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„Deine Frau, Dein Freund, Dein Kollege, Dein Alles“ – so charakterisierte Hermine Rohte sich selbst einmal ihrem zukünftigen Mann gegenüber kurz vor der Eheschließung mit dem bekannten Worpsweder Maler Fritz Overbeck. Der Ausspruch der Malerin bildet den Titel und das Zentrum der großen Sonderausstellung, mit der das Overbeck-Museum, Bremen, das Werk der Künstlerin vom 29. Mai bis zum 25. September 2011 umfassend würdigen möchte. 2009 war Fritz Overbeck in aller Munde, als sein Schaffen durch die Retrospektive des Overbeck-Museums „Ich bin nicht sentimental“ aus Anlass seines 100. Todestages bundesweit bekannt wurde. Das Interesse der Besucher an den Arbeiten seiner Frau war überdurchschnittlich hoch, so dass für 2011 nun eine Folgeschau geplant ist, die die Künstlerin Hermine Overbeck-Rohte in den Mittelpunkt stellt. Zur Unterstützung der Ausstellung bittet das Overbeck-Museum um Spenden, um dieses ambitionierte Projekt realisieren zu können.

Zu Lebzeiten hat Hermine Overbeck-Rohte nie ausgestellt und ist erst durch die Gründung des jetzigen Museums vor 20 Jahren langsam in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Bekannt war die Künstlerin in ihrer Ehe vor allem als die Frau des berühmten Worpsweders Fritz Overbeck, die sich später darum verdient gemacht hat, sein künstlerisches Erbe im Gedächtnis zu halten. Eine breit angelegte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Schaffen jedoch steht bis heute aus. Das Overbeck-Museum widmet sich jetzt dem Werk der Malerin, die in ihrem Arbeiten einen ähnlich fortschrittlichen Zug zeigt wie ihr Mann, anders als er aber nie frei war, sich ganz der Kunst zu widmen, sondern sich als Frau immer auch mit den Erwartungen ihrer Zeit konfrontiert sah und den schwierigen Balanceakt gewagt hat, ihre Rolle als Malerin und Kollegin ihres Mannes mit der der Hausfrau und Mutter zu vereinbaren. Es ist daher auch Anliegen der Ausstellung, auf einer übergeordneten Ebene das Leben der „Malweiber“ um 1900 exemplarisch zu beleuchten.

Der Titel der Schau „Deine Frau, Dein Freund, Dein Kollege, Dein Alles“ umschreibt sehr plastisch das Rollengefüge, mit dem sich Hermine Overbeck-Rohte konfrontiert sah. Es springt sofort ins Auge, dass sie sich in diesem Zitat vor allem über die Ausrichtung auf ihrem Mann definiert, wie es das wiederkehrende Possessivpronomen „dein“ unterstreicht. Dies ist kein zufälliger Bezugsrahmen, sondern kann als typische (und wiederkehrende) Äußerung der Malerin als exemplarisch für ihr Selbstverständnis gelten, das gleichzeitig die Geschlechternorm der Jahrhundertwende widerspiegelt. Bekanntlich war es für Frauen im ausgehenden 19. Jahrhundert beschwerlich, einen Weg als Künstlerin einzuschlagen: Ein solcher Beruf galt nicht als angemessen. Daher gab es auch nur drei Damenakademien in Deutschland, die nicht staatlich anerkannt waren. Auch entsprach die Ausbildung nicht den Standards der etablierten Akademien für Männer, es gab kaum Ausstellungsmöglichkeiten für Künstlerinnen und damit auch keine Verkaufsmöglichkeiten für ihre Werke. Dies alles unterstreicht sehr klar, wie die Gesellschaft in Fragen der künstlerischen Betätigung von Frauen positioniert war: Sie galt maximal solange als angemessen, bis sich eine Frau verheiratete, um Hausfrau und Mutter zu werden.

