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KUB Arena

Mit Yona Friedman aus Paris und dem in Bregenz lebenden Eckhard Schulze-Fielitz sind zwei der prominentesten Vertreter der städte-baulichen Avantgarde der 1960er-Jahre in der KUB-Arena erstmalig zu einer dialogischen Präsentation ihrer Arbeit eingeladen. Anhand von städteplanerischen Modellen und umfangreichen theoretischen Abhand-lungen entwickelten sie nicht nur visionäre Lösungsansätze für Probleme des Städtebaus, sondern schufen gleichsam Grundlagen für eine neue Architekturphilosophie. Seit ihrer ersten Begegnung 1959 verbindet beide eine enge Freundschaft, die mit einem gemeinsamen Entwurf für eine Brückenstadt über den Ärmelkanal (1963) auch architektonisch Ausdruck fand. Wichtiger Impuls für ihren Austausch bildete die Mitgliedschaft in der 1958 von Friedman gegründeten Groupe d’Étude d’Architecture Mobile (GEAM), einer Vereinigung von Architekten, die sich als Reaktion auf die architektonischen Anforderungen, die Industrialisierung, Verstädterung und die daraus resultierende Wohnungsknappheit darstellen, mit beweglichen Architekturformen beschäftigte. Ausgehend von Prinzipien wie Mobilität, Veränderbarkeit und Flexibilität entwickelte sie architekto-nische Megastrukturen, die sich oberhalb bereits bestehender Städte ausbreiten sollten. Die Rolle des Architekten wurde dabei durch einen neuen Typus von Planer ersetzt, der lediglich einen Rahmen, eine Struktur vorgeben sollte, in der die zukünftigen BewohnerInnen die Möglichkeit hatten, ihre Lebensumwelt nach eigenem Ermessen zu gestalten. Bei aller Unterschiedlichkeit der einzelnen Ansätze führte das gemeinsame Interesse an anpassungsfähigen Infrastrukturen, an Partizipation sowie an der Entwicklung spezieller Kommunikationssysteme zu einem Architekturbegriff, der gleichermaßen Fragen der Soziologie, Ökonomie, Mathematik und der Philosophie berührte. Insbesondere Friedmans Manifest L’Architecture Mobile (1958), seine Raumstadtkonzepte, wie La Ville Spatiale (1960), Schulze-Fielitz’ Raumstadt (1959) sowie dessen frühe Beschäftigung mit Themen wie Umweltkontrolle, Nachhaltigkeit und Ressourcenmangel waren zukunftsweisend und beschäftigten in ihrer Folge Generationen von Architekten und Stadtplanern.

Yona Friedman (geb. 1923) arbeitet seit den 1940er-Jahren an der Entwicklung mobiler, architektonischer Strukturen. Mit Panel Chains (1945) und Movable Boxes (1949) entwarf er zunächst einfache Architekturen aus preiswerten, leicht zu transportierenden, vorgefertigten Materialien, die ein Mindestmaß an Behausung für die durch den Krieg heimatlos Gewordenen ermöglichen sollten. Seither entwickelt er antihierarchische Do-it-yourself-Strukturen aus recycelbaren Materialien und Modulen, die individuell erweitert werden können. Überzeugt von der Annahme, dass Universum und menschliche Natur weder berechenbar noch kontrollierbar sind, materialisieren sich in seinen Schriften und Entwürfen die Möglichkeiten einer idealen Architektur, die sich gerade durch die Abwesenheit von Planung, Vereinheitlichung und Logik auszeichnet. Friedmans Projekte und Ideen zur Selbstorganisation stießen insbesondere in den letzten Jahren in der zeitgenössischen Kunst zunehmend auf Interesse. Er wurde so mehr und mehr zu einer wichtigen Referenzfigur für viele KünstlerInnen und war gleichzeitig auf zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten. In der KUB-Arena wird unter anderem seine Installation Proteinic Structure – Space Chain (2010) präsentiert – eine irreguläre Struktur, in der sich grundlegende Prinzipien seiner Praxis verdichten.

Im Gegensatz zu Friedman war Eckhard Schulze-Fielitz (geb. 1929) immer auch praktisch tätiger Architekt, der die Erkenntnisse seiner Raumstadttheorien in variierenden Formen auf einige realisierte Projekte zu übertragen wusste. Das prominenteste und mit etwa 800 Wohneinheiten größte Projekt ist die gemeinsam mit Jakob Albrecht und Gunter Wratzfeld konzipierte Siedlung an der Ach in Bregenz (1971–1980), die Schulze-Fielitz selbst als »gelandete Raumstadt« bezeichnet. Während seine frühen Arbeiten stark von Mies van der Rohe beeinflusst waren, entwickelte sich in deren Folge ein ausgeprägtes Interesse an räumlichen Strukturen jenseits der »Mies’schen Kastenarchitektur«. Spätestens mit der Präsentation seines ersten Raumstadtmodells 1960 in der Essener Galerie Van de Loo zeichnete sich seine Arbeit durch eine Suche nach einem räumlichen Ordnungssystem aus, das – in Anlehnung an ein Denkmodell aus der Physik – aus einer modulationsfähigen Makromaterie von wenigen Elementarteilchen besteht und einem präzisen Bildungsgesetz folgend beliebig erweiterbar ist. Ausgehend von dem Modell des sogenannten Metaeders, dem geometrischen Nukleus seiner Raumstadtentwürfe, hat Eckhard Schulze-Fielitz in enger Zusammenarbeit mit Wolfgang Fiel (Wien) für die KUB-Arena ein Ausstellungskonzept entwickelt, welches umfangreiche Einblicke in seine Architekturentwürfe der 1960er- und 1970er-Jahre liefert.