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Eröffnung: Freitag, 20. Juli 2007, 19 Uhr

Seit vielen Jahrzehnten ist die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden ein Forum der Avantgarde. Hier hatten Künstler, die später weltberühmt wurden, ihre ersten großen Ausstellungen. Seit dem legendären Projekt „14 x 14“ von Klaus Gallwitz und den ersten großen Überblicksausstellungen von Bruce Nauman, Dan Flavin und Ellsworth Kelly in Deutschland in der Ära von Katharina Schmidt und Jochen Poetter ist die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden ein Knotenpunkt der internationalen Kunstszene. „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue? Positionen der Farbfeldmalerei“ knüpft an diese Tradition an und thematisiert die Anfänge der minimalistischen wie konzeptionellen Malerei. Zugleich markiert sie den Beginn der Ausstellungstätigkeit von Karola Gräßlin, die den Schwerpunkt auf konzeptuelle und kontextuelle Fragestellungen der zeitgenössischen Kunst legen wird.

Color Field Painting bzw. Farbfeldmalerei gilt als erste in Hinblick auf Europa gleich­berechtigte, internationale Kunstströmung, die sich in den 1940er und 1950er Jahren in den USA entwickelte. Diese abstrakte amerikanische Malerei definiert sich ausschließlich über den visuellen Illusionismus und negiert die traditionelle Abbildfunktion der Malerei. Erstmals soll die Leinwand ausdrücklich nicht mehr als ein Farbträger sein. So steht die Farbfeld­malerei für ein grundlegendes und zugleich radikales Hinterfragen der traditionellen Bild­auffassung in der Malerei. Die individuelle Handschrift eines Künstlers, der Pinselduktus und die Faktur, werden bewusst negiert, wodurch die Farbe zugleich Form, Mittel und Inhalt der Malerei wird. Auch zwingt das häufig übergroße, das menschliche Blickfeld überschreitende Bildformat den Betrachter zu einer veränderten Wahrnehmung.

Eindrucksvoll werden diese Ideen durch die Gemälde „Who's Afraid of Red, Yellow and Blue” (1966-1970) von Barnett Newman illustriert. In allen vier Versionen des Gemäldes wird die Leinwand von der kadmiumroten Farbfläche beherrscht. Je ein blauer und ein gelber Farbbalken – so genannte Zips – gliedern das rote Farbfeld. Nach Newmans Auffassung ist das Erhabene („the sublime“) die höchste Bestimmung der Kunst. Ziel und Sinn seiner Malerei war es, dem Betrachter eine Erfahrung zu ermöglichen, die alles Vertraute übersteigt. Auch Mark Rothko teilte diese Auffassung und glaubte, ein Bild könne zu einem Äquivalent eines Individuums werden und eine intime Beziehung zum Betrachter herstellen. Ein Bild benötige, so schreibt Rothko 1947 in einem Statement, die Gesellschaft eines sensiblen Betrachters, um sich zu entfalten und zu wachsen.

Verknüpft waren diese Ideen mit der Kritik an der traditionellen Malerei und ihrer Orientierung am Naturvorbild sowie am Postulat der Schönheit: „[…] kann jemand irgendeinen europäischen Maler nennen, der fähig ist, sich vollkommen von der Natur zu befreien? Bei den Kubisten, den Fauvisten und den Surrealisten ist die Verbindung zur Natur ganz offensichtlich, […]. Ebenso schafft Mondrian […] eine diagrammatische Welt, welche das geometrische Äquivalent einer gesehenen Landschaft ist, der senkrechten Bäume und des Horizontes. […] Die zur Rede stehenden amerikanischen Maler erschaffen eine völlig andersartige Wirklichkeit, um zu neuen, ungeahnten Bildern zu gelangen. Sie beginnen mit dem Chaos der reinen Phantasie und des reinen Gefühls, das heißt sie beginnen mit nichts, was auf physikalische, visuelle oder mathematische Gewissheiten zurückverweist, und sie bringen aus dem Chaos der Emotion Bilder hervor, welche diese bislang ungreifbaren Emotionen realisieren.“ (Barnett Newman 1948)

Morris Louis und Kenneth Noland gelten als die wichtigsten Vertreter der „Washington Color School“, einer Gruppierung der Farbfeldmalerei, die in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren die Ansätze der ersten Generation weiterführten. Auch ihr Interesse galt den Erscheinungsformen der Farbe, wobei ihre räumliche Struktur eine zentrale Position einnimmt. Die beiden Künstler entwickelten ihre Handschrift in der Technik des „soak stain“, wobei mit Acrylfarbe auf die ungrundierte Leinwand gemalt wird. Die Leinwand ist nicht nur Farbträger, sondern spielt beim Entstehungs­prozess eine zentrale Rolle: Sie saugt die Farbe auf und es entsteht ein tiefer Farbeindruck, der von der Oberfläche in das Volumen des Bildes verweist.

Auch auf die Malerei der folgenden Künstlergenerationen wirken sich die amerikanischen Impulse nachhaltig aus: Gerhard Richter beginnt 1970 die Serie der grauen Bilder, graue Leinwände, aus deren Vermengung der Grundfarben reduzierte Farbschattierungen hervor scheinen. Palermo negiert in seinen „Stoffbildern“ noch kategorischer eine individuelle künstlerische Handschrift. Seine Bilder aus eingefärbten Stoffbahnen besitzen keinerlei gemalte Materialität mehr, sondern sind radikal auf den farblichen Eindruck reduziert. Farbe ist hier nur noch visuelles Phänomen. Neben Ellsworth Kelly, dem es gelingt, grundlegende Gestaltungsprinzipien gattungsübergreifend in Malerei und Skulptur umzusetzen, überträgt auch Imi Knoebel Ideen der Farbfeldmalerei in das Skulpturale.

Dan Flavins Lichtkunst setzt ebenfalls Impulse des Color Field Painting um: Zum einen versucht Flavin durch den Einsatz von Licht den Raum zu entgrenzen und dem Betrachter eine zusätzliche Wahrnehmungsebene zu eröffnen. Zum anderen malt er mit farbigem Licht und verweist, auch wenn Flavin wiederholt betonte, seinen Arbeiten hafte nichts Mystisches an, auf eine transzendente Lichtästhetik und -metaphorik.

Neben den Hardlinern der ersten Generation werden auch Künstler der nachfolgenden Generationen mit ausgewählten Arbeiten vertreten sein und die Entwicklung wie den hohen Stellenwert der Farbfeldmalerei für die Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts veranschaulichen.

Die Ausstellung „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue? Positionen der Farbfeldmalerei“ mit Schlüsselwerken von Dan Flavin, Günther Förg, Ellsworth Kelly, Yves Klein, Imi Knoebel, Morris Louis, Barnett Newman, Kenneth Noland, Palermo, Stephen Prina, Ad Reinhardt, Gerhard Richter, Mark Rothko und Heimo Zobernig wird in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden vom 21. Juli bis zum 30. September 2007 zu sehen sein. Zur Ausstellung erscheint ein umfassender, reich bebildeter Katalog.