press release

Claudia Märzendorfer. 72 km+

Die künstlerische Praxis von Claudia Märzendorfer umfasst Projekte, die sich gängigen Erwartungshaltungen gegenüber als Produkt mit vorgelagertem Prozess entziehen. Ob unbeständige Installationen aus Staubpartikel oder prekäre Eisskulpturen wie abspielbare Schallplatten aus gefrorenem Wasser, die Arbeiten neigen zur Verflüchtigung ohne Wiederkehr. Sie handeln von Verschiebung und Unterwanderung von Normalsituationen, etwa im Falle der in der Ausstellung gezeigten gestrickten (Re-)Konstruktion von Ersatzteilen eines Lastwagens. Motor ihrer künstlerischen Unternehmungen ist die Nichtakzeptanz des Gegebenen, die Vergänglichkeit der Zeit dabei das wesentlichste Element. Und gleichzeitig ist sämtliches Wissen um äußere Determinanten, Bedingungen und Praxen Teil ihrer künstlerischen Produktion.

Alles begann mit einem LKW-Reifen, den Claudia Märzendorfer 2005 als ersten einer Reihe von ‚LKW Ersatzteilen’ anfertigte. Die Werkgruppe „silent running“ (seit 2005) umfasst neben fünf gestrickten LKW-Reifen jetzt auch weitere Teile, beispielsweise einen Auspuff, Tank, Scheinwerfer und einen Motorblock. Im Vorfeld der Produktion studierte die Künstlerin Baupläne für Motor und Mechanik, machte eine Reihe von Zeichnungen hiervon und entwarf Strickmuster für Reifenprofile und Schneeketten. Die ‚Ersatzteile’ wurden dann in monatelanger Handarbeit möglichst detailgetreu angefertigt, Masche für Masche nahmen die großformatigen Objekte langsam Form an. Mit dem organischen Gewirr an Schläuchen und Kammern erinnert „Motorblock“ (2012–13) an ein Herz oder ein mechanisch-technisches Eingeweide, das sich verselbständigt hat. Von Anfang an implizierte Stricken als Herstellungsverfahren jedenfalls einen absurd aufwändigen Arbeitsprozess. Angesichts eines allgemein akzeptierten Effizienz- und Optimierungsgebots stellt die gewählte Produktionsmethode weniger einen Anachronismus dar, als diese eine bewusst gesetzte Gegenläufigkeit in einer marktorientierten Instant-Gesellschaft ist: ein anarchischer Moment und ein durchaus politisches Statement. Wie bei ihren flüchtigen Skulpturen aus Eis, deren Verfallsprozess mit dem Zeitpunkt ihrer Präsentation einsetzt, sowie ihren temporären Raumarbeiten und Wandzeichnungen ist eine Perspektive frei von Funktionalität ein Motor für die Künstlerin.

An der vielteiligen Skulptur arbeitet Märzendorfer seit nunmehr 11 Jahren und hat bislang 72 Kilometer Wolle verstrickt.

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Claudia Märzendorfer, (*1969 in Wien, aufgewachsen in Graz, lebt in Wien) studierte an der Akademie der Bildenden Künste, Wien (Bruno Gironcoli). 2014 erhielt sie den Outstanding Artist Award für bildende Kunst.

Einzelausstellungen (Auswahl)

"Reisegruppe schöner Männer", Fox-Offspace, Wien (2016)
"kollektive Collage", Bildraum Bodensee, Bregenz (2016)
„shared space Attems", Rhizom im Palais Attems, Graz (2015)
„Silent Running, Ersatzteile", Showroom Vice Versa, Berlin (2014)
„CM Motor", vorAnker, Anker Brotfabrik, Wien (2014)
„Als er das Messer in die Sonne warf", Jesuitenfoyer, Wien (2009)

Projekte, Auftragsarbeiten (Auswahl)

„Unter ein Bild", Projekt mit der Kunstsammlung der Stadt Graz (2016)
"Raspberry", Wettbewerb Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich, Ybbsitz (2016)
„Vom Lift aus begangen liegt alles im Parterre", Pinnwand, Landschaftskunst, Universität für angewandte Kunst, Wien (2015)
„WANDABWICKLUNG", (Kunst am Bau, temporär), BIG Hauptsitz, Wien (2014)
„Der Gedanke kann warten, er hat keine Zeit", Hörspiel für Ö1 (2013)