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Die weltweit erste große Einzelausstellung der mexikanischen Künstlerin Teresa Margolles (geb. 1963) wird in zentralen Räumen des Museums vom 24. April bis zum 15. August 2004 präsentiert. Die Werke von Teresa Margolles haben ihren Ursprung in ihrer Arbeit als gerichtsmedizinische Assistentin an einem Leichenschauhaus in Mexico City. Die sozialen und ökonomischen Verhältnisse einer Gesellschaft sind, so Margolles, in besonders scharfer Form an den Toten ablesbar, die Tag für Tag die Leichenhallen der Megalopolis anfüllen. Die dokumentarische Seite ihrer Arbeiten erfährt eine existentielle Zuspitzung, indem sie die Distanz, die wir dazu gewöhnlich einnehmen, auf außergewöhnliche Weise durchbricht.

Kunstwerke, die den Tod darstellen, verstellen ihn zugleich. Teresa Margolles gelingt es, diese ästhetische Grenze mit künstlerischen Mitteln zu überschreiten. Oftmals ist es allein die Imagination des Betrachters, die das Unvorstellbare in eine momentane Gegenwart bringt. Die Arbeiten stehen am Rande des Darstellbaren, befinden sich also genau an dem Ort, an dem der Tod – jenseits einer Symbolisierung – als Auflösung aller Form gerade noch sichtbar wird. Zur Ausstellung xMuerte sin finx erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Udo Kittelmann, Klaus Görner, Gabriela Jauregui, Elmer Mendoza und Santiago Sierra im Hatje Cantz Verlag.

Teresa Margolles beschäftigt sich mit dem Tod, besser gesagt mit Toten. Sie tut dies in Mexico City, der größten Stadt der Welt. Margolles partizipiert an der Arbeit in einem der Leichenschauhäuser der Stadt und arbeitet zugleich als Künstlerin. Die Toten, denen sie begegnet und von denen ihre künstlerische Arbeit handelt, sind Opfer von Gewaltverbrechen, sind Drogentote, Verkehrstote, unidentifizierte Leichen usw. Und sie sind meist jung,mitunter Kinder. Wenn Teresa Margolles sagt, sie interessiere das xLeben der Leichenx, dann ist damit das Schicksal der toten Körper gemeint, das, was diese nach ihrem Tod erfahren und welche Verbindungen zwischen dem Leben vor und dem xLebenx nach dem Tode bestehen. Denn der Tod ist nicht der romantische Ausgleich aller Ungleichheit, sondern markiert lediglich den Übergang von einer xBiographiex in die andere, die sich nahezu ungebrochen fortsetzt. Todesursachen, Sterbealter und die Formen von Beerdigung und Angedenken sind abhängig von sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnissen. Die Toten, auf die Teresa Margolles trifft, werden in vielen Fällen in anonymen Gräbern beigesetzt oder in Krematorien verbrannt, wenn die Angehörigen und Freunde nicht in der Lage sind, die Kosten für eine Bestattung aufzubringen.

Die Reste eines menschlichen Lebens sind das Ausgangsmaterial der Arbeiten von Teresa Margolles. In einer liebevollen Hinwendung zu dem, was der Tod übrig lässt, liegt die verstörende Gewalt der Werke. Sie stehen auf der Grenze des Darstellbaren und auf der Grenze der Kunst, befinden sich also genau an dem Ort, an dem der Tod – jenseits einer Symbolisierung – als Auflösung aller Form gerade noch sichtbar wird. Teresa Margolles überführt vergangenes Leben durch künstlerische Intervention in die Wahrnehmbarkeit und entreißt damit xihrex Toten dem anonymen Verschwinden. Ihr Werk erfährt eine existenzielle Zuspitzung, indem es die Distanz, die wir gewöhnlich den Toten gegenüber einnehmen, auf außergewöhnliche Weise durchbricht. Der Künstlerin gelingt es, die ästhetische Grenze mit künstlerischen Mitteln, die in der Stille wirken, zu überschreiten. Oftmals ist es allein die Einbildungskraft des Betrachters, seine Imagination, die das Unvorstellbare in eine momentane Gegenwart bringt. Die Arbeiten von Teresa Margolles sind traurig und bestechen gleichzeitig durch ihre Schönheit. Sie entziehen sich bei aller Ästhetik den Versuchen einer rationalen Erklärung in den Momenten, da sie einem einen geradezu physischen Kontakt mit den namenlosen Toten aufzwingen. »Andere Erfahrungen, andere Tode, erwarten uns«, so kommentierte Octavio Paz das 1939 veröffentlichte Gedicht Muerte sin fin des mexikanischen Autors José Gorostiza (1901 – 1973), das der Ausstellung den Titel gibt. Diese zeigt ein großes, berührendes und überwältigendes Werk, wenn man die Augen vor den Toten nicht verschließt. Teresa Margolles tut es nicht.

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Teresa Margolles - Muerte sin fin