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Die Ausstellung lädt ein, die Geschichten jener kulturellen Praktiken und Darstellungssysteme nachzuvollziehen, die mit dem Begriff des Glamourösen im Zusammenhang stehen. Ausgangspunkt des Projekts ist die Beobachtung, dass die Rolle der bildenden Kunst bei der Konstruktion und Reflexion dieser „schillernden Totalität“ (Frieda Grafe) immer ein besonders wohl gehütetes Geheimnis gewesen ist. Die Kategorie passte einfach nicht in die Narrative der Moderne. Als vulgär, oberflächlich und massenkulturell verrufen, wurde der Gegenstand „Glamour“ von der ästhetischen Theoriebildung und der Beschäftigung mit den ernsten Künsten ausgenommen, obwohl spätestens mit Pop Art und Postmoderne, wenn nicht schon seit dem Surrealismus, die „Funktion des Glamour“ (Theodor W. Adorno) in der Kunst nicht von der Hand zu weisen war.

Heute dagegen ist es üblich, den Kunstbetrieb als solchen in Begriffen von Prominenz und Glamourfaktor zu charakterisieren. Vielleicht ist Glamour überhaupt die wichtigste Währung auf einem Markt, wo vor allem in Standortkonzepte und die dazu gehörigen Persönlichkeiten, d.h. in Stars, investiert wird. Wobei dieses Angewiesensein auf Glamour und Sexappeal nicht nur KünstlerInnen betrifft, sondern mindestens ebenso GaleristInnen, SammlerInnen oder KuratorInnen.

Glamour ist ästhetisch-ökonomisch überaus stimulierend. Das zeigt sich auch darin, dass die „glamourisierte“ bildende Kunst heute mühelos und ohne Berührungsängste mit anderen Sektoren der Lifestyle-Kultur wie Mode, Film, Theater, Design, Musik, Clubszene, Boulevard usw. korrespondiert. Die neuen Verknüpfungsmöglichkeiten sind beträchtlich - am Glamourkontinuum wollen alle teilhaben.

Als zentrale Kategorie in der kulturindustriellen Fabrikation von Konsumappellen und Identifikationsaufforderungen wirkt Glamour auch in der neoliberalen Lehre vom unternehmerisch agierenden Individuum. Denn glamourös zu sein ist heute eine Schlüsselqualifikation für Karrieren in den „kreativen Industrien“. Doch darüber hinaus und in Abgrenzung zu solchen Funktionszuweisungen dient Glamour als Ressource von Subjektivierungsprozessen, die sich den herrschenden kulturellen Paradigmen entziehen. Strategien und Politiken des Gegen-Glamour öffnen Handlungsräume, in denen nostalgische Rückschau und utopischer Entwurf in queeren Praktiken verbunden werden. Der angeeignete, illegitime Glamour von Minderheiten, die karnevaleske Zuspitzung glamourösen Auftretens stellt konventionelle Modelle von Identität sowie normative Vorstellungen von Schönheit und Erfolg in Frage – oder löst sie vorübergehend auf. Neben der Auseinandersetzung mit den Geschichten und Gegenwärtigkeiten von Glamour sind deshalb auch solche künstlerischen Ansätze von Bedeutung, die nicht nur die Ohnmacht gegenüber den Glamour-Anrufungen dokumentieren, sondern gerade das ermächtigende Potenzial des Glamourösen herausarbeiten und ausspielen.

Die Ambivalenz von Kritik und Affirmation ist hier freilich nie endgültig zu beseitigen. Zu sehr spielen Faszination und Begehren in jene Beziehungen hinein, die auch die Arbeiten in The Future Has a Silver Lining mit dem Glamourösen unterhalten. Deshalb ist Eindeutigkeit auf diesem Feld keine tragfähige ästhetische und politische Option. Stattdessen kommen Melancholie, Ironie, Übertreibung und Hedonismus als glamour-affine Haltungen ins Spiel. Entscheidend ist jedoch in jedem Fall, zu verstehen, dass auch die Aneignungen dominanter Glamourformen historisch und kulturell singulär sind.

The Future Has a Silver Lining spannt weite Bögen durch die künstlerischen Gattungen und die Geschichte. Neben Film- und Videoinstallationen (u.a. von Kutlug Ataman, Janet Cardiff/ Georges Bures Miller, T.J. Wilcox, Francesco Vezzoli, Brice Dellsperger) widmen sich ausgewählte Beispiele der Fotografie, eines Glamour-Leitmediums, den historischen und sozialen Bedingungen der Dokumentation wie der Produktion glamouröser Momente und Atmosphären (u.a. die historischen film stills aus der Sammlung Christoph Schifferli, Fergus Greers Fotoinszenierungen von Leigh Bowery sowie unterschiedliche fotografische Arbeiten von Francesco Scavullo, Mick Rock, Sanja Ivekoviæ, Carlos Pazos, Michel Journiac, Peter Hujar, Katharina Sieverding, Tom Burr, Cosey Fanni Tutti und Allen Frame).

Skulpturen (u.a. von Julian Göthe, Nicole Wermers, Manon, Justen Ladda, James Lee Byars) und skulpturale, teils mit Licht und Projektion arbeitende installative Werke (u.a. von Cerith Wyn Evans, Daniele Buetti, Josephine Meckseper, Marc Camille Chaimowicz) richten diese Erkundungen zudem auf die räumlichen Dispositionen von Display- oder Bühnensituationen aus, in denen sich glanzvolle Auftritte oder deren Scheitern ereignen. Schließlich wird in einer von Daniel Hunziker entworfenen Vitrinenlandschaft auf der Mitte des Ausstellungsparcours ein Archiv des Glamour eingerichtet – eine Auswahl aus den Arsenalen populärkultureller Gesten und Bilder, die künstlerische Beiträge kontextualisieren und kommentieren.