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The Driving Factor
Eröffnung (Ausstellung): Freitag, 10. Juni, 18 Uhr

Woher rührt die Macht der „Speicherbarkeit“ von Energie? Am Anfang des Projekts The Driving Factor stand die Verwunderung über die widersprüchlichen Reaktionen von Politik und Zivilgesellschaft auf den Bau der Tesla-Gigafactory in Grünheide, Brandenburg. Auf lokaler und nationaler Ebene feierte die Politik eine zukunftsweisende, angeblich umweltfreundliche Technologie sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen. Gleichzeitig wurden unzählige Einwendungen zu den Folgen für die bereits angeschlagenen Grundwasserreserven und zur Rodung des Waldes weitgehend ignoriert. Waren die Versprechen von „grüner“ Mobilität, ähnlich denen der „Energiewende“ an vielen anderen Orten, nicht auch hier Anlass einer tiefgreifenden Gefährdung von Ökosystemen und der Unterwanderung zivilgesellschaftlicher Rechte?
Beiden Versprechen — dem der Elektromobilität und dem der „Energiewende“ — zugrunde liegt ein Objekt: Die Batterie. The Driving Factor nimmt die Lithiumbatterie als Speichertechnologie „grüner“ Energie zum Ausgangspunkt für multidisziplinäre, künstlerische Untersuchungen. Das Projekt hinterfragt das Narrativ des schadlosen, „grünen“ Speicherblocks für alle und überall, ob in Mobiltelefonen, Autos oder zur Stabilisierung der Stromnetze. Aus lokalen Zusammenhängen heraus versucht es, Verbindungen zur globalen Lithium-Lieferkette herzustellen und dabei intransparente und meist umweltschädigende Praktiken der Rohstoffförderung, sowie Mechanismen der Aneignung von Natur- und menschlicher Arbeit als Fortsetzung imperialistischer und kolonialistischer Logiken aufzuzeigen, die sich auch in Deutschland nachverfolgen lassen.

Die drei experimentellen Touren von The Driving Factor führen durch soziale und geografische Landschaften der Extraktion und Akkumulation in Berlin, Brandenburg und Sachsen. Jede Tour, als räumliche wie auch als gedankliche Bewegung konzipiert, macht Zyklen der Auf- und Abwertung von Rohstoffen und Landschaften nachvollziehbar, die in Zusammenhang mit der „Energiewende“ stehen: die Reaktivierung der Vision von Elektromobilität in Berlin-Oberschöneweide und Grünheide; die Wiederaufnahme des Bergbaus im sächsischen Erzgebirge nach dem Fund von Lithiumvorkommen; und die Produktion bzw. Neu-Verwertung von Landschaften nach dem Ausstieg aus dem Kohleabbau in der Lausitz.

Die künstlerischen, wissenschaftlichen und aktivistischen Beiträge, die im Rahmen von The Driving Factor aufgerufen werden, befassen sich mit intersektionalen Ungerechtigkeiten, die im Kontext mit der Batterieproduktion stehen: Verschmutzungen von Ökosystemen, Vertreibungen von Menschen, Tierarten und Pflanzen. Batterien sollten das mit erneuerbaren Energien betriebene Stromnetz stabilisieren und damit den Übergang hin zur emissionsfreien und ressourcenschonenden Energienutzung beitragen, die sich viele vom europäischen „Green Deal“ versprachen. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine zeigen die Debatten um „Energiesicherheit“, dass dieses Versprechen vor allem das Versprechen eines linearen Wachstums- und Investitionsmodells war, das privates Kapital sichern sollte.

Die station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf wird für die Dauer des Projekts zu einem „Speicher“, in dem neue und bestehende künstlerische Arbeiten, Recherchematerialien, Podcasts der Arbeitsgruppe, sowie Eindrücke der Touren nach und nach eingelagert und vorgestellt werden. Den Speichervorgang beschleunigt das Forum POWER BANK, welches Beitragende und Teilnehmer_innen des Projekts zusammenbringt, um alternative Handlungsräume zu diskutieren. Denn dass ein Bruch mit den bisherigen Macht- und Besitzverhältnissen im Kontext der Produktion, Verteilung und Akkumulation von Energie notwendig ist, scheint festzustehen; wie die Zivilgesellschaft und translokale Gruppierungen dazu beitragen können, ist die (offene) Frage.

Als digitaler, wachsender Speicher sammelt die Webseite thedrivingfactor.net Stimmen, Materialien und Themen des Projekts für ein breiteres Publikum. Hier werden im Nachgang der Touren deren künstlerische Dokumentation veröffentlicht und weitere Querverweise langfristig zugänglich gemacht.

nGbK-Projektgruppe: Elisa T. Bertuzzo, Jan Lemitz, Daniele Tognozzi, Mercedes Villalba, Neli Wagner