artist / participant

press release only in german

„Wols hatte alles vernichtet. Nach Wols war alles neu zu machen.“ So äußerte sich im Mai 1947 der französische Maler Georges Mathieu, als er „ganz erschüttert“ aus einer Pariser Ausstellung trat. Die Galerie Drouin in Paris zeigte 40 Gemälde von Wols, der erst ein Jahr zuvor begonnen hatte, auch in Öl zu arbeiten.

Zum 100. Geburtstag von Wols (eigentlich Alfred Otto Wolfgang Schulze, Berlin 1913 – Paris 1951) widmete die Kunsthalle Bremen 2013 dem Künstler eine großangelegte Retrospektive. Die Museumslandschaft Hessen Kassel rückt nun den engen, aber für das Werk von Wols besonders bedeutsamen Zeitraum zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Tod des Künstlers 1951 in den Fokus. Die Ausstellung in der Neuen Galerie präsentiert erstmals seine künstlerischen Positionen im Dialog mit Zeitgenossen wie Dubuffet, Jean Fautrier und deutschen Vertretern der informellen Kunst wie Bernard Schultze und Emil Schumacher.

Für die Rezeption von Wols in Deutschland spielen auch die ersten beiden documenta-Ausstellungen 1955 und 1959 eine herausragende Rolle. Die von Werner Haftmann auf der documenta 2 geprägte, heute umstrittene Interpretation seiner Malerei als „psychischer Automatismus“ bestimmte das Wols-Bild für Jahrzehnte. Die enorme Resonanz, die das Werk von Wols auf der d2 erfuhr, ist ein zentrales Thema in der Neuen Galerie. So konnten für die aktuelle Ausstellung zahlreiche Gemälde und Aquarelle als Leihgaben gewonnen werden, die bereits zur documenta in Kassel gezeigt wurden, darunter auch eine Fälschung.

Die facettenreiche Schau widmet sich jedoch nicht nur dem künstlerischen Umfeld und der Sichtweise der 1950er-Jahre auf Wols' Werk. Anhand seiner bislang viel zu wenig beachteten Buchillustrationen für so bedeutende Autoren wie Sartre, Artaud, Paulhan oder Bryen werden erstmals auch seine Kontakte zur Pariser Literaten- und Intellektuellenszene ausführlich gewürdigt. Auch in diesem Bereich konnten zahlreiche neue wissenschaftliche Ergebnisse erzielt werden. Die Bedeutung von Wols für die Kunst der 50er-Jahre ist heute unbestritten. Neben Jackson Pollock gilt er als der Begründer der informellen Malerei. Seine Ablehnung bürgerlicher Normen, die enge Verquickung von Vita und Kunst und nicht zuletzt sein früher, tragischer Tod machten sein Leben zur Legende. Einer breiten Öffentlichkeit blieb sein Œuvre dennoch weitgehend unbekannt. Macht Wols Schlagzeilen, so zumeist wegen der zahlreichen Fälschungen, die von seiner Witwe durch die Provenienzangabe ‚aus dem Nachlass des Künstlers’ geadelt wurden.

Wols, der 1932 von Dresden in die Kunstmetropole Paris gezogen war, trat zunächst durch seine Fotografien hervor. Mit Ausbruch des Krieges wurde er in verschiedenen Lagern interniert. Danach flüchtete er vor den Deutschen nach Cassis bei Marseille und nach Dieulefit bei Montélimar, bevor er 1945 nach Paris zurückkehrte. In den Internierungslagern begann er intensiv zu zeichnen. Aus grotesk verwachsenen, noch dem Surrealismus nahestehenden Fabelwesen entwickeln sich Strukturen, amorphe, organisch anmutende Formen, die gegenständlich nicht mehr zu fassen sind. Der Werkprozess, die Materialität und die Struktur werden zum eigentlichen Thema seiner Malerei. Die irritierende Bedeutungsoffenheit seiner Werke verweist den Betrachter auf sich selbst.

Neben der Ausstellung in der Neuen Galerie widmen sich ein umfangreicher Katalog sowie ein abwechslungsreiches Begleitprogramm Wols‘ Aufbruch nach 1945.

only in german

WOLS  – Aufbruch nach 1945

künstler:
Wols