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Imagination wörtlich ins Deutsche übersetzt bedeutet Einbildung. Während im Englischen das Wort benutzt wird, um zu sagen, dass sich etwas Unsagbares in ein Bild umsetzt, so haften in der deutschen Alltagssprache negative Konnotationen wie eingebildet, unwirklich, oder gar Täuschungen, Hirngespinste an diesem Begriff. Das Imaginäre steht für alles Bildhafte, womit materielle und mentale Bilder – sowohl individuelle als auch kollektive – verstanden werden. Es steht für das bildende und Bilder schaffende Vermögen des Menschen, das gemäss Max Frisch mehr ist als Fantasie, und von ihm vielmehr als magischer Akt verstanden wird.

„(...) jedes Erlebnis bleibt im Grunde unsäglich, solange wir hoffen, es ausdrücken zu können mit dem wirklichen Beispiel, das uns betroffen hat. Ausdrücken kann mich nur das Beispiel, das mir ferne ist wie dem Zuhörer: nämlich das erfundene. Vermitteln kann wesentlich nur das Erdichtete, das Verwandelte, das Umgestaltete, das Gestaltete (…).“ (aus: Max Frisch, Das schwarze Quadrat, Suhrkamp, 2008, S.27)

Die Ausstellung the audacity of imagination versammelt renommierte wie auch junge, internationale Positionen, welche Imagination nutzen, um sich mit ihrer Umgebung auseinanderzusetzen. Alle Künstlerinnen und Künstler dieser Ausstellung nutzen die bildnerische Möglichkeitsform, um ihren Interpretationen und Haltungen in subversiver, kritischer, absurder, oder poetischer Art Ausdruck zu verleihen: ihre Vorstellungsbilder machen Aussagen über unsere Lebenswelt, machen diese erkennbar und stellen sie zur Diskussion. Imagination umfasse die Welt, so die Aussage von Albert Einstein, und sei wichtiger als Wissen, das beschränkt sei.

Die Zugänge und Themen der in dieser Ausstellung vertretenen Künstlerinnen und Künstler sind sehr vielfältig und medial unterschiedlich. Verbunden werden die Positionen durch ihre verwandte Suche nach Darstellungsformen, welche das Unsagbare zu vermitteln vermögen. Sie alle lassen grund-legende Fragen anklingen, vermögen anzurühren, und konfrontieren den Betrachter mit kritischen, andersgearteten Sichtweisen.

Muriel Baumgartner (CH) Muriel Baumgartner beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit Alltagsphänomenen, die durch ein hohes Mass an Konstruiertheit und Künstlichkeit geprägt sind. Ihr Arbeitsfeld liegt im Spannungverhältnis zwischen der Natürlichkeit und Künstlichkeit der vorgefundenen und bearbeiteten Phänomene. In der Arbeit Die Menschen da draussen fotografierte Muriel Baumgartner mit einem Spiegel aus einem digitalen Farbfotoautomaten hinaus. Der hochspezialisierte Farbfotoautomat wird dadurch in seiner Funktion erweitert, fängt in einer eigenwilligen, übersteuerten Ästehtik Passanten ein, die durch ihre flüchtige Präsenz, ihre Irritation und Neugier besonders authentisch anmuten.

Ruth Blesi (CH) Imagineered sculptures nennt Ruth Blesi ihre Bilder. Die computerbearbeiteten Fotografien zeigen architektonisch, skulptural anmutende Objekte in atmosphärisch aufgeladenen Landschaften. Die Bilder irritieren durch ihre Ambivalenz: die Objekte in der Landschaft wirken gleichzeitig selbst-verständlich wie auch störend, als Relikte einer vergangenen Kultur verweisen sie einerseits in die Vergangenheit, als Zukunftsvision suggerieren sie gleichzeitig die Zukunft. Die Materialität und Sinnlichkeit der architektonischen Skulpturen im Bild verweisen deutlich auf die in schwarzem Wachs modellierten Objekte, die in die Fotografie montiert wurden, und entziehen sich gleichzeitig durch die glatte Oberfläche der Fotografie.

Nadja Crola (CH) Nadja Crola verwebt in ihrer Arbeit Gesehenes mit Erlebtem und Erinnertem. In ihren Zeichnungen, die sie Gedankenbilder nennt, verdichten sich einerseits unterschiedliche Zeitebenen, andererseits verschiedene Zustandsformen zu einem Erinnerungsraum. Mittels Bleistift und Fotokopierer entstehen äusserst subjektive und sensible Zeichnungen, die spannungsvoll das ambivalente Verhältnis von Macht und Sehnsucht irritierend flüchtig aufzeigen. Zart anmutende Linienführung und atmosphärisch aufgeladene Leerräume in den Zeichnungen von Nadja Crola evozieren ein Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz.

Bianca Dugaro (CH) Binaca Dugaro stellt in ihrer Arbeit Abbilder das Wesen der Fotografie in Frage. Fixiert die Fotografie gewöhnlich einen ganz kurzen Augenblick auf einem Bildträger, indem die Spuren des Lichts ein Bild entstehen lassen, so werden in ihren Bildern gleichermassen der Ausstellungsraum, der Betrachter und das Bild thematisiert. Ihre äusserst reduzierten Fotografien lassen den Betrachter im Aus-stellungsraum mit der abgebildeten Spiegelung eines Modells auf der Oberfläche der Fotografie zusammentreffen. Irritierend wird die Präsenz des Betrachters durch sein (vermeintliches) Auftauchen und Verschwinden ins Zentrum gerückt.

