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Die Galerie loop – raum für aktuelle kunst zeigt neue Arbeiten der jungen Künstlerin Tian Tian Wang, die 1980 in Qingdao, China geboren wurde. Die Malerin lebt seit vier Jahren in Berlin und studierte Malerei an der Städelschule in Frankfurt bei Hermann Nitsch und Christa Näher. Ihre malerische Position ist seit der Teilnahme an der 53. Venedig Biennale, 2009 (Making Worlds, Arsenale) einem sehr großen Publikum bekannt.

Tian Tian Wangs Malerei besticht durch die Kombination scheinbar alltäglicher Motive, in denen eine Rätselhaftigkeit und Verfremdung liegt – wie beispielsweise brennende, qualmende, fensterlose Häuser oder geografisch unbestimmbare Landschaften mit Bergen, Vulkanen und Architekturfragmenten. Die menschenleeren weißen Hintergründe wirken bühnenhaft, so dass Tian Tian Wangs dynamische und zugleich fragile Malerei zugleich Poesie und Brisanz entfaltet. Die Galerie loop – raum für aktuelle kunst zeigt zum ersten Mal eine Kombination von Zeichnungen und Leinwandbildern Tian Tian Wangs, die hauptsächlich in diesem Jahr entstanden sind.

Bilder aus Fernsehnachrichten, dem Internet und Filmen prägen heute unser Bildgedächtnis, so dass wir kaum noch unterscheiden können, ob Erinnerungsbilder Bilder tatsächlicher Ereignisse oder medial vorgeführte oder fotografierte sind. Tian Tian Wang begegnet dieser Mehr- und Doppeldeutigkeit des Sehens mit ihrer geistig offenen und unbefangen wirkenden Malerei. Ihre Arbeiten hinterfragen unsere Sehgewohnheiten und Bezeichnungen, die wir von Motiven und Bildern haben. Sehen wir wirklich immer nur schon das, was wir kennen? Die Ausstellung Common Interest bietet ein diskursives Potenzial, sich mit diesen Fragen über Sehgewohnheiten, geprägten Vorstellungen und Bezeichnungskategorien auseinanderzusetzen.

Möglicherweise ähnelt das Bild eines entwurzelten Baumes einem medialen Bild. Das Gemälde gleicht dann jenen medial geprägten Bildern, deren Kontexte in unserem Gedächtnis unlängst von Untertiteln gelöst existieren. Flutkatastrophe oder Klimawandel wären beispielsweise Stichwörter, Bezeichnungen, Kategorien für den entwurzelten Baum – oder wir sehen das Bild des im Wasser treibenden Baumes als ein Abbild einer intakten und idealisierten Natur. Tian Tian Wangs malerische Position hält all diese Zuweisungen und (Bild-)Vorstellungen in der Ausführung und Wahl des Motivs genau in der Schwebe. Der weiße und menschenleere Bildhintergrund, in den viele ihrer Gemälde und Zeichnungen laufen, verweist zudem auf ein Phänomen unserer Zeit – ein Bewusstsein darüber, dass allgemeingültige Kontexte fehlen. Auf der anderen Seite verweisen Tian Tian Wangs Arbeiten gerade durch das Fehlen von spezifischen Kontexten auf eine von Bedeutungen losgelöste Malerei, die auf diese Weise eine Brisanz und Poetik entwickelt.

Ob menschenleere landschaftliche Szenerien, Architekturteile, von Menschen oder von Naturgewalten aufgeworfene Schichtungen, Hüllen, Rauchschwaden, Schatten und Ebenen – all dies sind Motive, die ein Index für Ereignisse unserer Zeit sein können und zugleich bestehen Ähnlichkeiten mit kunsthistorischen Sujets. Tian Tian Wang verbindet auch hier Bereiche – den einer zeitgenössischen, kritischen Reflexion mit dem von vorhandenen Ikonografien. Die Deutungsmöglichkeiten bleiben immer vielfältig, weil Tian Tian Wang ihre Malerei als Zeichen von Möglichkeiten definiert. In dieser Offenheit und in ihrer malerischen Formulierung lassen sich Poetik, Humor und eine Transzendenz aufspüren. Ein Beispiel hierfür ist das Gemälde (hidden (3), 2011) mit einer horizontal verlaufenden blauen Fläche. Diese endet in einem faltigen Aufwurf und darin oder darunter lugt eine braunfarbige, architektonische Schichtung auf – das Motiv entzieht sich jeder Zuordnung oder Festlegung. Trotz Vorstellungen und Bezeichnungen wie Landschaft, Vorhang, Plane oder Tuch bleibt die längliche, blaue Fläche mit ihrem Inneren geheimnisvoll und nicht fassbar. Dabei halten die malerische Formulierung und die Komposition die Doppeldeutigkeiten aufrecht. Genau diese changierende Vielfalt und Feinheit im Sujet und in der malerischen Formulierung zeichnet die Position der jungen Malerin aus. Die Möglichkeiten der Bedeutungen sind dabei immer ein Charakteristikum für die Ambiguität unserer Zeit.

(Autorin Birgit Szepanski)