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THE BEST OF ALL POSSIBLE WORLDS / Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben
Eröffnung: Sa, 20.5.2017 | 20 Uhr

THE BEST OF ALL POSSIBLE WORLDS heißt die 2017er-ACC-Soloshow der Weimarer Künstlerin Ulrike Theusner. Gottfried Wilhelm Leibniz‘ (1646-1716) These von der „Besten aller möglichen Welten“ steht als Behauptung im Raum und lädt zum Fragen und Nachdenken über die Bedingungen unseres Zusammenlebens ein. Leben wir wirklich in der „besten“ aller möglichen Welten? Und was heißt „möglich“? Was fehlt, wenn alles bestens ist? Kommen wir ohne Utopien aus – politische, soziale, ökonomische oder ökologische? Und was macht die beste aller möglichen Welten mit unserem Selbstverständnis? Gibt es ästhetische Rezepte für ein besseres Leben – für ein besseres Ich?

"(N)icht der derzeitige Zustand der Welt ist der bestmögliche, sondern die Welt mit ihrem Entwicklungspotential ist die beste aller möglichen Welten", so Leibniz. Gemäß der Maxime der Aufklärung - Sapere Aude - folgert er: Jeder Mensch besitzt Fähigkeiten zur vernünftigen Lebensführung. Die ausgewählten Arbeiten zeigen jenes Potenzial auf, das oft ungenutzt bleibt. Sie sind einerseits ein Abbild des "Jetzt" und speisen sich aus alltäglichen Beobachtungen und Erfahrungen ("New York Diaries", "Tent Cities", "Tryptamine Palace") setzen sich, angelehnt an kunsthistorische Themen, mit der Fülle an Möglichkeiten auseinander, die ungenutzt bleiben ("A Rake´s Progress", "Land of Plenty"), beleuchten gesellschaftliche Utopien (politisch - "Sanatorium" und metaphysisch - "Wecome to Paradise") und befassen sich mit fragmentarischen Entwürfen und Behausunsgskonzepten ("Fragment einer Stadt, "Konstruktion"). Die Arbeiten, oft als Serien angelegt, stammen aus den Jahren 2013 - 2016 und beinhalten verschiedene Medien: über Zeichnung, Druckgraphik, Fotografie, skulpturaler Installationen bis hin zur Sound-Installation.

„Ulrike Theusner besitzt eine ungewöhnliche Begabung für die Kunst des Zeichnens. Die Fähigkeit einer starken zeichnerischen Auffassungsgabe ist in ihren Arbeiten gekoppelt mit einer ebenso starken Einbildungsgabe.“ (Kai-Uwe Schierz). So changieren ihre Arbeiten zwischen abstrakten träumerisch-surrealistischen Farben- und Formenkonstellationen und figürlichen Ansichten, die die Grenzen zwischen Dimensionen verwischen. Das Hier und Jetzt wird zum Morgen, das Jenseitige zum Diesseitigen – Leibniz‘ Einheit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fortgedacht in eine noch nicht vorbestimmte Menschheitsgeschichte. „Wer nicht träumt, hat auch nicht den Mut zu kämpfen.“ (Che Guevara) Einen Mut, wie er in der heutigen Utopielosigkeit und von Angst getriebenen Gesellschaft mehr denn je von Nöten ist.

„Der Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in sich und sich nur in ihr gewahr wird“, schrieb Goethe in einem Aufsatz von 1832. Es ist eins von zahlreichen weiteren Zitaten des Dichters, die im Rahmen der Sonderausstellung Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben – Ulrike Theusner zu J. W. von Goethe mit grafischen Werken (2009–2016) der Weimarer Künstlerin korrespondieren. Wechselseitig kommentieren Textfragmente aus Goethe'scher Feder und (teilweise kolorierte) Radierungen Theusners den Kunstmarkt und die Versuche junger Kunstschaffender, sich darin zu etablieren (oftmals unter Gefährdung der eigenen Existenz), aber auch das vorherrschende Kunstverständnis – damals wie heute – an sich.

Mit der Ausgestaltung der neu eröffneten Ausstellungsräume im zweiten Obergeschoss am Burgplatz 1 – das zweite Mal seit Gründung der ACC Galerie überhaupt – würdigt Ulrike Theusner Goethes außerordentliche Hingabe für Druckgrafiken auf besondere Weise: Goethe selbst bewohnte 1776/77 eben jene Räumlichkeiten, die nun, 240 Jahre nach seinem Auszug, erneut künstlerisch bespielt werden. Gefallen hätte der Autor des Romans „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (1795/96) – jenem entlehnt ist das für die Ausstellung titelgebende Zitat „Die Kunst ist lang, kurz das Leben“ – an der Neunutzung seiner ersten Weimarer Wohnung zweifellos: „Gott segne Kupfer, Druck und jedes andere vervielfältigende Mittel“, schrieb er am 3. Mai 1816 an seinen Freund, den Musiker Carl Friedrich Zelter, „so daß das Gute, was einmal da war, nicht wieder zu Grunde gehen kann.“