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Eröffnung der Ausstellung am 21.11.2008 – 19 - 21 Uhr Begrüßung: Michael Sieber Einführung: Johan Holten

1989 hatte Marwan Baroudi, damals in seiner Funktion als Chefkurator von Part Four in Alexandria, fünf libanesische Künstler zu der Ausstellung „I Might Die Before I Get A Rifle“ eingeladen. Farrid Sarroukh, Janah Hilwé, Maha Traboulsi, Hannah Mrad und Mhammad Sabra setzten sich dabei in unterschiedlicher Weise mit den Auswirkungen physischer und psychischer Gewalt der vergangenen 14 (Bürgerkriegs-)Jahre in ihrem Land auseinander.

13 Jahre später, 2002, tauchten einige der damals gezeigten Arbeiten und Dokumente in einem anderen Kontext wieder auf. Nun wurden sie allerdings nicht mehr den fünf oben erwähnten Künstlern, sondern der „Atlas Group“ von Walid Raad zugeschrieben. Der Künstler Raad beschreibt diese Gruppe heute als ein „Kunstprojekt, unternommen zwischen 1989 und 2004, zu den Möglichkeiten und Grenzen, die Zeitgeschichte im Libanon festzuhalten“. Er spricht ferner von einem „Kunstprojekt, irgendwann in der letzten Dekade angesiedelt, das ein Universum von Objekten, Charakteren und Situationen aus dem Libanon zum Thema hat, denen sich nur mit den Mitteln der Fiktion näherkommen lässt“. Bereits 2002 wurde die „Atlas Group“ einem größeren deutschen Publikum vorgestellt, da einige der Gruppe zugeschriebene Dokumente auf der Documenta 11 in Kassel zu sehen waren. Bei der großangelegten Ausstellung im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin, 2006, konnte man die kuriosen Recherchen und Dokumente der Gruppe in einem bis dahin unbekannten Umfang bestaunen.

Ausgangspunkt für die Heidelberger Ausstellung war der scheinbar bizarre Kontrast zwischen den materiellen und fiktionalen Spuren der oben erwähnten Ausstellung. In Zusammenarbeit mit dem einflussreichen arabischen Kurator Marwan Baroudi hat der Kunstverein deshalb die Ausstellung „I Might Die Before I Get A Rifle“ rekonstruiert. Die Werke der Ausstellung (siehe alle Abbildungen in diesem Heft), auf denen Relikte des Konfliktes wie Sprengkörper, Geschosse und Explosionen zu sehen sind, werden alle mit den Originaltexten und -erläuterungen von 1989 ausgestellt. Dadurch kommt der Kontrast zu der Art und Weise, wie die „Atlas Group“ die gleichen Werke präsentiert hatte, zum Vorschein. Für die aktuelle Ausstellung im Heidelberger Kunstverein hat Baroudi vier Jahre recherchiert. Selbst für den gelernten Kunsthistoriker, Archäologen und Journalisten, der nach dem Studium auch als Schauspieler, Bühnenbildner und Maler gearbeitet hat, gestaltete es sich äußerst schwierig, den Verbleib der Arbeiten zu klären. Hilfreich war das große Netzwerk, das er von 1961 bis 1969 als Direktor des Cairo Artspace aufgebaut hat. Dort hatte er 1968 die legendäre Ausstellung „When Attitudes Become Form“ konzipiert.

Auch sein Posten als bis dahin jüngster Kurator der Al-Fan Biennale in Beirut, 1972, stärkte seine einflussreiche Position in der arabischen Kunstszene. Gleichzeitig zu seiner Tätigkeit in Beirut gründete er das „Museum der Obsessionen“ und seine bis heute fortbestehende „Agentur für geistige Leiharbeit“. Seit 1981 ist er alleiniger Kurator von Part Four in Alexandria, wo er unter anderem Arbeiten von Marcel Broodthaers, Kamal Boulatta, Sol Lewitt, Ad Reinhardt, Janah Hilwé und Chantal Akerman ausgestellt hat. Die Ausstellung verdankt sich ebenso der Ausdauer und Beharrlichkeit Baroudis wie der Großzügigkeit der verschiedenen Sammler und Institutionen, denen der Heidelberger Kunstverein ausdrücklich für ihre Kooperationsbereitschaft danken möchte.

