press release only in german

In der Ausstellung The Oil Show präsentiert der Hartware MedienKunstVerein vom 12. November 2011 bis zum 19. Februar 2012 auf der 3. Etage des Dortmunder U fünfzehn zeitgenössische künstlerische Positionen, die sich mit den geopolitischen, gesellschaftlichen und ökologischen Konsequenzen unserer Abhängigkeit vom Erdöl auseinandersetzen. Besondere Aufmerksamkeit gilt Regionen wie dem Nigerdelta, die für Jahrzehnte vom rücksichtslosen Raubbau an ihren natürlichen Ressourcen gezeichnet sind und in den öffentlichen Diskursen der hochentwickelten Länder kaum eine Rolle spielen. Die an der Ausstellung beteiligten KünstlerInnen vermitteln durch ihre interdisziplinäre Arbeit zwischen Kunst und Forschung ein Verständnis für eine immer komplexer werdende Gegenwart, die auf der globalen Verzahnung verschiedener Interessen basiert.

Raum- und Videoinstallationen, Fotografie, Zeichnungen, Infografiken und Filme in The Oil Show zeigen, welchen Preis wir durch die Verdrängung der unangenehmen Tatsachen, auf denen die jahrhundertelange Hegemonie des Westens gründet, zu zahlen bereit sind; mit dem Ziel, uns in Sicherheit zu wiegen, dass Konsum und eine entfesselte Marktwirtschaft – angetrieben durch nicht erneuerbare, fossile Rohstoffe – ein sich selbst stabilisierendes Modell für die Ewigkeit seien. Doch der Schein trügt, denn das Fördermaximum von Rohöl, in der Fachsprache "Peak Oil" genannt, wurde bereits um das Jahr 2006 herum überschritten. Trotz des Optimismus, den die PRAbteilungen der Hunderte von Milliarden Dollar schweren, globalen Ölkonzerne angesichts neuer, nun erschließbarer Ölfelder (z.B. in der Arktis) zu verbreiten versuchen, wird sich nichts an der Tatsache ändern, dass sich die Weltgemeinschaft mit den gravierenden Problemen eines stetig wachsenden Energie- und Rohstoffhungers auf der einen und immer knapper werdenden fossilen Ressourcen auf der anderen Seite auseinandersetzen muss. Mit großer künstlerischer Sensibilität stellen die Arbeiten in der Ausstellung The Oil Show jene Fragen, für die es in den meinungsbildenden Medien des Westens kaum Platz gibt.

Parallel zur Ausstellung im Dortmunder U wird der museale "White Cube" geöffnet: Bislang noch unbespielte Bereiche wie z.B. die Balkone in der Kunstvertikalen (Eingangshalle) und Außenbereiche des Dortmunder U werden für The Oil Show miteinbezogen. Das Künstlerduo UBERMORGEN.COM (AT/CH) ist bei Probebohrungen fündig geworden und wird auf der Brache einen Bohrturm installieren, der Dortmunder Öl bester Qualität fördern und zur Weiterverarbeitung per Pipeline ins „U“ leiten wird. Das Zentrum für Kunst und Kreativität wird so zu einer gigantischen Ölraffinerie.

Die Ausstellung The Oil Show wird kuratiert von Dr. Inke Arns, künstlerische Leiterin des Hartware MedienKunstVerein. Der HMKV wird gefördert durch das Kulturbüro der Stadt Dortmund, das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, die Sparkasse Dortmund und DSW21. The Oil Show wird präsentiert mit freundlicher Unterstützung der Botschaft des Königreichs der Niederlande und Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung. Außerdem wurde der HMKV 2011 für seine Arbeit mit dem JUMP Jahresförderpreis für Kunstvereine der Kunststiftung NRW ausgezeichnet.

Im Rahmen der Ausstellung finden Künstlergespräche, Workshops und Filmvorführungen statt.

