short biography

Wolfgang Hambrecht (geb. 1957 in Freiburg / Deutschland) lebt und arbeitet in Düsseldorf. Er studierte an der Universität Karlsruhe (Kunstgeschichte); an der Kunstakademie Karlsruhe bei Per Kirkeby; und an der Kunstakademie Düsseldorf bei Dieter Krieg. 1995 erhielt er den Villa-Romana-Preis, Florenz.

Malerei, Objekte

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Auf freiem Feld die Spannung halten
Ein Beitrag von Thomas Janzen zur Arbeit von Wolfgang Hambrecht

Dass alles auch anders sein könnte, ist ein Eindruck, der sich in Anbetracht der Malerei von Wolfgang Hambrecht unwillkürlich und immer wieder einstellt. Überblicken wir Hambrechts Schaffen der letzten Jahre, so wird sehr bald offenbar, dass der Maler über ein sich stetig erweiterndes Repertoire solitärer malerischer Formen und Gesten verfügt, das, gemessen an den Avantgarden des 20. Jahrhunderts, Gegensätze in sich vereint: die freie Gebärde, die mit dem Index der Subjektivität versehen ist, und die geometrische Konstruktion, die vielfach mit mathematischer Objektivität gleichgesetzt wurde. Gestische Linien- und Farbknäule, Ellipsen und eckige Geometrien, längsgerichtete Flächen, deren Enden gerundet sind, amorphe Strukturen, gebildet aus einfachen, geraden Schraffuren – sie und manche andere sind die Protagonisten der Gemälde Wolfgang Hambrechts, und sie sind es in besonderem Maße, weil sie jeder Zeit auftreten können, in neuer Konstellation und in veränderter aber doch wiedererkennbarer Gestalt. Das Bild ist zuallererst die plane Bühne ihrer Auftritte.

Dieser Grund, auf dem die malerischen Typen, die Hambrecht selbst auch „malerische Zeichen“ nennt, aufeinandertreffen, ist unbestimmt – eine Fläche, die zwar aufgrund ihrer mitunter schrillen Farbigkeit Signalwirkung besitzen kann, die aber keine Örtlichkeit definiert, außer derjenigen des Bildes, das heißt hier der Malfläche selbst. Sie fungiert als ein weitgehend neutraler Screen, auf dem die Formelemente sich selbst überlassen bleiben. Betrachtet man die farbige Grundierung, mag man sie konkret nennen im Sinne monochromer Farbmalerei; aus dem Blickwinkel der solitären Elemente, die auf ihr agieren, ist sie abstrakt. Eine vergleichbare Ambivalenz kennzeichnet aber auch die Akteure. Denn sind sie einzeln betrachtet unmittelbarer, konkreter malerischer Vollzug, sei es in gestischer, sei es in geometrischer Formulierung, so werden sie doch im Blick auf das jeweilige Bildganze aufgeführt und entwickeln gerade insofern figurative Dimensionen. Im übertragen Sinne sind sie Spieler, die das Rechteck der Leinwand als ein Spielfeld der Malerei in Erscheinung treten lassen.

Dennoch zielt Hambrechts Malerei nicht lediglich auf die Vorführung stilistischer Gegensätze und Konventionen von Malerei ab. Malereidiskurs und Appropriation gelten ihr eher als historische Bedingung, sich auf ein bestimmtes theoretisches Niveau zu begeben, sowie als zeitgenössische Möglichkeit, aus einem unerschöpflichen Fundus der Kunst, des Designs, des Alltags frei wählen zu können. So tauchen in Hambrechts Bildern beispielsweise verschiedentlich umrandete Formen auf, die an Schaltflächen oder blinde Spiegel erinnern können, während sie zugleich auf chromatische Farbverläufe anspielen, wie sie insbesondere aus der Malerei der fünfziger und sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts bekannt sind. Ein roter, wellenartiger Pinselschwung besitzt Ähnlichkeiten mit dem legendären Pantonstuhl, während weitere Elemente an Schaltkreise, Warencodes, Testbilder oder Wassertropfen angelehnt zu sein scheinen. Dabei handelt es sich freilich nicht um eindeutige Konnotationen, die in eine syntaktische Ordnung zu bringen wären. Vielmehr fungiert diese vage Mimesis als Stimulus für Malerei.

