Ein Beitrag von Lothar Frangenberg zur Ausstellung:

Alex Wissel – die Pest
Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
14. Dez 2019 - 09. Feb 2020

Die Ausstellung von Alex Wissel „die Pest“ im Kunstverein Düsseldorf geht in die Verlängerung. Noch bis zum 09. Februar können sich alle Fans und Interessierten ein Bild machen, wie der aktuelle Kunstförderpreisträger der Stadt Düsseldorf (neben Hedda Schattanik, die auch vor Ort mit ihrem Partner Roman Szczesny gezeigt wird) strategisch mit seinem Anspruch, aufklärende und künstlerische Recherche öffentlich verfügbar zu machen, umgeht: ein im Kunstbetrieb immer wieder bemerkenswertes Unterfangen! Sein Unterfangen sich als Künstler an aktuellen, politischen Diskursen zu beteiligen und Haltung zu beziehen. Wissel entwickelt eine Ausstellungsreihe – und diese Schau ist Teil davon – in der er aufzeigt, wie und wieweit Künstler und ihre Vereine im 19. Jahrhundert in die Ausformung eines neuen deutschen, nationalistisch geprägten Bewusstseins verwickelt waren – eines verqueren Deutschtums, das sich mit dem Entstehen des deutschen Kaiserreiches ab 1871 zunehmend aggressiv und rassistisch gibt. Es entsteht eine scheinbar identitätsstiftende Ideologie, die über den Nationalsozialismus bis in die heutige Parteienlandschaft immer wieder neue Anhänger findet.

Wissel spürt vor Ort historischen Künstlerfesten und der Geschichte des Grabbeplatzes in Düsseldorf nach, an dem heute Kunsthalle und Kunstverein liegen. Aus deutschtümelndem Schauspiel, „Lebenden Bildern“ und Pappmaché-Attrappen als Festdekorationen wurde ab dem 19. Jahrhundert in Metall gegossener oder in Stein verewigter Ernst in Form heroischer bis martialischer Figuren und Denkmäler. Wissel will das Hohle, Aufgeblasene hinter diesen angeblich historisch tief im Deutschen verwurzelten Traditionen mit seinen künstlerischen Mitteln präsentieren. So wundert es nicht, dass in seiner auf den Ort bezogenen Installation aus Skulpturen, Straßenschild und Wandzeichnungen riesige, einfach erstellte Pappmaché-Gebilde, an den Wänden verteilt, auftauchen: Pestbeulen als Wegwerfdekoration und Kommentar zur Lage. Wissel zeichnet nach Vorlagen auf Wände, collagiert und appropriiert. Er spielt bewusst mit dem Amateurhaften und Kargen. Es geht ihm nicht um die Schaffung neuer auratischer, visuell überwältigender Kultobjekte. Er bleibt unter dieser Schwelle. Der Fokus liegt nicht auf der Erfindung künstlerischer Möglichkeiten. Er grenzt sich ein, setzt den teils immer aufwendiger werdenden „Erzählungen“ seiner Künstlerkollegen ein optisches und technisches Downgrading entgegen. Das Visuelle wird direkt an eine deutlich akzentuierte Botschaft gekoppelt. Sie soll so angemessen transportiert werden. Die Verknappung der künstlerischen Mittel mag auch für den Versuch stehen, Kunst zu kanalisieren, sie für konkrete Inhalte verfügbarer zu machen.

Wissels Präsentation attackiert nicht, setzt einen visuell nicht unter Druck. Sie ufert nicht mäandrierend und subjektivierend aus. Aber ein Dilemma wird sichtbar: Wird die nüchtern und gleichzeitig plakativ daherkommende Installation dem schwierigen Thema gerecht oder bleibt sie im Illustrativen stecken, in einem Parcours, in dem sich visuelle Hinweise und Fährten als Anschauungsmaterial aneinanderreihen? Besucher, die all die Bezüge nicht vor Augen haben, tun sich wohl schwer, das eigene Bildreservoir so zu aktivieren, dass das Groteske und politisch Verzerrte hinter all dem radikal genug zur Anschauung kommt.

Dennoch leistet die Ausstellung einen Beitrag zur Frage, wie Künstler mit konkreten bis ins Tagespolitische reichenden Inhalten und der eigenen, präzisen und kommentierenden Haltung umgehen. Spannend bleibt, wie Wissel seine Erkundungen in weiteren Ausstellungsformaten umsetzen wird.

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