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Vernissage: 17. März 2017 // 19:00-22:00 Uhr

KARLYN DE JONGH | Künstlerin – Kuratorin – Akteurin

Karlyn De Jongh, 1980 in den Niederlanden geboren, studierte zwischen 1998 und 2007 in den Niederlanden und den USA Kunst, Philosophie und Kunstgeschichte. Sie ist Verfasserin zahlreicher Artikel und Rezensionen zur Gegenwartskunst. Zwischen 2007 und 2016 war sie Mitveranstalterin von Kunstsymposien (mit Klaus Honnef) und organisierte als Kuratorin internationale Kunstprojekte in Italien, Österreich, den USA, Japan und den Niederlanden. Im Rahmen der Venedig-Biennalen 2011, 2013 und 2015 realisierte sie im Palazzo Bembo und im European Cultural Centre die Ausstellung „Personal Structures“, was ihr als Kuratorin Renommee auf internationaler Ebene einbrachte – zumal zu den Ausstellungen Weltstars der Gegenwartskunst geladen waren, wie beispielsweise Marina Abramovic, Heinz Mack, Yoko Ono, Otto Piene oder On Kawara. Als Akteurin arbeitete Karlyn De Jongh unter anderem mit Arnulf Rainer, Heinz Mack, Ben Vautier und Herman de Vries zusammen.

2010 war sie an einer Aktion des Wiener Aktionisten Hermann Nitsch („Orgien, Mysterien, Theater“) beteiligt.
Immer war Karlyn De Jongh auch selbst künstlerisch tätig. Bei ihrer Biografie verwundert es allerdings kaum, dass sich in der Malerei, der 2014 von Venedig nach Berlin umgezogenen Künstlerin, alles um das Thema Kommunikation dreht. In ihrer aktuellen Ausstellung in der Galerie Köppe Contemporary zeigt Karlyn De Jongh eine Auswahl jüngst entstandener Gemälde und Papierarbeiten. Darüber hinaus dokumentiert sie über einen Dialog unter anderem mit Werken von Arnulf Rainer, Heinz Mack und Hermann Nitsch ihre kuratorischen und aktionistischen Ambitionen.

Es gibt zwei Fixpunkte in der Malerei von Karlyn De Jongh. Das sind zum einen die Schrift und das Wort, zum anderen ist es die Farbe. In den Gemälden der Künstlerin ist zumeist eine Farbe vorherrschend oder es finden sich Farbnuancen bzw. die Abstufungen einer speziellen Farbe. Daher erinnert das von Farbe, Licht und Struktur bestimmte Malkonzept von Karlyn De Jongh auch auf den ersten Blick stilistisch an die Monochrome Malerei. De Jonghs zumeist kraftvoll abgestimmte Farbpalette konzentriert sich auf die Grundfarben Blau, Rot und Gelb. Eingebrachte Formen, Muster, Wörter und Schriftzüge herrschen neben linearen und auch gitter- bzw. schlaufenartigen Konstruktionen vor. Manchmal geben solche Figurationen den Leinwänden auch eine haptische Nuance.

Worte – gesprochen oder geschrieben – sind Instrumente. Worte können beschädigen und zerstören oder Ängste und Bedrohungen hervorrufen.
Worte können aber auch beruhigen, trösten und heilen. Worte können lügen, Wut und Aggression ebenso transportieren wie Aufrichtigkeit, Wärme und Zuneigung. Sprache verfügt über eine eigene Vitalität, eine besondere Rhythmik und eine individuelle Nuance.

Karlyn De Jongh verbindet das Nachdenken über Kultur und Kommunikation mit einer Malerei, die an Palimpsest-Strukturen erinnert. Der Begriff Palimpsest stammt aus der Handschriftenkunde und bezieht sich auf ältere Informationsträger, beispielsweise handgeschriebene Schriften auf einem alten Dokument, die durch jüngere Informationen überformt wurden und dadurch verschlüsselt wirken bzw. in ihrer Komplexität nicht mehr erkennbar sind.

Zu ihrer Spezialisierung auf Schriftbilder schreibt De Jongh: „Künstlerisch beschäftige ich mich im weitesten Sinne mit zwischenmenschlicher Kommunikation, das heißt mit Sprache und Schrift. Meine Arbeit entsteht durch eine Art von manifestierter Selbstkonversation. Während des Malaktes sind die Gedanken und Worte und ihre Umsetzung eins.“

Durch das Einbringen von mit Bedeutung geladenen Wörtern und Texturen ist das Werk von Karlyn De Jongh in besonderer Weise charakterisiert.
Wörter werden in der Kunst von Karlyn De Jongh zu malerischen Konfigurationen. Die ins Bild eingebrachten handschriftlichen Wörter und Sätze wirken wie aus einem Gedanken heraus aktionistisch und in aller Eile – manchmal vielleicht sogar mit Wut und Vehemenz – aufgetragen. Diese expressive Vorgehensweise steigert die Dynamik der Malerei von Karlyn De Jongh und aktiviert die Leinwände zu atmosphärisch aufgeladenen Energiefeldern.

Manche Texturen oder Wortbildungen sind lesbar, andere scheinen wie in die Farbmaterie eingesunken. Manche Konfigurationen verweigern sich ganz der Lesbarkeit oder sie lassen sich nicht vollständig erfassen – sie wahren ihr Rätsel. Somit tritt in den Werken von Karlyn De Jongh ein psychologischer Impetus zutrage, bzw. eine höchst moderne kollektive Erfahrung: Die Wahrnehmung der Welt gelingt uns immer nur bruchstückhaft.
Alles gerät schnell in Distanz. Wir erinnern uns selbst an das, was gerade war, oft nur vage. Unser Denken ist vom Vergessen gekennzeichnet.

André Lindhorst, Galerie Köppe Contemporary 2016