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Terence Koh ist es gelungen, innerhalb kürzester Zeit mit spektakulären Performances und intensiv erfahrbaren Rauminstallationen zum viel beachteten Gesamtkunstwerk zu werden. Der als „Asian Punk Boy“ bekannt gewordene Künstler chinesisch-kanadischer Herkunft ist eine der interessantesten Entdeckungen der letzten Jahre. Wie kein anderer versteht er es, Einflüsse aus dem Postminimalismus und der Body-Art der siebziger Jahre in einen eigenen Kosmos zu überführen, in dem Dekadenz und gezielte Überschreitung regieren, und den Betrachter Momente von fragiler Schönheit erleben zu lassen. Nach Aufsehen erregenden Installationen in der Kunsthalle Zürich, der Wiener Secession und dem Whitney Museum in New York installiert Terence Koh eigens für die Schirn eines seiner typischen monochromen Environments, dessen surreale weiße Objekte er durch eine geheime Performance initiiert und auf diese Weise rituell zum Leben erweckt. Unter dem Titel „Captain Buddha“ ist der Besucher eingeladen, in dem von gleißendem Licht erfüllten Raum den Künstler auf einer Reise zu begleiten, die ihn auf der Suche nach sich selbst durch die ganze Welt – unter anderem Japan, China, Israel, Belgien, Afrika, Mexiko und Kanada – ins Nirwana führen soll und doch im Nichts endet.

Terence Koh ist stets das Zentrum seiner Inszenierungen – zwischen genialem Puppenspieler, der sein Publikum seinen situativen Environments aussetzt, und der absoluten Mythologisierung eines perfekt inszenierten Selbst, die ganz in Warhol’scher Tradition auch jenseits des eng gesteckten Rahmens eines Kunstwerks zum Einsatz kommt. Wie Dorian Gray wird auch Terence Koh nicht älter und sein Geburtsjahr passt sich seiner unangreifbaren Jugend auf magische Weise an. Sei es als Zeremonienmeister der Dekadenz oder als zeitgenössischer Dandy, der klassische Schönheitsideale auf glamouröse Weise dem Verfall anheimgibt, immer scheint Koh das Leben gänzlich in Kunst zu verwandeln. „Ich bin genetisch entworfen worden“, sagt Terence Koh, „um Dinge zu tun, die diese Welt schöner machen.“ Für sein Projekt, die New Yorker Asia Song Society (ASS), marschierte Koh 2006 zur Gänze durch einen roten Schleier verhüllt und von rot gekleideten, Räucherstäbchen tragenden Begleiterinnen und Begleitern flankiert als Künstler Zhang Zyi aus Shanghai die Canal Street entlang, um anschließend in einen geheimnisvoll wirkenden roten Raum voller roter Skulpturen einzuladen. In der Lobby des Whitney Museum ließ er im selben Jahr eine gleißende 4000-Watt-Sonne aufgehen und als „Akt der Großzügigkeit“ auch die New Yorker Madison Avenue bescheinen. Wenig später kündigte er in Berlin die Präsentation seines Debütalbums „Sprungkopf“ an und lieferte, das Gesicht von einer schwarzen Langhaarperücke bedeckt und von drei halbnackten jungen Männern begleitet, eine düstere dreiminütige Schrei-Performance.

Es ist innerhalb Kohs Werk nur scheinbar ein Widerspruch, wenn die minimalistische Leere eines weißen Raumes auf den orgiastischen Barock eines dunklen Totentanzes trifft, die Bildsprache des Zen-Buddhismus auf christliche Ikonographie, kostbare Vergoldungen auf banalste Objekte, die Reinheit des Weiß auf Verunreinigungen durch verschiedenste Körperflüssigkeiten oder der kunsthistorische Kanon auf Subkultur. Koh lässt die Figur des Künstlers wie auch seine Inszenierungen, Objekte und Performances zwischen den unterschiedlichsten Polen oszillieren und offenbart damit einen romantischen Aspekt seines Werks: die Vereinbarkeit des Unvereinbaren.

Auch kulturelle Identität entsteht bei Koh aus einer schier unendlichen Palette von Möglichkeiten: als Dazwischen, als unaufhörlicher Wandel, als Übergang zwischen Asien, Amerika und Europa, aber auch als Finte. In seinem künstlerischen Werk spiegelt sich dieses Spiel mit der eigenen Existenz in Objekten wie setzkastenartig gestapelten, raumgreifenden Vitrinenarchitekturen, die bestückt sind mit einer vielfältigen Auswahl weißer Gegenstände. Bei näherem Blick erscheinen diese Gegenstände wie das globale Treibgut unterschiedlichster Länder und Zeiten, gestrandet in bleicher, seltsamer, oft grotesker Schönheit. Vom Künstler wie von einem weisen Präparator in Weiß gegossen, werden sie der Nachwelt als akribisch konservierte Kostbarkeiten präsentiert.

Jugend und Verfall, Schönheit und Zerbrechlichkeit, Sexualität, kulturelle Identität, individuelle Persönlichkeit und, letztendlich, Leben und Tod sind die großen Themen von Terence Koh. In seinen Werken illustriert er die Gespaltenheit menschlichen Seins, einerseits die Begierde, die Welt obsessiv zu erleben, sich zu teilen, der Sehnsucht einen Platz außerhalb seiner selbst zu geben, andererseits die unendliche Einsamkeit, die jeder Mensch kennt und immer wieder erlebt. Sexualität, ein zentrales Element seiner Arbeit, unterliegt keiner Vereinnahmung durch moralische, ideologische oder restriktive Zwänge, sondern ist vielmehr eine Verlockung, die Bedrängnis und Zerrissenheit im Dasein zu vergessen.

