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Diese Auswahl von Filmen, das Konzert und der Vortrag sollen einer Anamnese im diplomatischen Geiste dienen. Dem Ende des Ukraine-Krieges müssen alle Anstrengungen der Kultur gelten. In diesem Sinne hat das ZKM mehrere ukrainisch und russische Künstler|innen als Stipendiateninnen nach Karlsruhe eingeladen und wird Ihnen neben dem Stipendium auch Wohnraum zur Verfügung stellen.

29. und 30. März 2022
jeweils ab 18.00 Uhr
Eintritt frei / Keine Anmeldung erforderlich / Begrenztes Platzangebot

Tribute to Odessa
Ein Beitrag zur Anamnese des Ukraine-Krieges

Filme, Konzert und Vortrag
Kuratiert von Peter Weibel

Ärztinnen können eine Krankheit beklagen, verurteilen, dagegen protestieren und mit den Patient:innen Empathie empfinden und ihre Solidarität ausdrücken. Aber gleichzeitig werden sie auch diagnostizieren müssen: Was ist die Ursache dieser Krankheit? Sie führen Anamnesen durch, um Krankheiten heilen zu können. Die Aufgabe der Anamnese kann vielleicht auch die Kunst übernehmen, der bekanntlich eine therapeutische Funktion zugetraut wird.

Nach all den Kriegen, Okkupationen und Volksaufständen nach 1945 in Europa (Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1989, Jugoslawien 1991–2001) herrscht nun wieder Krieg in der Ukraine. Die Welt scheint sich in eine einzige »Refugee Republic« (so Medienkünstler Ingo Günther, 1993) zu verwandeln und die viel zitierte Aussage, dass die Politik trennt und die Kunst verbindet, scheint ebenfalls passend zu sein.
Deswegen nähert sich das ZKM dem Krieg in der Ukraine über den Weg der Kunst, die Medienkunst, den Film und die Musik.

Das Programm:

Dienstag, den 29. März 2022
ZKM Medientheater
Ab 18.00 Uhr

Sergei Eisenstein: »Panzerkreuzer Potemkin«, 1925
Sequenz: Potemkinsche Treppe, Odessa, ca. 5 Minuten

»Panzerkreuzer Potemkin« ist ein Stummfilm von Sergei Eisenstein und für viele der beste Film der Filmgeschichte. Dieser Film ist eine Dramatisierung der Meuterei der Besatzung des Panzerkreuzers Potemkin gegen ihre Offiziere im Jahre 1905. Im Akt 4 »Die Treppe von Odessa« kommt die berühmte Szene vor, in der die Kosaken des Zaren die zivile Bevölkerung auf den Stufen der Potemkinschen Treppe in Odessa mit Gewehren und Bajonetten niedermetzeln.

Zbigniew Rybczynski: »Steps«, 1987
24 Minuten

Der polnische Avantgardefilmregisseur Zbigniew Rybczynski konfrontiert in seinem Film »Steps« eine voyeuristische Gruppe amerikanischer Touristen mit Szenen dieses Filmklassikers. Der Reiseführer sagt am Ende des Films: »We are living on the edge of time.« Wer hätte gedacht, dass diese Zeile noch einmal so aktuell sein wird?

Brian de Palma: »The Untouchables – Die Unbestechlichen«, 1987
Treppensequenz im Bahnhof, ca. 10 Minuten

Im Film »The Untouchables – die Unbestechlichen« von Brian de Palma nach einem Drehbuch des berühmten Autors und Filmregisseurs David Mamet, kommt ebenfalls eine Paraphrase von Eisensteins Filmklassiker vor. Die Treppenszene von Odessa wird allerdings in einen Bahnhof von Chicago verlegt, in dem es zu einer Schießerei zwischen Polizei und Gangstern kommt.

Dziga Vertov: »Enthusiasmus. Die Donbass-Symphonie«, 1930
(restaurierte Version 1972)
65 Minuten

Dziga Vertov gilt als der bedeutendste Dokumentarfilmregisseur des 20. Jahrhunderts Zu Ehren Vertovs gründete Jean-Luc Godard für seine dokumentarischen und politischen Arbeiten gemeinsam mit Jean-Pierre Gorin die Groupe Dziga Vertov.

