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1970 zeigt eine Photoarbeit Urs Lüthi weinend und mit melancholischem Blick, als schönen, androgynen jungen Mann mit Rollkragenpullover, Halstuch und im Sakko aus Schlangenlederimitat. Auf dem Bild steht „Lüthi weint auch für Sie“. Das bedeutete damals ein Tabubruch, eine Provokation und ein Skandal. Von diesem Bild schlägt die Ausstellung den Bogen zum heute 68-jährigen Lüthi, der 2003 in einem großformatigen Photo einen riesigen Stapel von Kunstbüchern trägt, in dem viele berühmte Künstler der Kunstgeschichte repräsentiert sind. Die Last ist schwer und der Künstler blickt aus seinem Bild heraus den Betrachter herausfordernd, verschmitzt, ironisch an. Und in einer Photographik für die Kunsthalle Göppingen blickt das mittlerweile runde, von Fliegen besetzte Gesicht wieder den Betrachter an. – das ist Urs Lüthi in der Rolle des Künstlers, die er zur Schau stellt, die in dem betrachtenden Gegenüber das Gefühl weckt, gemeint zu sein. Das Bild, der Künstler schaut zurück!

Urs Lüthi nimmt sich selbst in Rollen und Posen zum Gegenstand. Immer ist er selbst das Motiv, und die Bilder sind ein Spiel mit Rollen, die in den Haltungen, in der Verkleidung ihren Ausdruck und ihre Bedeutung finden. Pathos, mit dem Hang zur Groteske, Ironie, das Wechselspiel zwischen Tragödie und Komödie… - an dem Humor dieser Bilder kann man seine Freude haben. Und immer wieder schaut er den Betrachter an als wollte er fragen – machst du auch so eine Performance? Die performative Photographie zeigt Urs Lüthi als Jedermann, künstlerisch und wirklich, und jedermann kann sich selbst darin erkennen mit Humor, Ironie und einem Schuss Ernsthaftigkeit. Mal sehen, zu was der Betrachter fähig ist.

Die Ausstellung zeigt Urs Lüthi auch als Bildhauer. „Lost Direction“ kann man als Tanz sehen, als Taumeln, weil der Körper seine Richtung verloren hat oder nach mehreren Seiten zugleich sich bewegt. Als Künstler erhebt Urs Lüthi Gegenstände auf Sockel, die Bilder sind und an Bilder erinnern, an Gesten, an große Kunst und religiöse Bedeutung. Auf dem Sockel wird der Gegenstand erhaben und offenbart sich als das, was er ist.

Eine Serie von jüngst entstandenen Collagen gibt ein breites Spektrum, wie die Kunst des berühmten Künstlers sich selbst sieht, sich vermischt und Zusammenhänge aufzeigt, um sie zugleich merkwürdig zu vermengen. Und man folgt einer Entwicklung von der ironischen, kritisch ernsthaften oder grotesken Forderung nach Selbstoptimierung - „Art for a better Life“ - bis hin zu dem Anspruch: „Art is the better Life“. Und der Betrachter mag prüfen, ob dies sein kann, ob er mit der Poesie der Vergeblichkeit und des Clownesken mitgeht, die noch in den einfachsten Posen zu finden sind.

Der Schweizer Künstler Urs Lüthi stellt sich selbst auf die Bühne seiner Bilder. Und die verhandeln das Leben, Jedermann und seinen Alltag, den Künstler, unter der Hypothese: Art is the better Life!