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TIMM ULRICHS. VORSPIEL – NACHSPIEL

13. März – 16. Mai 2021
Eröffnung der Wechselausstellung: 12. März, 14 – 20 Uhr

Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie-Bestimmungen ist eine Anmeldung für ein Zeitfenster erforderlich unter: https://calendly.com/sammlungphilara/zeitfenstertickets

Anlässlich seines 80. Geburtstags am 31. März 2020 zeigt die Sammlung Philara mit einer coronabedingten Verspätung die retrospektiv angelegte Ausstellung Vorspiel – Nachspiel von Timm Ulrichs.

Timm Ulrichs ist Autodidakt, Sprachfetischist, Leser und humorvoller Provokateur. In seinen gattungsübergreifenden Konzeptrealisierungen stellt er sich und seine menschliche Konstitution immer wieder als Material zur Verfügung und postuliert die Vereinbarkeit von Kunst und Leben. Sprache ist dabei häufig sein grundlegendes gestalterisches Mittel; seine Werke spielen mit verbalen Konzepten, Tautologien, Paradoxien und vielfältigen Bedeutungen.

Wie kaum ein anderer Künstler kanalisiert Timm Ulrichs existenzielle Gefühle und thematisiert den dem Leben innewohnenden Verfall sowie die Inszenierungsformen des Gedenkens und des Sich-Produzierens. Aus der Logik des Lebens heraus denkt er seinen eigenen Tod als gestalterischen Pol mit. Das ist nicht narzisstisch, sondern ungemein konsequent; geht es dabei auch darum, die Regie über sein eigenes Leben zu führen. Legendär ist eine, Ende der 1970er-Jahre erdachte und am 16.5.1981 ausgeführte, Aktion, in der er auf sein rechtes Augenlid die Worte „THE END“ tätowieren ließ.

Ich-Sein ist die Prämisse jeder Betrachtung, und natürlich greift die Frage was post-priori geschieht, auch in die Gegenwartsbetrachtung und -gestaltung ein. Unter diesem Parameter untersucht Timm Ulrichs wieder- kehrend die Welt durch die Anwesenheit und Abwesenheit seines Lebens. Die 100-teilige Serie Versteinerte Texte und Bilder, die seit Mitte der 1980er Jahre nicht mehr öffentlich ausgestellt wurde, zeigt Grabsteine in Form eines Buches, aufgenommen auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise. Darunter auch ein von Ulrichs selbst gestalteter Stein mit der Inschrift: „Denken Sie immer daran, mich zu vergessen. Timm Ulrichs!“

„Ein Leben für die Kunst: das kann dann nur bedeuten ein Leben, um sich auf den Tod vorzubereiten, ihn zu gestalten, zu inszenieren, als Höhe- und Kulminationspunkt [...]“ (Timm Ulrichs)

Die Gestaltung von Erinnerungsobjekten und die Organisation des Gedenkens, die Timm Ulrichs immer auch an sein persönliches Ableben knüpft, bilden wiederkehrende Motive in seinem Oeuvre. Anwesend abwesend das Leben nach dem Tode im Leben vor dem Tode (1971) verbindet eine Totenmaske, geformt nach dem Antlitz Ulrichs, mit einem Buchtresor. In Meta-Atem verschwindet Ulrichs Gesicht hinter einer Glasscheibe, die durch die Exspiration seines Atems beschlägt und die Durchsicht verhindert – er verschwindet durch seine Lebendigkeit. Bereits 1992 installiert Ulrichs in der Nekropole Kassel sein Grabmal mit dem Titel Timm Ulrichs: auf der Unterseite der Erdoberfläche (Kopfstehendes Hohlkörper-Denkmal II) (1972/80/90). Es ist ein kopfüber in den Boden versenkter und ausgehöhlter Körperabguss Ulrichs, der seine Asche aufnehmen soll. Sichtbar vom anderen Ende, oberhalb der Erdoberfläche, sind lediglich seine Fußabdrücke.