Highlights der Ausstellung

Mit den Leerstellen, die nach dem Abwandern der Schwerindustrie aus hochentwickelten Ländern in andere, "rentablere" Weltgegenden entstehen, beschäftigen sich die Künstler Carl Michael von Hausswolff und Thomas Nordanstad (SE) in einer 3-Kanal-Video-Installation, bestehend aus den Filmen Hashima, Japan, 2002, Al Qasr, Bahriyah Oasis, Egypt, 2005 und Electra, Texas, 2008. Sie zeigen Geisterstädte des post-industriellen Zeitalters: Einst Symbole einer blühenden Industrie, erzählen sie von verlassenen Arealen, die – all ihrer Rohstoffe beraubt – nutzlos geworden sind und vom Fortschritt zurückgelassen wurden. Sie schlagen eine Brücke zu den Herausforderungen und Problemen, denen sich auch das Ruhrgebiet mit seinen "schrumpfenden Städten" im Zeitalter des Strukturwandels stellen muss.

Mit dem Mikrokosmos der Menschen, die durch ihre billige Arbeitskraft den stetigen Fluss des Öls sicherstellen bzw. Symbole des Reichtums durch Erdöl erbauen, beschäftigen sich die Künstler Ursula Biemann (CH) und Christian von Borries (DE). Während Biemann in ihrer Arbeit The Black Sea Files mit Hilfe von investigativen Recherchen die Lebenswelt der Menschen entlang der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline dokumentiert, zeigt von Borries in seinem Film The Dubai in Me die megalomanischen Bauprojekte am Persischen Golf, beispielhaft am künstlichen Inselarchipel The World, aus der Perspektive der Menschen, die auf diesen Baustellen arbeiten – buchstäblich von unten. Er setzt damit einen Kontrapunkt zur virtuellen Hochglanzästhetik, mit der diese Projekte üblicherweise in den Medien verkauft werden und für Erstaunen sorgen.

George Osodis (NG) Fotoserie Oil Rich Niger Delta dokumentiert das alltägliche Überleben der Menschen in den Regionen Nigerias, die von rücksichtsloser Ausbeutung der dortigen Ölvorkommen gezeichnet sind. Unternehmen wie Chevron, Shell oder Total agieren in Nigeria mit großer Selbstverständlichkeit als stärkste ökonomische Macht, die sich keinen Gesetzen beugen muss, sondern sie diktiert. Mit handwerklicher Meisterschaft zeigt Osodi Szenen, die den Widerspruch zwischen moralischem Anspruch und realem Geschäftsgebaren einiger der größten Unternehmenskonglomerate des Westens in einer entfesselten globalen Marktwirtschaft aufdecken. Er portraitiert die Bewohner des Nigerdeltas als Menschen, die sich trotz der fortschreitenden Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen ihre Würde und ihr Streben nach Unabhängigkeit bewahren.

Mit der metaphysischen Qualität des Öls als Idee und Projektion beschäftigt sich Mark Boulos (US) in seiner Videoinstallation All that is solid melts into air, benannt nach einem Zitat aus dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx. Boulos stellt in seiner Arbeit die beiden Endpunkte der Produktion bzw. Distribution von Öl als Ware in einem globalen Kreislauf gegenüber, indem er Szenen aus der Chicagoer Börse Szenen vom Kampf der Unabhängigkeitsbewegung Nigerias für eine Wiederherstellung der Umwelt und für eine Beteiligung der BürgerInnen Nigerias am Export ihrer Ressourcen gegenüberstellt.

Mit Arbeiten von: Ursula Biemann (CH) Christian von Borries (DE) Mark Boulos (US) Heath Bunting (UK) Bureau d’Etudes (FR) The Center for Land Use Interpretation (US) Chto Delat? (RU) Carl Michael von Hausswolff & Thomas Nordanstad (SE) Werner Herzog (DE) Mark Lombardi (US) Michael Mandiberg (US) George Osodi (NG) Natascha Sadr Haghighian (DE/IR) UBERMORGEN.COM (AT/CH) u.a.

Kuratiert von: Dr. Inke Arns