Den Anspruch, gänzlich neue Formen und Sichtbarkeiten erzeugen zu wollen, werden wir in Hambrechts Bildern daher vergeblich suchen. Es ist hingegen gerade ein Ausdruck konzeptioneller Souveränität, in dem Bewusstsein, dass genannter Anspruch seine historische Grundlage verloren haben könnte, originäre und originelle Malerei zu betreiben. Und eben dies gelingt Wolfgang Hambrecht, indem er mittels einer malerischen Kombinatorik Bildsituationen herstellt, die auf keine höhere Ordnung verweisen und insofern auch, wie es Ulrich Loock im Katalog Wolfgang Hambrecht (2001) formuliert hat, keine notwendigen Einheiten bilden. Es sind Situationen, die wie zufällig entstanden sein und in jedem Moment wieder auseinanderfallen könnten, die aber genau auf diese Offenheit hin konzipiert worden sind und in eben dieser Offenheit Qualitäten wie Spannung und Präzision aufrecht erhalten, um sie zugleich mit Witz und Ironie anzureichern.

So kann von Situationen angesichts seiner Bilder allein deshalb gesprochen werden, weil zwischen den einzelnen Bildelementen in ihrer Disparatheit Bezüge entstehen. Selten sind sie so offensichtlich, wie in dem großformatigen Gemälde Institute for Porous Media von 2001. Denn wie in einem Zwiegespräch stehen sich in dieser Arbeit ein rechtwicklig-geometrisches und ein organisch-geschwungenes Element - mit überaus ähnlicher Grundstruktur - über die Diagonale des Bilde hinweg gegenüber. Wie hier, so bleibt in vielen Arbeiten Hambrechts die Bildmitte frei, um von den virtuellen Energien des Personals aufgeladen zu werden. So etwa auch in Dorsia aus dem Jahre 2000 (Abb.). Ihr Klang ist kühler als derjenige des zuvor genannten Bildes. Dies liegt zum einen an der türkisgrünen Grundierung. Doch kühl ist ebenfalls das Beieinander der Formelemente, wobei auch zwischen ihnen zweifellos Relationen sichtbar werden: zwischen dem dunklen, schlangenartig emporwachsenden Pinselstrich und der fleischfarbenen, von der oberen Kante in die Mitte des Bildes zeigenden Farbbahn ebenso wie zwischen den linear-geometrischen Elementen. Die Mitspieler scheinen in einer eigentümlichen, indifferenten Schwebe zu verharren. Jedenfalls ist es kaum zu bestimmen, ob sie sich aufeinander zu bewegen, oder auseinander driften. Die Spannung wird dabei vor allem über die Farbe gehalten. Ihre Dissonanzen, die sich nicht im Kontrast allein, etwa von fleischfarben zu türkis, sondern auch in der Verwandtschaft, insbesondere der Grün-, Türkis- und Blautöne, ausdrücken, verleihen dem Bild paradoxerweise seine Stimmigkeit.

Bei aller Unbestimmtheit dessen, was geschieht, kündigen die Bilder eine Metaphorik der Beziehungen an. Nähe und Distanz, Gemeinschaft und Vereinzelung: Hambrechts Malerei scheint von solchen Relationen durchdrungen, wobei deren Artikulation, gerade dort wo sie konkret wird, ausnahmslos ironische Züge aufweist. So sehen wir etwa in dem Gemälde Apotrop aus dem Jahre 2000, wie ein nervös verschlungener Linienverlauf in eine andere, noch feuchte Farbform hineingemalt wird und deren Blauton annimmt. Es ist dies eine Anverwandlung, der die Rahmenbedingungen fehlen, um in eine glaubwürdige metaphorische Lesart übersetzt zu werden. Die konkrete Malhandlung erscheint bewusst auf die formale Bildebene zurückgesetzt; dem Versuch gegenüber, ihrer Ausdrucksqualität auf die Spur zu kommen, bleibt sie stumm. Hambrechts zeichenhaftes Formenrepertoire verweigert gleichsam die Aussage, und das Fehlen jedweder Syntax lässt auch die angesprochenen Verhältnisse von Nähe und Distanz ins Leere laufen. Deshalb bringen Hambrechts Gemälde ihren Betrachter in eine gewisse Bredouille. Denn nicht nur ästhetische Einheit und höhere Ordnung sind in ihnen aufgegeben, auch auf der partikularen Ebene sind die einzelnen malerischen Elemente einer vielleicht noch grundlegenderen Dissoziation unterworfen. Konkret gesagt: Ihr Zeichencharakter hindert uns daran, das Bild als reine, ungegenständliche Malerei zu betrachten, während er gleichzeitig nicht ausdrücklich genug ist, um tatsächlich etwas zu bedeuten. Indem Wolfgang Hambrechts Malerei weder eindeutig zur rein malerischen noch zur sprachlichen Seite ausschlägt, verharren die Bilder unentschieden zwischen den Systemen. Sie beharren auf einer Vorausdrücklichkeit, auf einer gewissen Rohheit sogar. Wie sollen sie wahrgenommen, wie gelesen werden? Nicht zuletzt aus dieser Unentscheidbarkeit erwächst ihre innere Spannung, die sie auf dem freien Feld der Malerei behaupten.

Thomas Janzen