Auch Hermine Overbeck-Rohte sah sich mit diesen Schwierigkeiten konfrontiert, dennoch hatte sie die Kraft, sich gegen anfängliche Widerstände ihrer gutbürgerlichen Walsroder Familie durchzusetzen. Nachdem sie zunächst noch standesgemäß eine Ausbildung als Krankenschwester gemacht hatte, lebte sie später als Erzieherin bei einer Professorenfamilie in Göttingen. Einen ersten künstlerischen Weg schlug sie mit ihrer Ausbildung zur Fotografin ein, aber erst mit 23 Jahren (als der gleichaltrige Fritz Overbeck schon zu ersten Sommeraufenthalten in Worpswede weilte) gelang es ihr, sich an der Münchner Damenakademie einzuschreiben. Nach vierjährigem Studium wechselte sie dann als Malschülerin zu Fritz Overbeck – und in ihrem eigenen Verständnis wird sie dies bis an ihr Lebensende bleiben, sogar Jahrzehnte über den Tod ihres Mannes hinaus. In den ersten Jahren als Witwe sucht sie noch die Reiseziele auf, an denen Fritz Overbeck in Sommeraufenthalten gemalt hatte (Sylt und Rhön), doch mit dem ersten Weltkrieg und zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten stellte sie ihre künstlerische Tätigkeit fast ganz ein. Doch die Selbsteinschätzung Hermine Overbeck-Rohtes sagt nur wenig über die Qualität ihrer Bilder aus. Sie sind ebenso auf der Höhe der Zeit wie die Werke ihres erfolgreichen Gatten, auch wenn sie im Verborgenen entstanden sind.

Im Mittelpunkt der Präsentation sollen daher die Werke der Malerin stehen, die bisher kaum je in so umfassender Weise gezeigt worden sind. Das Overbeck-Museum wird sämtliche Räume auf zwei Etagen für die Arbeiten Hermine Overbeck-Rohtes öffnen und auf diese Weise, unterstützt durch nahezu unbekannte Leihgaben aus Privatbesitz, ihr Schaffen erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Besucher können dann das reiche Werk der Künstlerin kennenlernen, das selbst ihre Kinder erst nach dem Tod ihrer Mutter im früheren Atelier ihres Mannes fanden. Ihre Bilder reflektieren einerseits eine Auseinandersetzung mit den wesentlichen modernen Strömungen um 1900, wie dies auch im Werk Fritz Overbecks der Fall ist, so dass sich Hermine Overbeck-Rohte damit als Malerin auf der Höhe ihrer Zeit präsentieren kann, andererseits sind sie auch von dem Versuch geprägt, die Rolle der Künstlerin auszufüllen, ohne die häuslichen Pflichten zu vernachlässigen (verstärkt wurde dieser Konflikt im Falle Hermine Overbeck-Rohtes noch durch ihre jahrelange Erkrankung an Lungentuberkulose, was viele Kuraufenthalte erforderte). Dies zeigt sich etwa an ihren Bildthemen, die häufig Ansichten aus der unmittelbaren Umgebung der Malerin aufgreifen wie Stillleben oder den Blick aus dem eigenen Fenster, darüber hinaus aber auch in der Wahl der oftmals kleinen Formate, die eine zügigere Behandlung erlaubten. Aus dem unmittelbaren Eindruck der zahlreichen und gleichzeitig doch so wandlungsfähigen Worpsweder Landschaften, den impressionistisch anmutenden Motiven aus dem neuen Haus in Vegesack nach dem Weggang aus der Malerkolonie und den plastisch gearbeiteten Stillleben ergibt sich ein intuitiver Zugang zum Werk der Künstlerin, der gleichzeitig wissenschaftlich aus soziologischer und kunsthistorischer Sicht angereichert wird und damit eine aktuelle Debatte über die immer noch virulente Frage nach dem Verhältnis von Frauen und Kunst anstoßen kann.

Begleitet wird die Ausstellung durch ein attraktives Rahmenprogramm, an dem erneut auch Teilnehmer des Studiengangs Kunst- und Kulturvermittlung der Universität Bremen mitarbeiten: Besucher können z.B. im Overbeck-Museum selbst zu Pinsel und Farbe greifen und unter fachkundiger Anleitung malen wie Hermine Overbeck-Rohte. Ortsführungen stellen die Malerin und ihre Kolleginnen um 1900 vor, vertieft durch ergänzende Vorträge über die Worpsweder Malweiber. Zusätzlich erscheint ein Katalog mit farbigen Abbildungen, der anhand von Zeittafeln und Aufsätzen das Werk Hermine Overbeck-Rohtes kunsthistorisch reflektiert. Die große Sonderausstellung „Deine Frau, Dein Freund, Dein Kollege, Dein Alles“ will Lust machen, das Werk Hermine Overbeck-Rohtes zu entdecken, und das Overbeck-Museum bietet zusammen mit verschiedenen Partnern aus den Bereichen Tourismus und Kultur attraktive Angebote für eine ungewöhnliche künstlerische Begegnung.

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Hermine Overbeck-Rohte
Die Retrospektive
Deine Frau, Dein Freund, Dein Kollege, Dein Alles