppenhauses oder aber um die Erfahrung eines „Alice-im-Wunderland“-Traumes handeln, in dem nichts das ist, was es zu sein scheint. Teleporter ist definitiv keine Umgebung, in der man sich vorstellen könnte, wirklich zu leben. Im Unterschied zu den meisten anderen Künstlern, die ihre Ausstellungsstücke auch selbst herstellen, ist bei Mihaljevic/Hösl die bewusst handwerkliche, handgemachte Struktur der Arbeiten besonders augenfällig.

Das Besondere bei Teleporter ist zudem, dass hier zwei Prozesse zusammen fallen, die zeitlich auf verschiedenen Seiten der praktischen Realisierung der Arbeit liegen: einerseits die Ideenentwicklung und der weiterführende Dialog zwischen den beiden Künstlern im Atelier und andererseits unsere Erfahrung als Besucher beim Betrachten und Reagieren auf diese Arbeit. Mit anderen Worten versteht sich die gesamte Rauminstallation als künstlerische Umsetzung von zweierlei: der Konzeption und Entwicklung der Ausstellung selbst und deren Wahrnehmung durch andere.

Ähnlich wie im Dokumentationsraum des Kunstvereins, den Mihaljevic/Hösl vor zwei Jahren künstlerisch gestalteten, hat die aktuelle Installation einen ebenso praktischen wie auch ästhetischen Charakter. Es gibt eine Sitzlandschaft mit Lounge-Atmosphäre, in der die Besucher ausruhen, lesen, und sich austauschen können; Teleporter verfügt über eine Garderobe und eine Kaffeemaschine und am Tisch der Aufsichtsperson, der sich mitten in der Ausstellung befindet, kann man Informationen über die Ausstellung und die Künstler bekommen.

Sobald wir unsere Mäntel abgelegt und uns eine Tasse Kaffee aufgebrüht haben, ist die übliche Trennung zwischen Kunstraum und Publikumsbereich, hinfällig geworden. Durch den „work-in-progress“-Zustand der Installation und infolge ihres rohen und experimentellen Erscheinungsbildes können wir uns aber auch vorstellen, im Atelier der beiden Künstler zu sein, im Dialog mit ihnen über ihre Arbeit. Anders jedoch als im Dokumentationsraum, der nichts Doppeldeutiges hat, sind hier die Pflanzen, welche die Sitzgelegenheiten schmücken, übertrieben künstlich, handelt es sich bei dem über den Stuhl der Aufsichtsperson geworfenen Kleidungsstück um recycelte Bilder. Auch ist es unklar, ob die Tische wirklich Möbel sind oder ob es sich bei ihnen vielmehr um Bildträger handelt.

Obgleich uns Mihaljevic/Hösl nie in den Genuss einer eindeutigen Interpretation ihrer Installation kommen lassen, verbergen sie weder ihre inspirativen Quellen noch die künstlerischen Prozesse während der Entstehung ihrer Arbeiten. So wird die künstlerische Strategie der Aneignung ohne weiteres offen gelegt, was sich anhand der Kleidungsstücke aus bemalten Leinwänden von Ella Seifert, der Stuhlsitze aus Styropor oder des, an das Design der 60er Jahre erinnernden, gepolsterten Wandbildes beobachten lässt. Als Ganzes gesehen mutet Teleporter wie ein Stillleben an, das einer Transformation unterzogen wurde. Einzelne Teile der Ausstellung befassen sich mit dem Thema der Abstraktion, während subtile Bezüge zu Künstlern wie Ellsworth Kelly (Referenzen an Hard Edge Malerei) oder Thomas Schütte (fließende Beziehungen zwischen architektonischem Modell und autonomer Skulptur) hergestellt werden können. Als Orientierung für die vielfältigen Arten des Konsumierens oder „Samplens“ erinnert Teleporter vielleicht ein wenig an die Art und Weise, wie wir gelernt haben, uns in solch extrem künstlichen Umgebungen wie Einkaufscentern oder Kunstmessen zurecht zu finden.

Andererseits verunsichert Teleporter durch das Spiel mit Spiegelungen und Imitationen von Dingen, die es wirklich gibt, und bezieht uns als integrale Elemente der Installation in dieses Spiel ein. Die Arbeit besitzt deutliche figurative Bezüge – seien es die Figuren, welche die Kartenhäuschen bewohnen, die organischen Formen der gepolsterten Wandarbeit mit ihren fleischigen Farben bis hin zu der durch eine bewusste Handwerklichkeit gekennzeichnete „non-finito“-Ästhetik der Pflanzen, welche die Sitzgelegenheit mit uns teilen. Tatsächlich geht die Installation, die aus Objekten besteht, auf denen man sitzen kann, die getragen oder betrachtet werden können, immer schon von der Anwesenheit von Menschen aus, wodurch sich unsere Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung der anderen Besucher ausdehnt, die selbst zu Bestandteilen der Ausstellung geworden sind. Dennoch – und erneut werden wir mit der inneren Widersprüchlichkeit von Teleporter konfrontiert – erlangt die Arbeit als Gesamtheit einen artifiziellen Glanz. Das Spiel mit Maßstäben trägt zum Eindruck bei, die Welt stünde auf dem Kopf und eine Sache stehe stellvertretend für eine andere: von den Miniatur-Kartenhäuschen zu den überdimensionalen Malereien auf den Tischen, welche die Menschen, die an ihnen sitzen, winzig erscheinen lassen. In der Tat wird jeder Teil der Installation als Detail einer potentiell unendlichen Einheit präsentiert.

Wie jedes überzeugende Kunstwerk bringt uns Teleporter das Verhältnis zwischen seiner Konstruiertheit und unserem Dasein in der Echt-Zeit und dem wirklichen Raum ins Bewusstsein. Dieses Wechselspiel wird bei Mihaljevic/Hösl zum Spiegelkabinett, in dem die Bereiche Leben und Kunst durcheinander geraten sind. Ihr Atelier befördern die Künstler auf direktem Weg in den Ausstellungsraum, was im Bild auf einem der Tische, das einen Künstler bei der Arbeit zeigt, am deutlichsten wird, sich aber auch im ambivalenten Charakter der Kartenhäuschen oder der Zeitungsständer zeigt, bei denen es sich ebenso gut um Modelle für zukünftige Skulpturen handeln könnte. In diesem Vorgang, der die Wirklichkeit undurchschaubar werden und sie zwischen Tatsächlichem und Erfundenem oszillieren lässt, verwischen die Grenzen zwischen Entwurf und Umsetzung, zwischen Atelier und Ausstellungsraum. Wie Alice erkennen wir, dass wir Teil eines heiklen Balance-Systems sind, dem eine Logik zugrunde liegt, die niemals völlig klar wird, die jedoch in der Lage ist, uns zu anderen Formen des Sehens und Erfahrens zu verhelfen.

Felicity Lunn

Zu dieser Ausstellung erscheint eine Publikation!

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Teleporter
Andrea Mihaljevic & Stefan Hösl