Monica Ursina Jäger (CH) Die Bildwelten von Monica Ursina Jäger verbinden natürliche und konstruierte, gebaute Landschaften zu einem Hybrid. Die Darstellung von scheinbar unvereinbaren Elementen irritiert jedoch nicht nur wegen der Gleichzeitigkeit von Fiktionalität und Vetrautheit der Szenerie, sondern auch wegen der multiperspektivischen Bildräume, die mit schwarzer Tusche auf Papier reduziert und zugleich detail-reich gearbeitet sind. Verlassenheit und Einsamkeit herrschen in ihren konstruierten, apokalyptisch anmutenden Bildfindungen vor, die ebenso utpische Qualitäten aufweisen wie auch von persönlicher befindlichkeit zu erzählen vermögen.

William Kentridge (SA) Seit Ende der achtziger Jahre ist William Kentridge weltweit mit seinen handgezeichneten Filmen bekannt geworden. Sein Werk behandelt ausdrucksstark wie auch persönlich menschliche Gefühle und Erinnerungen auf der Grundlage der Vergangenheit Südafrikas. Kentrdige schafft expressive, vielschichtige Metaphern, welche die Suche nach kultureller Identität wie auch den Prozess von Vergessen und Erinnern, gekoppelt an das politische Geschehen Südafrikas, wiederspiegeln. Der Prozess der Veränderung wird in seinem zeichnerischen Werk mittels Konturen, Verwischen, Schwärze anhäufen und Helligkeiten wieder hervorholen evoziert, wodurch seine Bilder zwischen Anklage und Mitgefühl changieren.

Gerhard Lang (D) Das Werk von Gerhard Lang stellt eine eigenwillige Position dar, die als poetisierte Wissenschaft bezeichnet werden kann. In einer Mischung aus präziser Methodik und spielerischem Zugang befragt Gerhard Lang die Beziehung von Mensch und Natur. In seiner Arbeit cloud walk (Wolkenspaziergang) beschäftigt er sich mit dem flüchtigen und beweglichen Naturphänomen Wolke. Ausgerüstet mit wissenschaftlichen Geräten hat sich der Künstler auf hohe, wolkenverhangene Berge begeben, um dort einerseits präzise Daten wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur zu erheben, anderseits aber auch das Geschlecht der Wolke und ihren Geruch zu bestimmen. Zu guter Letzt saugt Gerhard Lang eine 2000 ml umfassende Probe der jeweiligen Wolke in den Scheidetrichter und versiegelt sie.

Casey McKee (USA) Der aus Arizona stammende und nun in Berlin lebende und arbeitende Künstler hat für sein Werk eine Technik entwickelt, die eine Kombination zwischen Fotografie und Malerei ist. Casey McKee foto-grafiert Situationen, die von ihm oft aufwändig mit Schauspielern inszeniert werden, und belichtet das Motiv anschliessend mittels Fotoemulsion auf Leinwand. Mit Ölfarbe übermalt er die schwarzweisse Fotografie und vereint damit die Qualitäten beider Medien. In seinen Bildwelten prallen Gegensätze sowohl auf einer inhltlichen wie auch auf einer zeitlichen Ebene aufeinander und befragen dadurch unser aktuelles Verständnis von Arbeit, Konsum und Wirtschaft. Casey McKee richtet sein Augen-merk auf Machtstrukturen, Globalisierungsfolgen und neoliberalen Wirtschafts-systeme.

Ed Ruscha (USA) Der 1937 geborene und in Los Angeles lebende Künstler Ed Ruscha gilt als Pionier und Grossmeister der konzeptionellen Fotografie. Der ursprünglich als Grafiker, Typograph und Layouter ausgebildete Künstler betrachtet Fotografie als Werkzeug und nutz sie sowohl für sein zeichnerisches und malerisches Werk wie auch für seine konzeptionelle Arbeit als Autor. Seinen Blick richtete Ruscha auf typisches amerikanisches Niemandsland, so dass in seinerm Werk Industriehallen, banale Tankstellen und Massenparkpläze ästehtisch transformiert und bildwürdig werden. Voll subtiler Ironie zitiert Ruscha in seinem bildnerischen Werk genauso die Formensprache des Kinos aus Hollywood wie auch die Ästhetik des amerikanischen Alltags.

Felice Varini (CH) Varini verzichtet seit seinen ersten Werken auf den traditionellen Rahmen eines Gemäldes. Als Leinwand wählt er den architektonischen und urbanen Raum. Er setzt zwei (oder mehr) miteinander unvereinbare Wahrnehmungsweisen oder Einstellungen, die von derselben Installation von Malereien im Raum oder von Fotografien provoziert werden, einander entgegen und zeigt somit gleichzeitig, dass beide nur unterschiedliche visuelle Wirkungen sind, abhängig vom Blickpunkt der Betrachterin, des Betrachters. Varinis Arbeiten spielen auf phänomenale Weise mit dem Thema optischer Phänomene und Effekte. Sie spielen mit dem Umschlagen von der Drei- in die Zweidimensionalität, von Raum in Fläche, vom festen Blickpunkt und der perspektivischen Konstruktion einer geometrischen Bildfläche zur affektiven Verführung und setzen sich der vermeintlich klaren Apperzeption entgegen.

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The audacity of imagination

Künstler: Muriel Baumgartner, Ruth Blesi, Nadja Crola, Bianca Dugaro, Monica Ursina Jäger, William Kentridge, Gerhard Lang, Casey McKee, Ed Ruscha, Felice Varini