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Der Ausstellungstitel ist eine Referenz an die Konzeptkunst der 1970er Jahre, an die "variable pieces" von Douglas Huebler, der 1971 in der Ausstellung "concepts situations" in der Galerie im Taxispalais vertreten war. Die Variabilität gehört zu den strukturellen Elementen, die die kontextbezogene Praxis der Konzeptkunst ganz allgemein kennzeichnen. Sie bildet auch eine thematische Klammer für die 27 künstlerischen Beiträge in der Ausstellung VARIABLE STÜCKE. Strukturen. Referenzen. Algorithmen.

Aus einer aktuellen Perspektive - aber rückverweisend auf die 1960er- und 70er Jahre - versammelt dieses Projekt Arbeiten aus den letzten vier Jahrzehnten: von frühen aus den 60er Jahren, wie jenen von Heinz Gappmayr, einem Konzeptkünstler der ersten Generation, bis zu aktuellen Arbeiten von jüngeren KünstlerInnen. In dem weiten Spektrum der konzeptuellen Kunst, das sich seit ihren Anfängen herausgebildet hat, gilt es Entwicklungsstränge und Querverbindungen zwischen Ideen, formalen Prinzipien und inhaltlichen Positionen sichtbar zu machen und zu zeigen, dass das konzeptuelle Denken die Kunst erobert und auf allen Ebenen durchdrungen hat.

Alle beteiligten KünstlerInnen haben einen unmittelbaren bzw. mittelbaren Bezug zu Tirol, wobei sich ein großer Teil von ihnen im internationalen Spitzenfeld der Kunst bewegt. Ohne eine Genealogie konstruieren zu wollen, soll der Bogen, der hier auf die Innsbrucker "Avantgarde-Situation" der siebziger Jahre zurückgespannt wird, den Blick schärfen für die differenzierten Ansätze im künstlerischen Denken und Arbeiten, für den Wandel, den neue mediale Technologien mit sich gebracht haben, und die hohe Qualität, die diese Arbeiten kennzeichnet.

Den hier vertretenen KünstlerInnen gemeinsam ist die formale Beschäftigung mit Modulen, Rastern und Mustern, bei der die Form auch spielerisch zur Formel werden kann und umgekehrt. Sie alle entwickeln ihre formalen Strukturen und Zeichensysteme im Zusammenhang mit unterschiedlichen Referenzen: Schrift und Sprache, Ornament, Architektur, Naturwissenschaft, urbane und gesellschaftliche Kontexte, und anderes, wobei die Rückbeziehung auf die jeweils spezifischen Bedingungen der Produktions- und Rezeptionsformen selbst eine wichtige Rolle spielt. Die künstlerische Produktion reflektiert damit ihre eigenen Mittel und Gesetzlichkeiten, sei es formaler, inhaltlicher oder institutioneller Art, und versteht die eigene Realität als auch Realität im abstrahierten Sinn als immer wieder anders konstruiertes, interaktives, performatives Szenario: Die Konstruktion der Realität schließt sich mit der Realität der Konstruktion kurz. Die Koppelung an naturwissenschaftliche Methoden bzw. die Hereinnahme von Dispositiven, wie z.B. der Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Optik, Sprachwissenschaft, Kybernetik oder Informatik leiteten eine Mutation der Kunst ein, die beginnend mit Strömungen der Moderne über konzeptuelle Positionen der 1950/60er Jahre bis hin zu einer kontextuellen und medialen Kunst reicht. Dieser Paradigmenwechsel, der hergebrachte Übereinkünfte über Bedeutungsgebung und gesellschaftliche Praxis aufkündigte, verlief nicht ohne Widerstände und die Ausstellung "situation concepts" löste damals einen kleinen "Kulturschock" aus.

Innsbruck war in diesen Jahren von einer sehr aktiven Kunstszene geprägt, zu der nicht nur KünstlerInnen gehörten, sondern auch ein bedeutendes diskursives und institutionelles Umfeld, das mit den Namen Peter Weiermair, Ursula Krinzinger, Oswald Oberhuber, Krista Hauser, Heidi Grundmann und anderen verbunden ist. Die Galerie im Taxispalais spielte dabei als Institution eine ebenso wichtige Rolle wie die Galerie Krinzinger und das Forum für aktuelle Kunst, in denen die internationale und österreichische Avantgarde der konzeptuellen Kunst gezeigt wurden. Drei Texte im Katalog nehmen direkt Bezug auf diese Zeit.

Das Produktive (und auch Provokante) an der konzeptuellen Kunst und den inhaltlichen Ansätzen und Formalisierungen, welche die KünstlerInnen bei der "Erforschung der Konstruktionsmodi von Wirklichkeiten" (S.J. Schmidt) entwickeln, besteht darin, dass sie sich zwar mit anderen Disziplinen verschränken, dass sie aber, eben auf Grund ihrer unorthodoxen Beziehungen zu diesen, zu völlig neuen, der Wissenschaft sich auf diese Weise nicht erschließenden Erkenntnissen, ästhetischen und sozialen und letztlich politisch wirksamen Praktiken, kommen. Pressetext