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viennacontemporary 2019 / Gotovac, Tolj, Morbin & Zink
galerie michaela stock / Messestand G13
26.09.2019 – 29.09.2019

Vernissage: 26.09.2019

Narrative Kriegsgeschichten / stille Bilder des Krieges
Tomislav Gotovac, Giovanni Morbin, Slaven Tolj, Marko Zink

Die Vergangenheit ist nie tot.
Sie ist nicht einmal vergangen.
So wird die Vergangenheit allmählich zur Gegenwart...
Jean-Luc Godard, «Hélas pour moi – Weh mir» 1993

100 Millionen Menschen kamen im 20. Jahrhundert infolge von Krieg, Vertreibung und Genozid ums Leben. Der 2.Weltkrieg hat bereits innerjugoslawisch massive Gewalt generiert und Jugoslawien war nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 als Vielvölkerstaat neu gegründet worden. Nationalistische Strömungen führten nach dem Zusammenbruch des Sozialismus Ende der 80iger Jahre zum Jugoslawienkrieg und somit sind diese zwei Kriege tief miteinander verwoben.

Am Messestand der galerie michaela stock wird das Grauen dieser Kriege durch Performance, Video, Installation und Fotografie gezeigt. Die vier ausgestellten Künstler – Giovanni Morbin (Italien), Tomislav Gotovac (Kroatien), Slaven Tolj (Kroatien) und Marko Zink (Österreich) zeigen gesellschaftlich-politisch Verantwortung, für das was in ihrem Land passiert ist. Die aus unterschiedlichen Generationen stammenden Künstler teilen einen konzeptuellen, performativen Ansatz und haben sich auf ganz unterschiedlicher Weise mit dem Thema beschäftigt und hinterfragen aus den jeweiligen Perspektiven das Erinnern an den Krieg (Zweiter Weltkrieg und Balkankrieg). Doch das Erinnern allein reicht nicht aus, um die Auswirkungen der Vergangenheit sichtbar zu machen, es soll ein Warnsignal - wenn man an die populistischen Tendenzen in ganz Europa denk - für das Kommende sein.

Die Performancekünstler Morbin, Gotovac, Tolj und der Fotograf Zink zeigen keine ›Schockbilder‹. Die Kunstwerke handeln nicht von Verhungerten und Hingemetzelten und den brutalen Gräuel des Kriegs, sie zeigen auf den ersten Blick eine beinahe Unsichtbarkeit, eine subtile und leise, überlappende Erzählung der Kriegsgeschehnisse. Der Fokus der ausgestellten Kunstwerke liegt nicht auf dem eigentlichen Kampf und auch die geografische Zuordnung ist zeitweise schwer herauszufinden. Nachdenklich oder schockierend wird das Werk erst, wenn man den Kontext des Bildes kennt. Es zwingt den Betrachter sich als Teil dieser Welt zu sehen und seine eigene Historie zu hinterfragen.

Tomislav Gotovac wurde 1937 in Sombor geboren und verstarb 2010 in Zagreb. Tom Gotovac (aka Antonio Lauer) war ein kroatischer Filmregisseur, Konzept- und Performancekünstlers. 1967 realisierte er das erste Happening in Zagreb. Er war vor allem für seine politisch aufgeladenen Arbeiten bekannt, die sich dem kommunistischen Jugoslawien befassten. Ausgangspunkt seiner künstlerischen Arbeiten war immer das Aufdecken alltäglicher Lebensumstände, politischer Manipulationen sowie die Neuinterpretation historischer bzw. politischer Fakten. Das Zusammenspiel von Leben und Kunst spielt im Werk von Tomislav Gotovac eine bedeutende Rolle. Er arbeitete meist mit seinem Körper um Protest in radikalen, emanzipatorischen und anarchischen Ansätzen auszudrücken und stellte sich selbst in den Mittelpunkt. Während Osteuropa seiner politischen und künstlerischen Freiheiten entkleidet wurde, benutzte Gotovac seinen nackten Körper, und entkleidete sich wortwörtlich, um diese Freiheiten zu versinnbildlichen.

Der Performance und post-konzeptualistische Künstler Morbin Giovanni wurde 1956 in Valdagno geboren. Er arbeitet immer mit seinem Körper und schreckt auch nicht vor radikalen, destruktiven Performances zurück, um auf politische oder soziale Missstände aufmerksam zu machen. Seine antiquarischen oder gefundenen Objekte, wie Vintage Fotografien oder Bücher werden geschnitten oder bearbeitet - dabei wird immer wieder die Linie, die das faschistische Symbol verherrlicht, herausgearbeitet. Anhand von einigen kleinformatigen Kunstwerken beleuchtet Giovanni Morbin eine Zeit, die ohne ihn stattgefunden hat. Die Arbeit von Giovanni Morbin warnt uns davor, was passiert, wenn Grenzen geschlossen werden und auf welche Weise Linien gezogen werden können. Minimalistisch verweist er auf die Gefahr des neuen Aufstiegs der rechtsextremen Parteien in ganz Europa.

