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Eröffnung: 20 November, 19.00 Uhr Performance: 20 November, 20.00 Uhr Zeichnen üben von Warren Neidich

Als Manifestation der künstlerischen Produktion, welche die Logik der dominanten Verteilung des Wahrnehmbaren dekonstruiert, setzt The Organism [1] das Potenzial des Kuratorischen frei, die institutionelle Kritik in ihrer Praxis zu leben. The Organism reflektiert nicht die vorhersagbaren Nischen, suspekten Grenzen, auch nicht die üblichen Verdächtigen. Es soll die existierende Hegemonie weder illustrieren noch reproduzieren.

Die Präsentation The Organism no 1: Nowhere [2] befasst sich vielmehr mit der Rolle, welche die Kunst bei der Vermittlung einer spezifischen Zeitlichkeit und damit verbundenen, neu auftretenden Komplexitäten im Kontext unserer globalen, aber nicht globalisierten Gesellschaft spielt. Die Präsentation schlägt eine ambivalente Perspektive des „nowherness“ vor – “nowhere=now+here” [3] – indem sie diese über ihre vier künstlerischen Positionen von einer angenommenen immaterialistischen Non-Location in die Galerie des Open Systems als spezifische Location übertragt. Sie agiert als ein Feld der Sichtbarkeit jener Kräfte, die in den meisten Fällen in der Position des nowhere (dt. „nirgendwo“ oder „jetzt und hier“) (Société Réaliste) verbleiben, was auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass sie in der „Bewusstlosigkeit” (der Immaterialität) der (Kunst)-Welt verharren: der Notwendigkeit, sich auf eine spezifische in-situ Produktion zu konzentrieren (Ramujkić/Kruglanski); der Reprä sentation der hermetischen Verfahren und Protokolle, deren Ergebnisse unverständlich und unsichtbar sind (Ilić); der Beziehung zwischen Neuroplastizität und Materialität (Neidich).

The Organism no 1: Nowhere ist der kuratorische Versuch einer institutionellen Kritik, welche diese besonderen Fragestellungen auf die gegenwärtige Krise in der Institution der Kunst bezieht. Davon abgesehen ist das Aufdecken ein Prozess des Entfaltens und produziert Wissen über die Fähigkeit, die kognitiven Rahmen durch die Mittel der manuellen Produktion zu verlassen. Die Ausstellung zielt darauf ab, bestehende Lücken zu überwinden, indem eine kognitive Infrastruktur thematisiert wird, die sowohl Repräsentation wie Kritik von immaterieller Arbeit darstellt.

Wie die meisten Beispiele institutioneller Kritik fällt The Organism in das eigene Paradox, indem es die Institution der Kunst mit der Temporalität und der Immaterialität ergänzt, die andernfalls unsichtbar oder unterrepräsentiert blieben.

[1] The Organism ist eine Reihe dreier kollektiver Ausstellungen, die in den nächsten Jahren gezeigt werden: no 1. Nowhere; no 2. Rerouted Viruses; und no 3. Rejuvenated Mt. Verità. [2] Während die Zahlen auf die „standardisierte Position des auf sich selbst bezogenen Kurators/in“ anspielen, evoziert The Organism indirekt die Geschichte des Kuratierens, insbesondere der Praxis von Clementine Deliss, die von dem Organ inspiriert war (siehe das Magazin On curating Nr. 14.) [3] Wir folgen hier einem Gedankengang, der William Morris’ utopischen Ideen aus dem Buch News from Nowhere ähnelt (dt. Ausgabe: Kunde von Nirgendwo).

KünstlerInneninfo:

Siniša Ilić Prekär, Serie von Zeichnungen an der Wand, 2011-2012

Prekär ist eine Serie von Arbeiten, die sich vorrangig mit den sozialen und wirtschaftlichen Systemen unserer Alltagstätigkeiten beschäftigen: eine konfuse Erzählung, eine Spirale unterschiedlicher sozialer Rituale, Probleme bei den Darstellungen von Katastrophen, versteckter oder offener Druck und Ausbeutung, eine unsichtbare Politik, die im Durcheinander und Chaos der täglichen Routine und Überlebensstrategien verloren ist … bei näherem Hinsehen geht es um eine unerträgliche Struktur von Hindernissen, Forderungen und Standards, die das charakterisieren, was auf den ersten Blick als chaotischer Raum erscheint und sich später als die äußerst strenge und exklusive Atmosphäre des Spätkapitalismus erweist. Diese Atmosphäre wird als der einzige Weg präsentiert, wie ein Überleben in der zeitgenössischen Gesellschaft möglich ist.