Sergei Loznitsa: »Donbass«, 2018
121 Minuten

Der Spielfilm »Donbass« von Sergei Loznitsa wurde in Cannes in der Selektion »un certain regard« mit »Best Director« ausgezeichnet. Der Film besteht aus 13 Episoden aus dem Zeitraum 2014 bis 2015, die auf realen Ereignissen basieren. Sie zeigen eine Welt, verloren in falschen Identitäten und im Zeitalter der Post-Wahrheit, in der bewaffnete Konflikte und Überfälle, Groteskes und Drama in einem hybriden Krieg stattfinden.

Mittwoch, den 30. März 2022
ZKM Medientheater und ZKM Kubus
Ab 18.00 Uhr

Videovortrag von Prof. John J. Mearsheimer, The University of Chicago: »UnCommon Core: The Causes and Consequences of the Ukraine Crisis«, 2015
ca. 45 Minuten
ZKM Medientheater

Prof. John J. Mearsheimer von der University of Chicago erstellt in seinem Vortrag eine Anamnese der Ukraine-Krise mit der Prophezeiung, dass es einen Krieg geben wird, wenn die Ursachen der Krise nicht einvernehmlich gelöst werden. Diplomatisches Verhalten will die Verhandelnden nicht erpressen, sondern die Absichten und die Wünsche aller Beteiligten erkennen bzw. anerkennen. Die Diplomatie sucht mit einem Kompromiss eine sogenannte Win-win-Situation für alle Beteiligten, um einen Konflikt bzw. einen Krieg zu beenden oder zu vermeiden.

Anne-Laure Bonnel: »Donbass«, 2016
ca. 54 Minuten
ZKM Medientheater

Eine Filmdokumentation der französischen Journalistin und Filmregisseurin Anne-Laure Bonnel über die Zustände in der Donbass-Region.

30 Minuten Pause

20:15 Uhr
Konzert mit der Pianistin Kateryna Ziabliuk
ca. 90 Minuten
ZKM Kubus

Die ukrainische Pianistin und Komponistin Kateryna Ziabliuk bringt uns die Kultur der Ukraine auf musikalische Weise nahe. Bei den Werken handelt es sich, sofern nicht anders angegeben, um Kompositionen von Kateryna Ziabliuk selbst.
- »Prologue«
- »Burn Platanus«
- »Kryvy Tanec« (Kateryna Ziabliuk, ukrainisches Volkslied)
- »Life of a Heron«
- »Piper’s Melody« (Kateryna Ziabliuk, ukrainisches Volkslied)
- »Misiatsiu Kniaziu« (Mykola Lysenko, arrangiert von Kateryna Ziabliuk)
- »Widow’s Fate« (Kateryna Ziabliuk, ukrainischesVolkslied)
- »Ya Ptychka Nevelychka« (ukrainisches Volkslied)

Oleh Senzow: »Nashorn (Rhino)«, 2021
101 Minuten
ZKM Medientheater

Der Film »Nashorn (Rhino)« des ukrainischen Regisseurs Oleh Senzow spielt in den 1990er Jahren in der Ukraine und handelt von einem Banditen mit dem Spitznamen Rhinozeros in einer Verbrecherwelt. Die Produktion wurde 2014 eingestellt, nachdem Senzow von russischen Strafverfolgungsbeamten auf der Krim verhaftet wurde. Nach seiner Befreiung 2019 wurden die Arbeiten am Film fortgesetzt, der 2021 bei den Filmfestspielen von Venedig uraufgeführt wurde.

Diese Auswahl von Filmen, das Konzert und der Vortrag sollen einer Anamnese im diplomatischen Geiste dienen. Dem Ende des Ukraine-Krieges müssen alle Anstrengungen der Kultur gelten. In diesem Sinne hat das ZKM mehrere ukrainisch und russische Künstler|innen als Stipendiateninnen nach Karlsruhe eingeladen und wird Ihnen neben dem Stipendium auch Wohnraum zur Verfügung stellen.