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„Als ich beschloß dir zu glauben hast du die Mitteilung geändert.“ [Esther Dischereit]

Stefka Ammon [*1970] Ihr Thema ist, wie sie selbst sagt: „kulturelle Projektionen, gesellschaftliche und private Mythen, denen ich nachgehe und denen ich mich wörtlich, bildlich und örtlich aussetze“.

Das bei Stedefreund vorgestellte Projekt „Der Elch auf dem Eis“ ist eine innere und äußere Suche, ursprünglich entstanden als Reflex gegen das Beschweigen der Vergangenheit in ihrer eigenen Familie. Dies war der Ausgangspunkt für verschiedene Reisen, unter anderem nach Litauen und zum Verwandtenbesuch in die USA. Die Berichte der Verwandten waren jedoch weniger informativ als Gespräche mit Außenstehenden, mit Historikern oder Behördenmitarbeitern, die ein Bild vom damaligen Leben in Litauen und später im besetzten Polen vermitteln.

Am Ende lassen sich nur wenige konkrete Vorfälle rekonstruieren: Ein Großonkel war in der Waffen-SS, der Großvater profitierte von der Arisierung, als er das Geschäft eines Juden übernahm.

Bis heute bewegt sich Ammon in der Vergangenheit ihrer Familie wie in einem diffusen Halbdunkel, besonders wie ihre Verwandten diese Zeit erlebten, wie sie fühlten und dachten, war kaum zu klären. Die Karte vom nördlichen Mitteleuropa durchzieht nun eine gezackte Linie, die den Weg der Familie von Litauen über Polen nach Niedersachsen in den Jahren zwischen 1941 und 1946 nachzeichnet. Der Elch, dem sie bei Exkursionen während einer Reise in Litauen nie begegnete, ist nicht zuletzt ein Bild für die Hoffnung die Geschichte ihrer Familie zu verstehen, die sich, gerade bei den heute noch lebenden Personen, mit den Jahren zu verändern scheint. In Ammons Installation wird ein privater Mythos visualisiert – in diesem stummen, beschwiegenen Mythos zeigen sich aber auch Momente deutscher Geschichte, deren Wirkung bis in die Gegenwart reichen und von denen zu reden bis heute umstritten ist. (Sabine Sanio)

Sandra Zuanovic [*1973] Zeichnungen ermöglichen eine Konzentration auf einfache und reflexive Momente des Bildermachens. Solche 'kleinen' Bildreflexionen zeigt Sandra Zuanovic in der Ausstellung „Wo man hinsieht“.

Die All-over-Bildstrukturen sind das beherrschende Element der Zeichnungen von Sandra Zuanovic – geometrische und organische Formen, ornamentale Ordnungen. Einfache lineare Grundmuster erweitern sich zu einem komplexen Gebilde mit einer Vielzahl von Ebenen.

Wie schon ihre Malereien der letzten Jahre zentrieren sich die Zeichnungen um banale Alltagsmotive wie Kleidungsstücke, Tiere oder - ein immer wiederkehrendes - Totenköpfe. Hierbei geht es der Künstlerin keineswegs um die Bedeutungsebene des real Abgebildeten, der Gegenstand - anfänglich Bildanlass - wird zum bedeutungsneutralen Schemata, eingebettet in endlose Strukturen des Bildraumes.

Zuanovics Zeichnungen wohnt das Abschreiben von Zeit inne – Schicht um Schicht setzt sie die grell bis glitzernden Farben der Gelstifte, die Linien ganz nah, ganz dicht aneinander. Stück für Stück geraten die Linien in Bewegung. Sie stabilisieren sich in unendlich erscheinenden Variationen. Das umschlossene Motiv wird zum Ort der Konzentration, Struktur und Gegenstand wagen das Abenteuer eines mehrdeutigen Miteinanders. Ein und dieselbe Geschichte geht weiter, Bild für Bild, bis sie von einer anderen Bildkombination erneuernd abgelöst wird.

Das Wechselspiel dieser Einzelpositionen von Ammon und Zuanovic wird durch die Zusammenarbeit mit der Autorin und Dichterin Esther Dischereit erweitert. Ihre auf den ersten Blick eben so beiläufigen wie handfesten Skizzen scheinbar ganz normaler Alltagseindrücke entpuppen sich als ein Wust aus zerrissenen Ariadnefäden, die verlässlich auf schwankenden Boden leiten.

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Wo man hinsieht
Stefka Ammon // Sandra Zuanovic
Eröffnung: Freitag, 30. März 2007