Ausgangspunkt der in der Sammlung Philara präsentierten Werke ist das Spiel mit der Präsenz und dem Prozess des Verschwindens, den Ulrichs auch unter ökonomischen Faktoren betrachtet. In Werken wie Walter Benjamin: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (1967) und Geld/Wechsel/Geld: Ein Umlauf durch zwanzig Währungen (oder: Das aktualisierte Märchen von Hans im Glück) (1968/78) fragt er nach den Mechanismen der Werterzeugung und Wertminderung durch den Vorgang der Auflösung und richtet den Fokus auf Bedingungen des Materialismus. In der hundertfachen Kopie der Kopie verfällt nicht nur visuell die von Benjamin formulierte „Aura“ durch die Reproduktion des Ausgangsbildes, viel mehr demonstriert Ulrichs den Qualitätsverlust durch den technischen Vorgang des Kopierens.

Timm Ulrichs wurde letztes Jahr von der Akademie der Künste mit dem Käthe-Kollwitz-Preis an herausragende Künstlerinnen und Künstler gewürdigt. Neben der Sammlung Philara sind Werke von Timm Ulrichs in folgenden Museen vertreten: Centre Pompidou, Paris; ZKM, Karlsruhe; Neue Nationalgalerie, Berlin; Sprengel Museum, Hannover; Museum Abteiberg, Mönchengladbach; Museum Ludwig, Köln; Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk etc.

Die Sammlung Philara
Mit der öffentlich zugänglichen Sammlung Philara hat der Kunstsammler Gil Bronner im Düsseldorfer Stadtteil Flingern ein besonderes kulturelles Angebot für Düsseldorf und die Region geschaffen. Die sich ständig erweiternde Sammlung zeitgenössischer Kunst umfasst aktuell ca. 1.600 Kunstwerke verschiedener Gattungen wie Malerei, Bildhauerei, Installation, Fotografie, Video und Werke auf Papier. Allein- stellungsmerkmal der Sammlung Philara ist die gleichwertige Gegenüberstellung von lokalem Nachwuchs und etablierten, international agierenden Künstlerinnen. Umgeben von den Galerien, aus denen Bronner über zwei Jahrzehnte hinweg seine Sammlung im Wesentlichen aufgebaut hat, ist der in einem Hinterhof versteckte Ausstellungsort zurückhaltend in die urbane Struktur integriert, ohne von außen seine enorme Größe von 1.700 qm Ausstellungsfläche preiszugeben. Die Mehrheit der Räume mit einer beachtlichen Raumhöhe von bis zu neun Metern sind der heterogenen und einmal jährlich rotierenden Präsentation der Sammlung ON DISPLAY gewidmet sowie eine über 500 qm große Skulpturenterrasse auf dem Dach der einstigen Industriebrache. Neben teilweise eigens für den Ort konstruierten Räumen und Installationen einzelner Künstlerinnen, werden auf einer separaten Fläche bis zu vier Wechselausstellungen pro Jahr gezeigt. Über diese Ausstellungs- aktivitäten hinaus, finden in der Sammlung regelmäßig interdisziplinäre Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen und Vorträge statt. An die Sammlung Philara ist das Glas Lennarz angegliedert, das tagsüber von der Bäckerei Bulle als Bistro und abends als Weinbar von Vyno betrieben wird.

Künstler*innen der aktuellen Sammlungspräsentation
On Display IV
Nevin Aladağ, Miroslaw Balka, Yael Bartana, Jorge Méndez Blake, Andrea Bowers, Candice Breitz, Anja Ciupka, Natalie Czech, Marcel van Eeden, Jonah Freeman und Justin Lowe, Nicolás Guagnini, Erika Hock, Sven Johne, Thomas Kiesewetter, Sarah Kürten, Christian Marclay, Kris Martin, Matt Mullican, Olaf Metzel, Jens Pecho, Laure Prouvost, Edi Rama, Tobias Rehberger, David Renggli, Leunora Salihu, Andreas Schmitten, Juergen Staack, Studio For Propositional Cinema, Nora Turato, Moritz Wegwerth, Pae White, Johannes Wohnseifer, etc.

Erweiterte Öffnungszeiten während der Pandemie
DO 14-18 Uhr
FR 14-20 Uhr
SA 14-18 Uhr
SO 14-18 Uhr

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www.philara.de