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Einzigartig ist die Faszination des Aquarells, das wie keine andere Technik Leuchtkraft, Reinheit und Transparenz der Farben zum Ausdruck zu bringen vermag. Leichtigkeit, Frische und Spontaneität bestimmen seine malerischen Qualitäten. Die Ausstellung „Wasser, Farbe, Licht. Aquarelle der Graphischen Sammlung“ lädt dazu ein, die Vielfalt dieser anspruchsvollen Technik an herausragenden Beispielen aus dem eigenen Sammlungsbestand, der bis in die jüngste Gegenwart reicht, zu erkunden. Den meisterhaften Umgang mit dem Pinsel und den wasserlöslichen, lasierenden Farben bezeugen Stadtansichten, nahe und ferne Landschaften, atmosphärische Eindrücke wie Wolkenstudien, Stillleben, aber auch surreal wirkende Bildschöpfungen von Jean-Jacques de Boissieu, Carl Philipp Fohr, Carl Rottmann, Carl Morgenstern, Rudolf von Alt, Louis Eysen, Paul Cézanne, Lovis Corinth, Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner, Georg Baselitz, Claes Oldenburg und vielen weiteren namhaften Künstlern.

Bereits mit seinem Namen weist uns das Aquarell auf das Wasser, lateinisch „aqua“, hin. Als maßgeblicher Anteil löst es die mit einem Bindemittel wie Gummiarabikum versetzten, feinst gemahlenen Pigmente der Aquarellfarben. Mit spitzen bis breiten Haarpinseln, die Flüssigkeit in unterschiedlicher Menge aufzunehmen und abzugeben vermögen, werden die transparenten Farben einmal breitflächig, einmal feinlinig oder punktuell auf das Papier aufgebracht. Die Durchlässigkeit seiner Farben macht den Zauber des Aquarells aus. Aquarellfarben verschließen den Papiergrund nicht und lassen im Unterschied zur Malerei mit Deckfarben das Licht durch die Farbe dringen und so vor den Augen des Betrachters ein Bild von gleichsam immaterieller Qualität entstehen. Nur das Aquarell vermag sowohl die Präzision einer Zeichnung als auch die illusionistische Raumwirkung der Malerei einzulösen. Es kann wirklichkeitsgetreuer Beschreibung dienen, aber ebenso malerischen Duktus zum Ausdruck bringen. Vor allem aber erfordert es Vorstellungsvermögen und eine souveräne Beherrschung der Technik, um ein Motiv im Aquarell aus dem Licht des Papiers heraus über die hellsten zu den dunklen Farbtönen hin aufzubauen. Auch die Oberflächenstruktur des jeweiligen Papiers ist entscheidend. Den überwiegenden Ansprüchen der Aquarellmalerei entgegenkommt Papier, das saugfähig ist und relativ schnell trocknet, ohne Wellen zu bilden, sodass lasierende Farben zügig übereinandergesetzt werden können.

Für die Betrachtung eines Aquarells lassen sich kombinierbare Methoden unterscheiden: Die transparente Farbe wird mit dem nassen Pinsel auf das trockene Papier aufgetragen. Nachdem sie getrocknet ist, können dieselbe oder eine weitere Aquarellfarbe lasierend darübergelegt werden, sodass eine Verschattung (Odilon Redon) oder ein dritter Farbton entsteht. Die Komposition wird so von den hellen zu den dunklen Partien hin aufgebaut (Ernst Fries). Ebenso auf das Papier aufgetragen werden können zuvor im Wasser angemischte Aquarelltöne. Arbeitet der Künstler nass in nass, so kann er mit einem in klares Wasser getauchten Pinsel einen noch nassen Farbauftrag verlaufen lassen. Von dieser Technik des Lavierens ist jene Nass-in-Nass-Malerei zu unterscheiden, die unterschiedliche Farben auf dem angefeuchteten Papier ineinanderfließen lässt, um zu neuen Farbtönen zu gelangen (Emil Nolde).

