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Oft geht einer großen Vision eine kleine Verbesserung voraus. Nur vier Tage lang wehte die Flagge der Vereinigten Staaten von Brasilien im November 1889 müde am Mast – eine grün-gelbe Imitation der amerikanischen Stars and Stripes. Dann entwarf Raimundo Teixeira Mendes nach Aufzeichnungen von Auguste Comte eine Bessere: Seitdem schwebt quer über dem blauen Globus auf südlichem Sternenhimmel eine Banderole mit dem positivistischen Glaubensbekenntnis »Ordem e progresso « (Ordnung und Fortschritt). Eine Losung, die sich heute sicherlich noch einmal verbessern ließe.

Die Regenbogenfahne hingegen ist ein in der Geschichte oft variiertes Symbol für Vielfalt: Schon die Inkas haben sie benutzt, Regenbogenfarben symbolisieren das Jüdische Autonome Gebiet oder stehen für Toleranz und sexuelle Freiheit. Die Ausstellung “Verbesserung” zeigt gleich eine ganze Regenbogenmaschine samt Gemälde – die Spur einer Aktion, deren Farbe sich in die Wand gefressen hat. Die Kuratoren und Künstler vom Instituto Divorciado und Sex Tags haben für den Ausstellungsraum After the Butcher eine wahrhafte Wunderkammer zusammen gestellt, bei der die großen und kleinen Szenarien der Verbesserung aufeinander treffen: politische Utopien und ihre Katastrophen, Zeittunnel, Egg-zorzismen, Weltverbesserer und Heimwerker, Entfesselungskünstler und Entlauste, bessere Nazis, obszöne Kängurus und sich selbst lesende Bücher.

Die Idee der Verbesserung hat etwas Unverbesserliches an sich. Hinzu kommt, dass die Silbe “Ver-” im Deutschen, sobald man sie nur ausspricht, sofort das Gefühl eines Verlustes auslöst. Im Unterschied zum “Versagen”, “Verschwinden” oder gar der “Verzwei- flung”, verspricht die Verbesserung zwar Aufschwung, Fortschritt oder Veredelung, doch das “Ver-” verrät sich: Da lauert die Kleinlichkeit der Korrektur, der abgehalfterte Optimismus des Vorher-Nachher. Wo verbessert werden muss, da ist was nicht in Ordnung.

“Die Welt wird alt und wird wieder jung, doch der Mensch hofft immer Verbesserung”, schreibt Friedrich Schiller 1797. 2007 wird der Schimpanse Cheeta 75 Jahre alt und schlägt als ältester Menschenaffe alle Rekorde.

Mittlerweile haben es Menschen in Industrieländern, als die optimiertesten aller Affen, durch Verbesserungen in der Medizin auch auf eine durchschnittliche Lebenserwartung von 80 Jahren gebracht. In der Tat reicht das semantische Feld der Verbesserung vom zoologischen Qualitätsmanagement über Wünsche zur persönlichen Gesundheit bis hin zu sozialpolitischen oder gar planetarischen Belangen. Doch wie sieht es mit Verbesserungen in der Kunst aus?

Verbesserung in Bezug auf Kunst irritiert, weil sie eine Messbarkeit impliziert, die im hoffnungslos irrationalen Bereich der Ästhetik, der Kunstmärkte und ihrer Geschmacksurteile fehl am Platze zu sein scheint. Wer verbessert was, wozu und in welchem Sinne? Spätestens seit Hegels berühmter These vom Ende der Kunst könnte man behaupten, ist die Kunst von ihrer sakralen Mission, dem Fortschrittsglauben an eine höhere, allein künstlerisch darstellbare Wahrheit befreit und kann sich der “lebendigen Gegenwärtigkeit” widmen. Wenn Kunst nicht mehr als allgemeine ethische Instanz funktioniert – was ließe sich dann noch mit dem normativen Begriff der Verbesserung anfangen? Wenn überhaupt, wie könnte Kunst verbessern, ohne selbst der Rhetorik der Verbesserer anheimzufallen? Und wie würde verbesserte Kunst aussehen?

Das Instituto Divorciado (ID) sagt: “Bringt Eure Kunst und wir verbessern sie”. Ein pragmatisches Serviceangebot, das jede Metaphysik mit Füßen tritt und teilnehmende KünstlerInnen vom eigenen Werk und Ego zu befreien verspricht. Im April 2009 wird die Ausstellung “Wir verbessern ihre Arbeit” in der Galerie Sandra Buergel folgen. Dann wird ID in die Arbeiten der eingeladenen Künstler intervenieren.

Eine Art übergriffiges Kuratieren, bei dem nicht nur Autorenschaft, sondern der Maßstab für “gute” Kunst selbst auf dem Spiel steht. Also, her mit Eurer Kunst!

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Often a small improvement precedes a great vision. Only for four days tiredly flew the flag of the United States of Brasil at the mast in November 1889, a green and yellow imitation of the northern Stars and Stripes, until Raimundo Teixeira Mendes designed a better one, after sketches by Auguste Comte. Since then a banderole with the positivistic credo “order and progress” is floating across the blue globe before the southern starry sky. A slogan that today could be easily improved. The rainbow flag however is an often varied symbol for diversity: Already the Incas have used it, their colours symbolize the Jewish autonomous territory or stand for tolerance and sexual freedom. VERBESSERUNG shows even an entire rainbowmachine - the trace of an action which paint has etched into the wall.

Instituto Divorciado and Sex Tags have created a veritable Wunderkammer for their show at After the Butcher in which the big and small scenarios of improvement meet and collide: political utopias and their catastrophes, time tunnel, egg-sorcisms, do-gooders and DIYers, bondage and de-bondage artists, deloused guys, better Nazis, obscene kangaroos and self-reading books. There is something hopeless to the idea of improving... There lurks the pettiness of correction, the wrecked optimism of the before-after. Where you have to improve somthing is not alright.

“The world becomes old and young again, but man hopes are always bettering” in 1797 Friedrich Schiller wrote. In 2007, Cheeta the chimpanzee becomes 75 years old and beats all records as oldest great ape, meanwhile in the industrialized countries people have an average lifespan of 80 years thanks to improved medical health care. Indeed the semantic field of the bettering ranges from zoological quality management, via personal well-wishing, to social, political and even global issues. But how about improvements within the arts?

Improvement in relation to art is irritating because it implies a measurability that, within the irrational area of aesthetics, art markets and their verdicts of taste seems to be out of place. Who improves what, wherefore and in what sense? At the latest since Hegel’s famous thesis of the end of art we could argue that art is free from its sacred mission and its belief in an upper - only artisticly presentable - truth and can address itself to the “lively presence”.

If art does not function anymore as a general ethical authority instance - which could then be compared with the normative notion of improvement? If at all, how could art improve without getting trapped in the rhetoric of the conditioners? And how would improved art look like?

In April 2009 the exhibition “Wir verbessern ihr Kunstwerk” (“we improve your artwork”) will follow at Galerie Sandra Buergel. Then Instituto Divorciado will intervene in the works of the invited artists. Sort of an encroaching curatorial approach - not only authorship but the criteria for “good” art is at stake.

“Give us your art and we’ll improve it”. A pragmatical service that abolishes /spurns all metaphysics and promises to free the participating artists from their own work and ego. So forth with your art!

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VERBESSERUNG

Kuratoren und Künstler: SEX TAGS , INSTITUTO DIVORCIADO