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where do we go from here? präsentiert zum überwiegenden Teil neue, großteils eigens für die Ausstellung produzierte Werke von rund 30 KünstlerInnen. Die Ausstellung knüpft an das Format Junge Szene an, mit dem die Secession seit 1984 in unregelmäßigen Abständen, zuletzt 2003, jungen KünstlerInnen eine institutionelle Plattform und internationale Aufmerksamkeit bietet. Neben der Konzentration auf „junge“ Kunst setzt where do we go from here? ein deutliches Zeichen für die Präsenz von Künstlerinnen und plädiert innerhalb einer globalisierten Welt für die Etablierung des Bewusstseins eines gemeinsamen „Lebensraumes“ Zentraleuropa jenseits des überholten Ost-West-Antagonismus.

Mit der ursprünglichen Intention der Junge Szene-Ausstellungen vor Augen war die Analyse der sich verändernden Rahmenbedingungen in den letzten 20-25 Jahren wichtig für die Konzeption dieser Ausstellung. Ausgangspunkt für die Eingrenzung auf den zentraleuropäischen Raum waren die enormen Verände-rungen, die die Wiener Kunstszene(n) seither durchlaufen haben. Wien zählt zu jenen Metropolen des „alten“ Europa, die am unmittelbarsten von den geopolitischen Veränderungen der letzten zwei Dekaden profitiert haben. Das einstige Manko an Ausstellungsmöglichkeiten für „junge“ KünstlerInnen ist in den letzten Jahren durch eine zunehmend unüberschaubare Fülle von Institutionen, Galerien, selbstorganisierten Ausstellungsräumen, Festivals u. Ä. ersetzt worden.

Die im Titel der Ausstellung gestellte Frage soll mehrdeutig und in unter-schiedlichen Kontexten gelesen werden: Wörtlich genommen bezieht sie sich auf ein die konkrete Lebens- und Arbeitspraxis unmittelbar beeinflussendes Phänomen, dem sich heute eine Generation junger KünstlerInnen gegenüber-sieht: der Anforderung nach uneingeschränkter Mobilität und Flexibilität als Voraussetzung für die Chance auf eine erfolgreiche Laufbahn. Studien-Austauschprogramme, Arbeits- und Atelierstipendien sind zur Voraussetzung und gleichzeitig zum Motor dieses Systems geworden - selbst Galerien unterhalten mitunter eigene Atelier-Austauschprogramme. Im Extremfall führt diese Entwicklung zu einem modernen Nomadentum, zu Entwurzelung und Isolation anstelle der angestrebten Vernetzung und Integration.

Im übertragenen Sinn bezieht sich die Titelfrage auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungstendenzen und insbesondere auf die Rolle, die Kunst – und KünstlerInnen - innerhalb dieser einnehmen können. Mit der Globalisierung des Kunstbetriebs, die als Folge des Kollapses des osteuropäischen Kommunismus gesehen wird, wurde der alte Antagonismus zwischen künstlerischer Autonomie und politischem/sozialem Engagement insofern erneut virulent. Die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationsprozesse im heutigen Zentraleuropa werden in einer Reihe von Arbeiten in der Ausstellung reflektiert. Viele der ausstellenden KünstlerInnen sind in ihrer Kindheit und frühen Jugend noch mit der Realität des Kommunismus bzw. mit der Teilung Europas aufgewachsen und davon geprägt. Die in der Ausstellung präsentierten Arbeiten handeln daher auf sehr unterschiedliche Weise die Veränderungen – die in den ehemals sozialistischen Ländern viel unmittelbarere Auswirkungen hatten – ab: Dokumentarische Praktiken spielen dabei eine ebenso große Rolle wie partizipative Strategien oder Humor, Ironie und Nostalgie.

Zuletzt unterstellt der Titel der Ausstellung im vollen Bewusstsein der damit verbundenen Problematiken ein kollektives „Wir“. In der innerhalb des internationalen Kunstfelds vielfach rezipierten jüngeren politischen Theorie von beispielsweise Antonio Negri und Michael Hardt wird eine „neue Gemeinschaft“ als Alternative zur neoliberalen Weltordnung heftig eingefordert. Kollaborative und partizipatorische künstlerische Praxen sind seit langem aus dem Kunstfeld nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig boomt der vom Kunstmarkt geschaffene und in der kommerziellen Logik angelegte „Kunststar“ als heroische individualistische Figur. So arbeiten viele der KünstlerInnen der Ausstellung immer wieder in Kollektiven oder schließen sich für Projekte mit anderen KünstlerInnen, TheoretikerInnen oder auch dem Ausstellungspublikum zusammen, während sie gleichzeitig in ständiger Konkurrenz um Aufmerksamkeit, Ausstellungen, Verkäufe etc. stehen.

Der Titel der Ausstellung ist Martin Luther Kings letztem Buch WHERE DO WE GO FROM HERE? Chaos or Community? entliehen, das er 1967 geschrieben hat, als die schwarze Bürgerrechtsbewegung nach den ersten großen Erfolgen in eine Krise geschlittert war. Dieses Werk gilt als sein Vermächtnis und Zeugnis seiner soziopolitischen Visionen und Hoffnungen – und ist in vielen Punkten bis heute aktuell. Kings selbstreflexive und kritische Analyse ist gleichzeitig die Momentaufnahme einer Gesellschaft vor der Entscheidung, entweder im Chaos zu versinken oder für ein friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben als Gemeinschaft einzutreten. Ohne eine Analogie zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre ziehen zu wollen, sind viele der damals virulenten gesellschaftlichen Probleme wie Rassismus, Diskriminierung, ungleiche Verteilung der Güter, Mehrklassengesellschaften etc. bis heute gültig.

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Where do we go from here?
Kurator: Elisabeth Bettina Spörr

Künstler: Liliana Basarab, Vesna Bukovec, Petra Feriancova, Judit Fischer, Philipp Fleischmann, Nilbar Güres, Marlene Haring, Nina Höchtl, Ana Hoffner, Käthe Ivansich, Gergely Laszlo (Gergely Laszlo / Peter Rakosi), Dorota Kenderova, Johanna Kirsch, Eva Kotatkova, Roberta Lima, Marissa Lobo, Olivia Mihaltianu, Miklos Mecs, Christoph Meier, Anna Molska, Olivia Mihaltianu, Ciprian Muresan, Jan Nalevka, Ioana Nemes, Timea Anita Oravecz, Ekaterina Shapiro-Obermair, Katarina Sevic, SZAF  (Judit Fischer & Miklos Mecs), Adrien Tirtiaux, Jaro Varga, Anna Witt, ...