Nicht selten wird das Aquarell gestalterisch mit anderen Mal- und Zeichentechniken, zum Beispiel der opaken Gouache zusammengeführt (Louis-Gabriel Moreau). In vielen Aquarellen ist auch eine mit dem Graphitstift (Johann Heinrich Müntz), mit Kreide (Claes Oldenburg) oder Feder (Karl Philipp Fohr) angelegte Konturierung oder Skizzierung der Komposition zu sehen. Eine Vorstellung von atypischen Möglichkeiten des Umgangs mit dem Aquarell geben Beispiele von Johann Wilhelm Schirmer, der feine Linien aus der Farbschicht herauskratzt, oder Jakob Nussbaum, der dem dunkelsten Aquarellton Sandkörner beimischt. Grenzüberschreitende Kombinationen werden mit der Entwicklung der zeitgenössischen Kunst im 20. Jahrhundert möglich (Karl Bohrmann, Arnulf Rainer). Um das vielfältige Spektrum der Aquarellkunst anschaulich werden zu lassen, bietet die Ausstellung einen Querschnitt, der ausschließlich aus dem Sammlungsbestand des Städel Museums zusammengestellt wurde. Arrangiert wurde eine Auswahl von Werken aus der Graphischen Sammlung, die vom 15. bis ins 21. Jahrhundert reicht und in der Zusammenschau einen ebenso lehrreichen wie unterhaltsamen Blick auf die faszinierende Welt der Aquarellmalerei bietet.

Schon seit Anfang des 15. Jahrhunderts wurde die transparente Eigenschaft von Aquarellfarben genutzt, um Druckgraphiken oder lineare Zeichnungen zu kolorieren (Albrecht Dürer). Mit dem Ziel der Illusion entwerfen Künstler Glasfenster, Deckengemälde (Jacob de Wit, Giovanni Battista Tiepolo) und Theaterdekorationen (Giorgio Fuentes), eine Kirche (Leo von Klenze) oder gar eine komplette Stadt (Friedrich Maximilian Hessemer).

Seit Jahrhunderten dient das Aquarell der naturalistischen Wiedergabe der Pflanzenwelt, wie in der botanischen Studie von Maria Sibylla Merian, dem Stillleben des Niederländers Wybrand Hendriks oder dem grünen Blätterzweig des Franzosen Odilon Redon. Die heimische Tierwelt spiegelt sich im Fisch eines unbekannten Meisters des späten 16. Jahrhunderts oder in der „Krabbe“ des Niederländers Jan van Huysum.

Mit wachsendem Interesse ziehen Künstler des ausgehenden 18. Jahrhunderts hinaus in die Natur, um ein bildwürdiges Landschaftsmotiv zu entdecken. So blickt Christoph Heinrich Kniep am Golf von Neapel auf Capri, Friedrich Christian Reinermann in Hessen hinüber zur Ruine Kalsmunt bei Wetzlar und Christian Georg Schütz vom Feldberg im Taunus hinunter auf Reifenberg. Alle drei geben ihren in großem Format ausgeführten Aquarellen den Rang eines Ölgemäldes, während der 17-jährige Frankfurter Carl Morgenstern ein kleines „privates“ Panorama über den Main festhält.

Unter den Aquarellen der deutschen Romantiker in der Sammlung des Städel Museums überwiegen die vor allem in Italien gewonnenen Landschaftsimpressionen. Das vielversprechende Talent des früh verstorbenen Karl Philipp Fohr wird in dem Skizzenbuchblatt einer farblich differenzierten Wolkenstudie und in seiner Tiroler Landschaft anschaulich. Aquarelle von Hippolyte Flandrin und Muirhead Bone zeigen, wie sehr sich die Technik zur stimmungsvollen Beschreibung der Atmosphäre einer bestimmten Tageszeit eignet. Max Klinger findet mit Siena eine Stadt vor, die ihn zu Aquarellstudien für den Hintergrund seines Monumentalgemäldes „Die Kreuzigung Christi“ anregte.