Für seine Installation in der Schirn Kunsthalle verknüpft Koh zwei zunächst scheinbar weit auseinanderliegende Welten: den Buddhismus und den populären Klassiker der Weltliteratur, Hermann Melvilles Roman „Moby Dick“, der die schicksalhafte Suche des ebenso charismatischen wie wahnsinnigen Kapitän Ahab nach dem weißen Wal erzählt. Beide Welten treffen jedoch in ihren Beschreibungen einer unaufhörlichen und unauflösbaren Suche zusammen und vereinigen sich so im Titel: „Captain Buddha“. Für die Installation hat Koh sich selbst auf die Reise gemacht: Fünfzehn Stationen – Kanada, Japan, China, Thailand, Mexiko, Deutschland, Schweiz, Schweden, Israel, Island, Belgien, Italien, Spanien, Afrika und die USA – durchquert er als Mönch in goldener Robe auf der Suche nach seinen Objekten wie einst Kapitän Ahab auf der Suche nach dem weißen Wal. In den Worten von Terence Koh: „Ich bin wie der Kapitän in Moby Dick. Ich versuche in den weißen Objekten den weißen Wal zu finden, doch am Ende finde ich das Nichts.“

Die Zahl Fünfzehn ergibt sich dabei aus den fünfzehn Steinen des Zen-Gartens im Ryoanji-Tempel von Kyoto, einem der legendären Trockengärten, wie sie in Japan neben Klostergebäuden angelegt wurden, um den Mönchen als Ort der Meditation zu dienen. In ihrer Ordnung und Klarheit sollen sie den Geist in einen idealen Zustand versetzen und den Blick für das Wesentliche und Schöne öffnen. In der Ausstellung repräsentieren Kohs fünfzehn weiß überzogene Bronzeobjekte, die der Betrachter im weißen Licht ausfindig machen muss, die zugleich geistige und reale Reise des Künstlers – allesamt sind sie Assemblagen: Ein Törtchen, aus dem statt einer Geburtstagskerze ein kleiner Finger mit einem Docht ragt, ist von einem Bienenschwarm bedeckt; ein Affe hängt an einem Kleiderbügel; Körperabgüsse des Künstlers treffen auf burmesische und tibetische Münzen. Eine Currywurst befindet sich in der Nachbarschaft eines buddhistischen Friedenssymbols, ein Gartenzwerg wird aufgeknüpft an den einen Ast umklammernden Armen von Maya, der Mutter Buddhas, die sich im Mythos während seiner Geburt auf diese Weise festhält. Es gibt einen zerbrochenen Regenschirm, dessen Griff ein Stoffhäschen bildet, einen Hula-Hoop-Reifen mit Hermès-Handschuhen, einen Fahrradreifen mit der Aufschrift „captain buddha incorporate“, geschrieben in chinesischen Schriftzeichen, und einen toten mexikanischen Vogel. Jedes dieser Objekte eröffnet in sich eine surreale Erzählung und fügt sich mit den anderen zu einer komplexen, weltumspannenden Geschichte zusammen, die sich immer wieder im Dunkeln verliert. In der Mitte schließlich thront ein Selbstporträt des Künstlers als verhungernder Buddha auf einem goldenen Sarg. In einer Nacht vor der Eröffnung wird Terence Koh in einer geheimen Performance jedes der perfekt weiß überzogenen Bronzeobjekte mit einem marmornen Stab berühren, es beklopfen und in einem privaten Ritual besprechen. Diese geheime Performance wird durch einen Film dokumentiert, der später, über einen Monitor abgespielt, zum Teil der Ausstellung wird.

WEB- UND PRESSEFILM: Anlässlich der Ausstellung „Captain Buddha“ produziert die Schirn für Publikum und Presse erstmals einen Webfilm. Der ca. 3 Minuten lange Film wird von Terence Koh selbst gestaltet. Er ist nicht nur auf der Schirn-Website im neuen Menübereich „Filme“ zu sehen, sondern steht auch zum Presse-Download zur Verfügung und kann von Online-Medien für deren eigene Webangebote genutzt werden. Der Film wird voraussichtlich in experimentellen Bildern Teile der geheimen Performance zeigen, die in der Nacht vor der Ausstellungseröffnung stattfinden wird. Er steht am Anfang eines neuen Angebots auf der Website www.schirn.de, auf der auch in Zukunft Filme zu ausgewählten Ausstellungen und Veranstaltungen zu sehen sein werden. Außerdem werden die Filme unter www.youtube.com ins Internet gestellt.

KATALOG: Zur Ausstellung erscheint ein Katalog. Herausgegeben von Martina Weinhart und Max Hollein. Mit einem Vorwort von Max Hollein und einem Text von Martina Weinhart. Deutsch-englische Ausgabe, ca. 100 Seiten, ca. 40 Abbildungen, Softcover, Verlag der Buchhandlung Walther König, ISBN 978-3-86560-466-8 KURATORIN: Dr. Martina Weinhart (Schirn). KURATORISCHE ASSISTENZ: Sylvia Metz

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Terence Koh
Captain Buddha
Kuratoren: Martina Weinhart, Sylvia Metz