Vahida Ramujkić und Aviv Kruglanski Realtime Documentary Embroidery (ausgewählte Arbeiten), Stickerei, 2008-fortlaufend

Inmitten der wachsenden Expansion digitaler Medien und Kommunikationstechnologien halten wir die Stickerei für die adäquateste Technik, mit der sich Realität dokumentieren lässt. Ohne Skizzen und vorherige Planung stellt die dokumentarische Stickerei eine Herausforderung im Bereich des Zeichnens dar (bez novog paragrafa). Verschiedene Einschränkungen sind uns durch die Technik auferlegt: die Langsamkeit, mit der eine Linie konstruiert wird, ein Stich auf einmal, zwingt uns dazu, uns einzuschränken und zu abstrahieren, wodurch unsere Wahlmöglichkeiten eingegrenzt werden. So befassen wir uns genau mit der wichtigsten Sache, die wir darstellen, und wählen sie aus. Die Langsamkeit des Vorgangs sehen wir als Vorteil, denn so können wir einige Zeit zusammen verbringen, in der die Ereignisse, die Objekt unseres Interesses sind, ablaufen. Zusammen erfahren wir eine alte/neue Weise des Beobachtens und des Interagierens. Die Documentary Embroidery wurde seit 2008 bei unterschiedlichen Gelegenheiten immer mit einer Gruppe von Menschen gefördert und praktiziert, in den Bars, Straßen und Büros von Kairo, Bristol, Belgrad, Warschau, Lodz, Kassel und in den Vororten von Barcelona …

Warren Neidich Zeichnen üben, Performance, 2012

„Das Diagramm ist zwar ein Chaos, aber auch der Keim von Ordnung und Rhythmus… Wie (Francis) Bacon sagt, es enthüllt Schichten der Sensation” - „Francis Bacon“, Logik der Sensation, Gilles Deleuze

Im Rahmen seines Aufenthaltes am IASPIS (The International Artists Studio Program) in Stockholm 2009 konstruierte Neidich in seinem Atelier ein Wanddiagramm mit Lackstiften, Grafitstiften und Filzstiften. Die Zeichnung schlängelte sich über die Decke und den Boden und stellte seinen augenblicklichen Denkzustand hinsichtlich der Verbindung zwischen Kulturellem und Kognitivem Kapitalismus dar. Insbesondere, wie im Zeitalter der immateriellen Arbeit und der Finanzialisierung von Kapital eine intime Beziehung zwischen den sich verändernden Bedingungen der allgemeinen Intelligenz und der Geist-Gehirn-Schnittstelle entstehe. Dass er zu einer neuen Form des Materialismus aufruft, in dem performative, virtuose Aspekte von Arbeit die Bedingungen für das Formen der neuralen Plastizität des Gehirns schaffen. Jene Zeichnung wurde zur Kulisse einer Reihe blind ausgeführter, performativer Aktionen/Vorträge, in denen die Inhalte der Zeichnung, die als Gedächtnis-Netzwerke im Gehirn replizie rt waren, vor einem Live Publikum im Open Systems als Teil der Ausstellung rezitiert wurden … Neidich hat die Originalzeichnung in einer umgestalteten, ortsspezifischen Form neu konfiguriert. Er hat die Zeichnung außerdem mit neuen Forschungsergebnissen ergänzt und wird sie noch einmal mit verbundenen Augen vorführen.

Société Réaliste Nirgendwo, Inschrift, 2010

Im Zentrum ihrer Praxis stehen die strukturellen und spektralen Untersuchungen oder die kritische Neuzusammenstellung futurologischer Fossilien. Ihre verschiedenen Kunstwerke (Karten, ein Ensemble von Zeichen oder Installationen) könnte videoneuronale Sporogenesis auslösen, aber auch in den Bereich unterschiedlicher Interpretationen sozialer Signifikanten verweisen. So reimt sich hier zum Beispiel Now! Here! [Jetzt! Hier!] mit „nowhere" [Nirgendwo], welches eine Referenz auf die „Utopie" ist, was die offensichtliche Verwirrung zwischen dem Griechischen für „kein Ort” und „guter Ort” in Erinnerung ruft: „Utopie” ist eine Zusammensetzung der Silbe ou-, was „no” oder „nein“ bedeutet, und topos, was „Ort“ heißt. Aber auch die homophone Vorsilbe eu-, also „gut”, klingt im Wort mit, mit der Implikation, dass der perfekte „gute Ort” tatsächlich „kein Ort“ sei.

Unterstützt von: BM:UKK ERSTE Foundation MA 7 - Interkulturelle und Internationale Aktivitäten Ministry of Culture, Media and Information Society - Republic of Serbia

In Zusammenarbeit mit der VIENNA ART WEEK

Über uns: Geöffnet Freitag, Samstag 13.00 - 18.30 Uhr und an den übrigen Wochentagen nur nach Vereinbarung. Freier Eintritt

Open Systems Zentrum für Kunstprojekte Lassingleithnerplatz 2 A – 1020 Wien Österreich (+43) 699 115 286 32

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The Organism no 1
Kurator: Maja Ciric

Künstler: Sinisa Ilic, Warren Neidich, Vahida Ramujkic & Aviv Kruglanski, Société Réaliste