Zu den Höhepunkten der Frankfurter Sammlung zählt die „Kastanienallee im Jas de Bouffan“ des Franzosen Paul Cézanne. Durch das Aquarell gelingt es dem Künstler, seiner streng durchgeführten Komposition einen klassisch anmutenden und auch zeitgemäßen Ausdruck zu geben. Die Freunde Henri-Edmond Cross und Paul Signac verbindet die neoimpressionistische Ästhetik, und beide lassen sich vom hellen Licht der Mittelmeerküste zu Aquarellen inspirieren. August Macke wählt Komplementärkontraste für sein „Hilterfingen am Thunersee“.

Im späten Selbstbildnis von Lovis Corinth vermittelt sich der Eindruck von Schnelligkeit und Temperament, von einem Ringen mit dem Medium. Die Befreiung der Farbe, ihre Ablösung von Form und unterlegter Zeichnung, zeigen am Beispiel von Figur wie Landschaft Aquarelle von Karl Schmidt-Rottluff und Emil Nolde. Ernst Ludwig Kirchner sucht in „Wildboden“ und dem späten „Tanzpaar“ die Synthese der flächig eingesetzten Aquarellfarbe mit dem Kompositionsgerüst seiner Zeichnung.

Unter den Aquarellen der deutschen Nachkriegskunst erobert die abstrakte „Komposition“ von Karl Otto Götz in expressiv und breit angelegten Farbbahnen den freien Bildraum, und auch Hann Trier versteht die lichtdurchlässige Qualität des Mediums in abstrakt konstruktiven Figurationen einzusetzen. Ernst Wilhelm Nays frühe, kraftvoll wirkende Lofotenlandschaft weist im Zusammenhang unserer Auswahl auf A.R. Penck voraus, während sein spätes Mykonos-Aquarell zu Georg Baselitz überzuleiten scheint. Die unserer Alltagswelt entnommenen Objekte, deren Funktion Claes Oldenburg ebenso ignoriert wie ihre relative Größe, erobern mit irritierender Selbstverständlichkeit ihre irrealen Bildräume. Für sein Aquarell wählt er ein Knäckebrot, das in spielerischer Verkehrung zu einem Sportfeld erklärt wird. Sam Francis gelingt es durch Negation auf die Qualität der Aquarellmalerei zu verweisen, und im Verlauf einer eher kontemplativen Betrachtung wird das Auge für den zu entdeckenden Reichtum der Nuancen im künstlerischen Umgang mit Wasser, Farbe und Licht sensibilisiert.

Kuratorin: Dr. Jutta Schütt, Leiterin Graphische Sammlung ab 1750, Städel Museum

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Wasser, Farbe, Licht
Aquarelle der Graphischen Sammlung
Kuratorin: Jutta Schütt

Künstler: Odilon Redon, Ernst Fries, Emil Nolde, Louis-Gabriel Moreau, Johann Heinrich Müntz, Claes Oldenburg, Carl Philipp Fohr, Johann Wilhelm Schirmer, Jakob Nussbaum, Karl Bohrmann, Arnulf Rainer, Albrecht Dürer, Jacob de Wit, Giovanni Battista Tiepolo, Giorgio Fuentes, Leo von Klenze, Friedrich Maximilian Hessemer, Maria Sibylla Merian, Wybrand Hendriks, Jan van Huysum, Christoph Heinrich Kniep, Friedrich Christian Reinermann, Christian Georg Schütz, Carl Morgenstern, Hippolyte Flandrin, Muirhead Bone, Max Klinger, Paul Cézanne, Henri-Edmond Cross, Paul Signac, August Macke, Lovis Corinth, Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Otto Götz, Ernst Wilhelm Nay, Hann Trier, Sam Francis ...