Marwan Baroudi Nach dem Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und des Journalismus in Damaskus und Paris arbeitete Marwan Baroudi als Schauspieler, Bühnenbildner und Maler. Er hatte zahlreiche Einzelausstellungen. Seit 1957 ist er als Ausstellungsmacher tätig. Von 1961 bis 1969 war er Kurator des Cairo Artspace, wo er 1968 die legendäre Ausstellung When Attitudes Become Form konzipierte. 1972 war er der jüngste künstlerische Direktor der Al-Fan Biennale in Beirut. Seit 1981 ist er alleiniger Kurator von Part Four in Alexandria, wo er unter anderem Arbeiten von Marcel Broodthaers, Kamal Boulatta, Sol LeWitt, Ad Reinhardt, Janah Hilwé und Chantal Akerman ausgestellt hat.

Walid Raad 1967 in Chbanieh, Libanon geboren, lebt und arbeitet in Beirut und New York | EINZELAUSSTELLUNGEN (AUSWAHL) | 2008 | Sfeir-Semler Gallery, Beirut; Bell Gallery, Providence | 2007 | Paula Cooper Gallery, New York; Tamayo Museo, Mexico City; Henry Art Gallery, Seattle; Culturgest, Lisboa | 2006 | Sfeir-Semler, Hamburg; Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Berlin; Concordia Art Gallery, Kingston; The Kitchen, New York | 2005 | Anthony Reynolds Gallery, London; Fact, Liverpool; Agnes Ethrington Gallery, Ontario | 2004 | Prefix Institute, Toronto; Art Gallery of York University, Toronto; Haus der Kulturen der Welt, Berlin; Centre Pompidou, Paris; Ashkal Alwan, Beirut; Museum of Contemporary Art, Sydney | 2003 | Anthony Reynolds Gallery, London; La Galerie, Noisy-le-Sec, France | GRUPPENAUSSTELLUNGEN (AUSWAHL) | 2008 | Masarat, Palais des Beaux Arts, Brüssel; Art Now, Darat Al Funun, Amman; Color Chart, Musem of Modern Art, New York; Car Culture, Scottsdale Museum of Contemporary Art, Scottsdale; Dead Pan, CUNY Graduate Center, New York; Archive Fever, International Center of Photography, New York | 2007 | Cross-Border, Kunstmuseum Stuttgart, Stuttgart; Forschen und Erfinden, Fotomuseum Winterthur, Wintherthur; SYSTEM ERROR, Palazzo delle Papesse, Siena | 2006 | Sydney Biennale; Under the Same Sky, Det Nationale Fotomuseum, Kopenhagen; Beyond Boundary: Seventeen Days of Looking, Museum of Modern Art, New York; Out Of Beirut, Modern Art Oxford, Oxford; Ah, les belles images!, La Tôlerie, Clermont-Ferrand; Snafu, Kunsthalle Hamburg, Hamburg | 2005 | Flight 405, Galerie Sfeir-Semler, Hamburg und Beirut; Greater New York 2005, P.S.1, New York | 2004 | Photo España, Madrid; Taipei Biennale, Taiwan Museum of Contemporary Art, Taipei; Ethnic Marketing, Centre d‘Art Contemporain, Genf; The Interventionists, MASS Museum of Contemporary Art, North Adams | 2003 | Mapping Sitting, Video Brazil, Sao Paolo; Witness, Barbican Art Galleries, London; Die Sehnsucht des Kartographen, Kunstverein Hannover, Hannover | 2002 | Documenta 11, Kassel; Tamass, Fondacio Tàpies, Barcelona; What, A Tale of Images, Memling Museum, Brügge

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I MIGHT DIE BEFORE I GET A RIFLE (1989)
Ein Projekt von Walid Ra´ad
Kuratiert von Marwan Baroudi

Mit Arbeiten von Farrid Sarroukh, Janah Hilwe, Maha Traboulsi, Hannah Mrad, Mhammad Sabra