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Die regelmäßige Arbeit in einer Bildagentur (ullstein bild) und die damit verbundene Beschäftigung mit historischen Presse- und Archivfotos ist für die Berliner Künstlerin Ulrike Kuschel der Ausgangspunkt für eine tiefergehende Analyse von insgesamt 60 beispielhaft ausgewählten Fotografien geworden, die sie von Januar bis Juni 2005 bearbeitet hat. Der große Bestand des Archivs an Bildern aus der Zeit des Nationalsozialismus sowie die verstärkte Nachfrage im Vorfeld der Feierlichkeiten zu 60 Jahren Kriegsende führten in ihrer Auswahl zu einem Schwerpunkt in der Fotografie der dreißiger und vierziger Jahre. Daneben wurden allerdings auch Fotos zu anderen Themen bearbeitet, wie etwa zu den amerikanischen Sezessionskriegen, den Weltfestspielen der Jugend und Studenten oder Fotos der Schauspielerin Tilla Durieux.

In ihren Beschreibungen, die primär durch eigene Betrachtung und Recherche, aber auch durch Informationen aus den jeweiligen Archivierungen – der Bildbeschreibung in Form eines Zitates vorangestellt – gespeist werden, nähert sie sich dem Gegenstand mit einem scheinbar wissenschaftlichen Anspruch. Hierauf deuten die präzisen Datumsangaben und die Ausführlichkeit der Deskription. Gleichzeitig sind die Texte – unter persönlichem Vorzeichen – aus der Perspektive des Ich-Erzählers (der Künstlerin) formuliert, neben historischen Fakten fließen auch Vermutungen und freie Interpretationen in die Bildbeschreibungen ein.

Den Texten ist jeweils ein Foto zugeordnet. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um das beschriebene Bild, sondern um ein von der Künstlerin erworbenes “Äquivalent“ (darunter Pressefotos, private Aufnahmen oder Postkarten), das in dem einen oder anderen Aspekt mit dem ursprünglichen Archivfoto übereinstimmt, es jedoch nicht explizit illustriert. Durch die leichten (zuweilen auch bedeutenderen) inhaltlichen Differenzen von Text zu Bild entstehen Irritationen und Bedeutungsverschiebungen auf der Seite des Betrachters, der so zum genaueren Hinsehen gezwungen wird. So ist der Beschreibung eines Fotos, das führende nationalsozialistische Politiker und Militärs auf der Anklagebank während der Nürnberger Prozesse zeigt, eine Gruppenaufnahme von deutschen Kriegsgefangenen Ostern 1946 zugeordnet. Die sich zum Arbeitsdienst meldende arbeitslose Verkäuferin (Fotografie von Otto Umbehr, 1933) wird durch eine Gänse fütternde Magd (Postkarte nach einem Foto von Hans Retzlaff "Arbeitsmaiden am Werk", 1940) vertreten.

Auf eine leicht zu entschlüsselnde, nicht selten auch tendenziöse Bildlegende folgt in Ulrike Kuschels „Bildbeschreibungen I“ ein Text, der sich dem schnellen Konsum der Bilder entgegenstellt. Die Bildbeschreibungen werden in der Rezeption überlagert, beziehungsweise ergänzt von Erinnerungsbildern des Betrachters sowie dem zugeordneten Äquivalentfoto. Diese Form erlaubt, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit, das Interesse an historischen Ereignissen mit der Geschichte des privaten Lebens und losen Assoziationen zu verknüpfen. Zugleich erschließt die Arbeit die vielfältigen Möglichkeiten des Umgangs mit fotografischen Bildern, vom zweckorientierten Gebrauch bis zur konzeptuellen künstlerischen Auseinandersetzung.

Die Fortsetzung des Projekts, “Bildbeschreibungen II“, wird ab dem 9. März 2006 in der Ausstellung "Von der Abwesenheit des Lagers" im Kunsthaus Dresden zu sehen sein.

Für weitere Informationen oder Bildmaterial wenden Sie sich bitte an die Galerie.

Pressetext

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Ulrike Kuschel. Bildbeschreibungen I