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Ab 22. November 2006 präsentiert Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Skulpturen, Objekte und skulpturale Installationen aus der Sammlung von: AI WeiWei, Davide BALULA, Fiona BANNER, Monica BONVICINI, CHEN Qiulin, Ingar DRAGSET & Michael ELMGREEN, Isa GENZKEN, Jeppe HEIN, Jim LAMBIE, Sarah LUCAS, Jan MANCUSKA, Olaf NICOLAI, Jorge PARDO, Gerwald ROCKENSCHAUB, Eva ROTHSCHILD, Rachel SELEKMAN, Andreas SIEKMANN, Do-Ho SUH, Heimo ZOBERNIG

Skulptur, Objekt und skulpturale Installation werden im Rahmen der Ausstellung THIS IS NOT FOR YOU. Diskurse der Skulptur als autonome Formen der zeitgenössischen künstlerischen Praxis ausdifferenziert. Skulptur im Kontext gegenwärtiger Ästhetik ist ein radikal expansiver Begriff, der die komplexe Verschränktheit von Objekt, Bild, Text, Rezeption und Kontext sowie die Notwendigkeit einer begrifflichen und theoretischen Verortung von aktuellen Praktiken voraussetzt. In diesem Zusammenhang versteht sich Skulptur als Modell für die ästhetische Produktion der Wirklichkeit beispielsweise in ihrem Übergang zu Architektur und Design aber auch als Modell zur Untersuchung und Befragung ästhetischer Produktion an sich.

Mit Referenz auf kritische Raum- und Objektexperimente, welche die Institutionen der Kunst revolutionierten und sprengten, und auf die wiederum in der Institution angesiedelten Ansätze der Kontextkunst und Institutionskritik der 1980er und 1990er Jahre zeigen die in der Ausstellung vertretenen Arbeiten ein weites Feld konzeptueller Praktiken. Die Auseinandersetzung mit der Skulptur als Gesamtkörper, die in ihrer Dreidimensionalität Raum, Zeit, institutionellen und sozialen Kontext analysiert und verhandelt, dient dabei als Ausgangspunkt.

Die Ausstellung, die ausgewählte Arbeiten aus der T-B A21 Sammlung erstmals der Öffentlichkeit zeigt, präsentiert keine bestimmte Ästhetik. Vielmehr ist es die Vielfalt der skulpturalen Möglichkeiten, die unter dem Aspekt des erweiterten Handlungs- und Denkraumes beleuchtet werden und die Skulptur, trotz ihrer Gegenständlichkeit, primär als diskursiven Akt innerhalb eines sozialen, politischen, ökonomischen und ästhetischen Feldes begreift.

Arbeiten in der Ausstellung (Auswahl)

Ingar Dragset & Michael Elmgreen übertragen Räume und Objekte in neue narrative Bedeutungszusammenhänge und schaffen Möglichkeiten für Neu- und Umdeutungen, indem sie den Alltagsobjekten und -räumen zugrunde liegende Mechanismen ideologischer Kontrolle freilegen. In Social Mobility verschmilzt die skulpturale Installation zu der inszenierten Kulisse einer Psychoarchitektur, welche die Ausweglosigkeit aktueller Gesellschaftssysteme widerspiegelt.

Jim Lambie bedient sich der Mittel der Entfremdung und Aneignung. Mittels farbiger Bodenarbeiten ordnet er den Galerieraum dem Zweck der Präsentation unter, passt ihn der Verhandlungspraxis seiner Skulpturen an und negiert dabei seine Funktion als identitätsbegründender Raumkörper.

Gerwald Rockenschaub überzeichnet die postminimalistische Situationsästhetik, indem er Fragen nach dem Werk und seinem Vollzugsrahmen, nach Organisation von Oberfläche, Visualität und Materialität verräumlicht und durch die betrachtergebundene Funktionalität als Erfahrungsoberfläche situiert.

Aus der Verbindung von Skulptur, Architektur und kinetischer Technologie schafft Jeppe Hein interaktive Arbeiten, die den Blick des Betrachters und dessen räumliches Verhalten konditionieren. Reflecting Object - eine mechanisch gelenkte Metallkugel - leitet den Blick in alle Richtungen und wird durch die konstante, scheinbar zufällige und antriebslose Bewegung der Kugel zusätzlich destabilisiert.

In ihrer Leuchtskulptur NOTFORYOU verweist Monica Bonvicini auf Prozesse des Ausschlusses und der Segregation mittels Sprache sowie auf sprachlich geregelte Machtstrukturen, welche territoriale Zugänge und Aufenthaltsrechte regulieren.

In Killer Without A Cause unterwirft der Bildhauer Jan Mancuska das dominante Bildregime des projizierten Bildes der filmeigenen Apparatur - in Form von zwei 35mm Projektoren - und priorisiert das Element der Sprache als narratives Mittel. In dem Masse, in dem der Hintergrund (Projektor und Ton) ins Zentrum rückt, schwindet das bewegte Bild als Inhaltsträger.

