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TRANSAVANGUARDIA RELOADED
17. November 2022 - 28. Januar 2023

Vor gut 40 Jahren begann der weltweit beachtete Erfolg der italienischen Transavanguardia Künstler. Angeführt durch den agilen Kunsthistoriker und Ausstellungsmacher Achille Bonito Oliva bewirkten die jungen Italiener einen Paradigmenwechsel in der internationalen Kunstszene.

Ein Phänomen, das wir aus der Kunstgeschichte kennen – von der Renaissance zum Manierismus und Barock oder vom Klassizismus zur Romantik. Vorherrschend war in den 1970er Jahren die asketisch coole, oft kopflastige Kargheit von Minimal- und Concept Art, begleitet von der Arte Povera in Italien.
Die Malerei war wieder einmal für tot erklärt worden und die Kunstwahrnehmung auf intellektuelle Diät gesetzt. Aus dieser „Mangellage“ entstand ein Hunger nach sinnlich erfassbaren Bildern, der vor allem durch die Werke der Transavanguardia gestillt wurde. Stichworte sind Individualität, Emotion, Expressivität, Figuration, Poesie, Phantasie, Farbigkeit und nicht zuletzt der vorher gebrochene Bezug zur Kunstgeschichte und Mythologie.

Der internationale Durchbruch begann 1980 mit einer Gruppenausstellung in der Kunsthalle Basel, die vom Folkwang Museum in Essen und dem Stedelijk Museum in Amsterdam übernommen wurde. Die damals führenden Galerien in Europa und USA bemühten sich mit allen Mitteln, die Künslter zu vertreten und auszustellen. Sie wurden wie Stars behandelt. So lud ein Galerist aus Zürich Chia, Cucchi und Clemente nach New York ein, um sie von Andy Warhol porträtieren zu lassen. Er schenkte ihnen nicht nur die Bilder, sondern jedem auch einen Mercedes. Den überaus erfolgreichen Galerieausstellungen folgten in kurzer Zeit zahlreiche Museumsausstellungen in den internationalen großen Häusern. Enzo Cucchi stellte allein bis 1986 unter anderem in den Museen von Zürich, Basel, Madrid, Bordeaux, Amsterdam, Humblebaek, Oslo, Düsseldorf, München und Hamburg aus, gefolgt vom Centre Pompidou in Paris und dem Guggenheim Museum in New York. Hinzu kamen documenta und Biennale Venedig-Beteiligungen und die maßstabsetzenden Ausstellungen „Zeitgeist“ (Berlin), „New Spirit in Printing“ (London) und „Skulptur im 20. Jahrhundert“ (Basel).
Unsere Galerie war von Beginn an ein Zentrum vor allem für die Künstler Enzo Cucchi und Mimmo Paladino mit vielen Ausstellungen, Publikationen und grafischen Editionen (auch von Francesco Clemente und Sandro Chia). Über viele Jahre konnten wir zahlreiche Museumsausstellungen in führenden deutschen und internationalen Museen initiieren und begleiten.

Die Entwicklungsgeschichte unserer beiden Hauptprotagonisten verlief höchst unterschiedlich. Bei Cucchi wurden die riesigen Bildformate des Frühwerks deutlich verringert und nach einer Schwarz-Weiß-Phase wieder farbiger. Neben einigen monumentalen Zeichnungen dominierten immer die kleinen, höchst verdichteten Blätter auf unprätentiösen, gerissenen und „armen“ Papieren. Er schuf in diesem Medium einen eigenen, schwer interpretierbaren Kosmos, der durch eine Mischung von klaren Zeichen, aber auch manieristischen Ansätzen geprägt war.
Von allen Künstlern der Transavanguardia hat sich Mimmo Paladino am meisten kontinuierlich weiterentwickelt. Sein Spektrum reicht über Malerei, Skulptur, Zeichnung und Grafiken hinaus bis zu autonomen begleitenden Beiträgen zu Werken der Weltliteratur, zu innovativen architektonischen Gestaltungen und Filmen von überzeugender künstlerischer Qualität.

Für beide gilt das Statement von Hans Ulrich Obrist „Malerei ist im Wesentlichen ein Verfahren gegen das Vergessen.“ Das ist nicht regressiv gemeint, sondern der beispielhafte Versuch einer Kontinuität, zu existentiellen Fragen in der menschlichen Entwicklung eine zeitgemäße adäquate Antwort zu finden.

Mit unserer Ausstellung möchten wir der Transavanguardia mit großformatigen Bildern, Skulpturen und grafischen Arbeiten der 1980er und 1990er Jahre eine Plattform bieten, die ihrer Bedeutung gerecht wird. Als ergänzenden parallelen Ausstellungsort stellt uns die engagierte Braun-Falco Galerie dankenswerterweise ihre Räume zur Verfügung.
Bernd Klüser