Der 1964 in Dubrovnik geborenen kroatische Künstler Slaven Tolj erreichte internationale Anerkennung durch seine Installationen, Body-Art und Performances, die ausgeprägte politische und soziokulturelle Kritik widerspiegelten. Der Beginn seiner Laufbahn als Künstler wurde unmittelbar geprägt von seinen Erlebnissen im Jugoslawienkrieg, dem Zerfall des Staates und insbesondere der Eroberung von Dubrovnik durch die jugoslawische Armee in den Jahren 1991-92. Ruhig und aus einem persönlichen, zurückhaltenden Blickwinkel untersucht er die Beziehungen und Hinterlassenschaften des Krieges. Das zentrale Thema seiner Arbeiten ist die Vermeidung direkter Sprache und Bilder, er arbeitet mit Weg- und Auslassungen, zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem.

Marko Zink wurde 1975 in Gaschurn geboren und er versucht mit fotografischen Mitteln ein zweifaches Verschwinden sichtbar zu machen: die Auslöschung von Menschen und die Tilgung von Erinnerung. Die von Marko Zink gewählte Kunstform ist die analoge Fotografie. Er bearbeitet seine Filme, eher er sie belichtet. Er kocht, stanzt oder zerschneidet sie, behandelt sie mit Chlor oder Tintentod. Mit diesem filigranen Filmmaterial fotografiert er ausgewählte Orte in- und außerhalb des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen in Österreich. Manchmal wirken Zinks Fotoarbeiten wie historische Fundstücke, rasch und heimlich aufgenommen, ausgebleicht von der Sonne, halb zerstört durch die Einwirkungen der Zeit. Manchmal scheinen die Fotos mit ihren Beschädigungen auf einer eigenen Ebene von jenem Ungeheuerlichen zu berichten, das sich hier vor weniger als acht Jahrzehnten zugetragen hat. Und manchmal scheint auf ihnen etwas sichtbar zu werden, was nur scheinbar nicht mehr zu sehen ist.

Event / Präsentationen während der Vienna Contemporary

1) Freitag, 27.9, 10 – 12h in galerie michaela stock, Schleifmühlgasse 18, 1040 Wien
Gallery Breakfast in der galerie michaela stock
Helen Carey, Direktorin der Firestation Artists' Studio in Dublin im Gespräch mit internationalen Kuratoren Stef van Bellingen und und irischen Performancekünstlerinnen Amanda Coogan, Laura Fitzgerald, Ann Maria Healy, Suzanne Walsh zu der performativen Ausstellung Capture Performance Focus / Ireland, welche über acht Wochen lang in der Galerie stattfindet. Eine Kooperation: Dublin/Irland und Wien/ Österreich

2) Freitag, 27.9, 16 – 18h am Messestand G13
Katalogpräsentation: Marko Zink M 48° 15' 24.13'' N 14° 30' 6.31 E, Mauthausen – Die Tilgung von Erinnerung, mit Autoren und Autorinnen der Publikation
Seit April 2019 wird die Ausstellung M 48° 15' 24.13'' N 14° 30' 6.31 E des Fotokünstlers Marko Zink in der Gedenkstätte ¬Mauthausen gezeigt. Das Buch beinhaltet einerseits die Werkserie, andererseits die Dokumentation der Ausstellungen. Die Autorinnen und Autoren tragen mit ihren Texten maßgeblich zu den verschiedenen Perspektiven der Werkserie bei, liefern darüber hinaus historische, pädagogische und gesellschaftspolitische Einbettungen. Mit Textbeiträgen von Felicitas Thun-Hohenstein, Wolfgang Huber Lang, Thomas Licek, Gudrun Blohberger, Bertrand Perz, Christian Dürr, Felicitas Heimann-Jelinek, Marija Nujic und Barbara Glück, erscheint im Verlag Mandelbaum

3) Samstag, 28.9. um 15 Uhr am Messestand G13
CD Präsentation: Gordan Paunovic "OTHER VOICES - echoes from a war zone" mit Elisabeth Zimmermann
Elisabeth Zimmermann, Redakteurin der Ö1 Sendereihe Radiokunst - Kunstradio, präsentiert die CD des Belgrader Medienkünstlers Gordan Paunovic "OTHER VOICES - echoes from a war zone". Diese CD ist ein Remix von Gordan Paunovics aus seiner 100-minütigen Live-Kunstradio-Sendung, die am 29. April 1999 im Studio RP4 im ORF Funkhaus Wien ausgestrahlt wurde. Es thematisiert die Bombardierung Belgrads, die vor 20 Jahre stattgefunden hat, mit Live Audiostreams, Tagebüchereinträgen und Soundarbeiten. Die CD wird für 10,- Euro verkauft.
Der Erlös kommt einem guten Zweck zu Gute (Frauenhaus in Belgrad).