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Mitten im Zweiten Weltkrieg, 1941, gründete Würzburg seine Städtische Galerie als Sammlung „mainfränkischer Kunst“ des 19. und 20. Jahrhunderts. Ihr Direktor, der Künstler und Kunstlehrer Heiner Dikreiter, erwarb besonders in den ersten Jahren viele zeitgenössische Arbeiten. Fast 100 Werke sind Ankäufe des Würzburger Oberbürgermeisters Theo Memmel aus den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ im „Haus der Deutschen Kunst“ in München. Damit kaufte die Stadt Würzburg mehr als alle anderen deutschen Städte auf den wichtigsten nationalsozialistischen Kunstschauen. Auch nach 1945 kamen immer wieder Kunstwerke aus der NS-Zeit durch Schenkungen, Nachlässe oder Ankäufe in den Besitz der Städtischen Galerie Würzburg.

Das Museum im Kulturspeicher Würzburg besitzt heute rund 1300 Kunstwerke aus der Zeit des Nationalsozialismus. Viele Genre-Gemälde, Porträtbüsten oder Landschaftszeichnungen stehen in der Tradition der akademischen Kunst des 19. Jahrhunderts. Andere Kunstwerke vermitteln offen nationalsozialistische Propaganda. Die Würzburger Sammlung zeigt die Bandbreite an Stilen, Arbeitsweisen und künstlerischen Auffassungen, die zwischen 1933 und 1945 möglich war.

Zwischen November 2011 und August 2012 wurden alle Kunstwerke aus der NS-Zeit wissenschaftlich bearbeitet und ihre kunstwissenschaftlichen und historischen Zusammenhänge erforscht. Mit dem Projekt „Tradition & Propaganda“ stellen sich nun die Stadt Würzburg und das Museum im Kulturspeicher diesem Teil ihrer Geschichte: mit einer kritisch-wissenschaftlichen Untersuchung der Kunstwerke, einer großen Sonderausstellung, einem Vortragsprogramm und einem Vermittlungsangebot für unterschiedliche Zielgruppen sowie einem umfangreichen Begleitbuch.

Die Ausstellung zeigt eine für den Gesamtbestand repräsentative Auswahl mit rund 90 Werken von 60 Künstlerinnen und Künstlern. Viele dieser Werke werden zum ersten Mal nach 1945 wieder ausgestellt. Zu sehen sind Kunstwerke, die offen oder unterschwellig nationalsozialistische Propaganda vermitteln, wie die Zeichnungen des politischen Karikaturisten Otto Flechtner oder die „Bauernbilder“ Ferdinand Spiegels, aber auch „Menschen-Bilder“ der Zeit und Ansichten von „Mainfranken“. Arbeiten von Emy Roeder, Erich Heckel und Willi Baumeister repräsentieren den kleinen Bestand verfemter Kunst. Historische Dokumente aus dem Museumsarchiv, dem Haus der Kunst in München und dem Institut für Hochschulkunde in Würzburg verdeutlichen die Zusammenhänge mit der Stadtgeschichte und dem nationalsozialistischen Kulturleben.

Die Ausstellung zeigt in ihrer bewusst klaren und „modernen“ Ausstellungsgestaltung die Geschichte(n) hinter der Würzburger Sammlung und den Kunstwerken. Wie kamen die Gemälde, Skulpturen oder Grafiken in die Sammlung? Von wem stammen sie? Welche Themen greifen sie auf? Unter welchen Bedingungen sind sie entstanden? Ein „Museumsarbeitsplatz” und „Themenboxen“ laden zum eigenen Forschen ein. Vorträge, Workshops und Führungen für jugendliche und erwachsene Besucherinnen und Besucher begleiten die Ausstellung.

„Tradition & Propaganda“ ist Teil des „Dialogs Erinnerungskultur“ der Stadt Würzburg (Kulturreferat und Fachbereich Kultur). Zur Ausstellung erscheint außerdem ein ausführliches Begleitbuch, das die Befunde der Würzburger „Bestandsaufnahme“ dokumentiert und die Zusammenhänge der Sammlungsgeschichte sowie der regionalen und überregionalen (Kunst-)Geschichte zeigt.

Dr. Bettina Keß Kuratorin der Ausstellung

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Tradition & Propaganda
Eine Bestandsaufnahme
Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Städtischen Sammlung Würzburg

Künstler: Emy Roeder, Erich Heckel, Willi Baumeister ...