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Eröffnung: Freitag, 29. Juni um 20 Uhr

Eines der wenigen Gebiete, in denen die Fotografie als Mittlerin des Realen sich nicht hat durchsetzen können, ist der Bereich der Fibel und des Kinderbilderbuchs. Deutlich macht das „The First Picture Book“, das Edward Steichen 1930 zusammen mit seiner Tochter schuf und das zu den ersten Exemplaren dieser raren Gattung gehört. Seine vierundzwanzig Gegenstandsdarstellungen aus dem Alltag eines Kleinkindes setzen, ohne die üblichen Wort- und Buchstabenkombinationen, allein auf die Prägekraft der Fotografie. Wir sehen etwa Aufnahmen von Puppe und Teddybär, Zahnbürste und Kamm, von Dreirad und Kinderbett oder auch von der Uhr. So pragmatisch und alle Kindertümelei ausschließend Steichens Aufnahmen erscheinen, so behutsam sie alle jener Schärfen v ermeiden, die damals die Fotografie des Funktionalismus und der Neuen Sachlichkeit prägten - ihre Sujets bringen sie dem Welterkundungsblick des Kindes dennoch nicht näher, weil das Distanzmedium Fotografie dessen haptisches Bedürfnis enttäuschen muss. Fotografische Registraturen, wie die Bilder aus dem Kinderbuch der Steichens, mögen etwas für Erwachsene und Jugendliche sein, die Memory-geschult keine Schwierigkeiten haben, zumindest oberflächlich die Nomenklatur der Dinge zu kennen.

Den Gegenstandsprotokollen Edward Steichens eng verwandt sind auch die aktuellen Fotografien von Thomas Hauser. Seine Sujets sind, wie dessen Deutbilder, dem Wohnumfeld entnommen. Was sie unter dem Titel ITEMS in Hausers zweiter Einzelausstellung bei Laura Mars zeigen, das sind etwa: Kleiderbügel und Bügeleisen, Stiefel, Handschuhe und Luftballons... . Wie bei den Universaliensammlungen des Fotografen Hans-Peter Feldmann, könnte man annehmen, dass es auch hier, um jene Verklärung des Gewöhnlichen geht, die Robert Danto als eine der stärksten Triebkräfte beschreibt, die von den Collagen und Readymades der klassischen Moderne über die Popart bis in die Kunst der Gegenwart wirksam ist. Auch Hauser ist von ihr geprägt. Sein Weg führt aber nicht vom Allgemeinen ins Besondere. Er bleibt im Grenzbereich zwischen beiden. Die Abbildungen seiner Alltagsobjekte stellt er weder in den Dienst des Stillebens, noch in den des Sammelsuriums, bei dem der Künstler sich als Ordnungskraft empfiehlt. Seine ITEMS sind Schaustücke, die die Prüfung des Registrators bestanden haben, und nun Gegenstände seiner Regieanweisungen geworden sind. Ob es der schwarze Stiefel ist, die engen lasziven Lederhandschuhe, oder die schwarzen Ballons, die auch aufgeblasene Kondome sein könnten, - Hauser setzt sie ein, um mit den Automatismen zu spielen, die unsere sexualisierte Phantasie prägen. Dennoch bleibt dies Spiel diskret. Seine Erzählweise ist die Andeutung: Sähe man statt dieser Alltagsgegenstände, die der Betrachter nach Spuren untergründiger Obsessionen absucht, dagegen Bilder der Latex- und Lederartikel aus der Fetischhöhle von Mister B. (Berlin Schöneberg, Motzstraße), wäre das nichts als eine banale Verdoppelung des Augenreizes. Hausers Methode bedient sich des Unscheinbaren, das den Betrachter darüber im Ungewissen lässt, ob diese Bescheidenheit nicht nur Maskerade ist. Verstärkt wird dieser Verdacht noch durch Platzierungen, die manche seiner Motive in einen klaustrophobischen Kontext bringen. Beispielsweise in den Bildern der Ballons, die am Boden einer Wandecke liegen, oder an ihr hochgestapelt sind: da fungieren die Ballons nicht nur als Körper, die den Lauf der Fluchtlinien unterbrechen und den Raum beleben. Die Senkrechte der Wandecke wird hier auch zum zwingenden Maß, dem sie sich fügen müssen. Was daran erinnert, dass hierzulande aufsässige Schüler immer noch von ihren Lehrern in eine Ecke des Klassenzimmers beordert werden, wo sie mit dem Gesicht zur Wand Buße tun sollen. Aber das ist eine andere Geschichte.

A.S. 2007