Chen Qiulin, eine junge Künstlerin aus der Volksrepublik China, thematisiert die Katastrophe des Drei-Schluchten-Dammes durch die "Rettung" eines Frisör- und Massageladens aus ihrem Heimatdorf. Allein durch die örtliche und kontextuelle (und kommentarlose) Verschiebung beleuchtet Migration - Peach Flower Orchard / Color Lines die stille Ohnmacht angesichts totalitärer Entscheidungsgewalt. Ein silberner, 8qm großer Teppich aus Paillettenstoff mit dem Titel Lenin 8 qm demarkiert jenen Lebensraum, den Wladimir Iljitsch Lenin jedem Sowjetbürger als Wohnfläche zuerkannte.

Olaf Nicolais Arbeit figuriert jene Ambivalenz zwischen materialistischen, gesellschaftsutopischen, realpolitischen und konsumistischen Definitionen, die dem Begriff des "Lebensraumes" innewohnen.

Bei Ai WeiWei Colored Vases ist der Akt des détournement provokativ und sinnstiftend zugleich: Archäologische Gefäße bilden abstrakte Oberflächen, die nicht narrativ eingesetzt werden, ebenso wenig wie die Materialien und die Farben, die seine Skulpturen überziehen.

Do-Ho Suhs Small Gate greift das Thema der architektonischen Repräsentation erneut auf, wobei er diese mittels transparenter Textilgebilde in eine traumähnliche Realität versetzt, die versucht Erinnerung in den Raum der Gegenwart einzufügen.

Die Möbel/Objekte von Heimo Zobernig befinden sich im experimentellen Spannungsfeld zwischen Ausstellungssituationen und Gebrauchsobjekten; der Gebrauch im Kunstraum definiert das Kunstwerk als solches.

Jorge Pardo führt funktionale Designobjekte in den Kontext der zeitgenössischen Kunst ein, wobei auf Gewohnheiten, Bedürfnisse und Notwendigkeiten seines Umfeldes Bezug genommen wird, mit dem Resultat, dass seine Arbeiten nicht mehr als Kunstwerke in Erscheinung treten und dennoch in sich selbst als solche existieren.

Isa Genzken schafft mit empire vampire III eine bizarre Szenerie, die dem Betrachter auf einem Sockel in Augenhöhe präsentiert wird, an der vor allem die kühle Genauigkeit irritiert, mit der trotz aller Gegenständlichkeit nichts erzählt wird. Die Ästhetik des Alltäglichen bestimmt nicht nur die Wahl und Kombination primär nicht-künstlerischer Materialien wie Kunststoffe, Spiegel, Regenschirme, Plastikpuppen und -tiere, sondern auch die anti-monumentalistische Form der Verarbeitung.

Fiona Banners Parade versteht sich primär als kühle typologische Erfassung sämtlicher im Einsatz befindlicher US Militärflugzeuge und stellt die ambivalente Rezeption von Kriegsberichterstattung sowie die parallel dazu verlaufende Fetischisierung von "Kriegsspielzeug" zur Disposition.

2002 realisierte Andreas Siekmann auf dem Place Royal in Brüssel ein Karussell, das sich um das Reiterdenkmal von Gottfried von Bouillon drehte. Auf großen roten Buchstaben am Dach des Karussells wurde die Existenz einer vierten Gewalt, der "Exklusiven" angekündigt, welche die drei bekannten Gewalten Legislative, Judikative und Exekutive ergänzt. Das Modell Die Exklusive - Zur Politik des ausgeschlossenen Vierten steht auf dem Plattenteller eines Schallplattenspielers und ist bevölkert mit Figuren, die aus entrechteten Zonen stammen und einer vierten Gewalt unterworfen sind - der Exklusiven, die sich durch Macht und Geld konstituiert.

Sexuelle Konnotationen sowie gestische und semantische Anspielungen kennzeichnen die Objekte von Sarah Lucas, Eva Rothschild und Rachel Selekman: Lucas´ schlaffe Bunny-Figur, die hauptsächlich aus Unterkörper und Beinen besteht und lediglich mit einem Paar grüner Nylonstrümpfe bekleidet ist, hinterfragt stereotype Darstellungen von weiblicher Sexualität. Die Erforschung von Material und Form in Verbindung mit Ideen von Fruchtbarkeit und Sexualität kennzeichnen die skulpturale Sprache von Selekman: Für Golden Jewelled Spray verwendet sie einen Gießkannenkopf, dessen Funktion Wachstum und Erzeugung assoziiert, eine Bedeutung, die durch das phallische Motive noch erweitert wird. Rothschild schafft konzeptuelle Kunst mit Objekten, die ihrerseits bereits mit Konzepten und Konnotationen beladen sind - eine Kunst, die Wahrnehmung und die Art der Wahrnehmung gleichermaßen in Frage stellen. Der Titel Good Relations rückt die Skulptur, die aus lose herabfallenden schwarzen Lederbändern besteht, in einen gänzlich anderen Kontext.

Pressetext

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THIS IS NOT FOR YOU
Diskurse der Skulptur

mit Ai Weiwei, Fiona Banner, Monica Bonvicini, Chen Qiulin, Do-Ho Suh, Michael Elmgreen & Ingar Dragset, Isa Genzken, Jeppe Hein, Jim Lambie, Sarah Lucas, Jan Mancuska, Olaf Nicolai, Jorge Pardo, Gerwald Rockenschaub, Eva Rothschild, Rachel Selekman, Andreas Siekmann, Heimo Zobernig